Der tiefe Fall des Android-Stars HTC

A customer plays with an HTC J smartphone in a mobile phone shop in Taipei
A customer plays with an HTC J smartphone in a mobile phone shop in TaipeiREUTERS
  • Drucken

Einst war Taiwans Handy-Hersteller HTC der Stern am Android-Himmel. Heute liefert er Gewinnwarnungen und Spionage-Skandale. Wie konnte es so weit kommen?

Wien. 2010 war das große Jahr von HTC. Der taiwanesische Handy-Hersteller hatte mit dem Nexus One eben das erste Google-Handy gebaut. Ein technisches Wunderwerk, bei Fachpresse und Kunden gleichermaßen gefeiert. Mit dem folgenden Höhenflug der Amerikaner erzielte auch der asiatische Konzern Rekordgewinne. Es war die verdiente Beute dafür, dass das erst 1997 gegründete Unternehmen als erstes auf den Siegeszug des Google-Betriebssystems Android gesetzt hatte. Zwei schöne Jahre lang waren Googles Android und HTC quasi eins.
Heute ist alles anders. Android ist der unumstrittene Primus der Betriebssysteme am Smartphonemarkt. HTC hingegen ist in Schwierigkeiten. Seit Mitte 2011 liefert der Konzern zwar solide Geräte, verlor an der Börse aber neunzig Prozent an Wert. Statt mit Innovationen kommt HTC derzeit nur mit Gewinnwarnungen und Skandalen rund um Industriespionage in die Schlagzeilen. Was ist da passiert?

Google ließ HTC fallen

„HTC ist wie ein verwöhntes Kind, das nicht weiß, wie man mit den großen Buben Samsung und Apple richtig kämpft“, sagt Gartner-Analystin Carolina Milanesi. Tatsächlich hatte der Konzern nach seinem Traumstart als de facto Exklusivpartner von Android den neuen Rivalen nur wenig entgegen zu halten.
Rückblickend betrachtet war 2010 wohl doch nicht das beste Jahr für HTC. Es markiert auch den Anfang des tiefen Falls des Unternehmens. Denn in diesem Jahr trat auch der südkoreanische Anbieter Samsung auf die Bühne und lieferte mit dem Galaxy S einen ersten Herausforderer zu Apples iPhone 4. Technisch war das Gerät zwar noch weit davon entfernt, mit dem Apple-Handy auf Augenhöhe zu sein, aber zumindest der Anspruch des Konzerns war klar: Samsung wollte Apples Konkurrent Nummer eins werden – und hat es geschafft. Während HTC bei 2,2 Prozent Marktanteil herumdümpelt, riss Samsung über ein Fünftel des Handymarkts an sich und überholte zwischenzeitlich sogar Apple. Nicht zuletzt dank Google, das HTC fallen ließ und das zweite Modell seiner Vorzeige-Handys der Marke Nexus bei Samsung bestellte.
HTC baute weiterhin technisch gute Geräte, lieferte aber keinen großen Wurf mehr. Die Hoffnung für dieses Jahr, das HTC One, wartet seit Februar vergeblich auf Kunden. Der Gewinn des Konzerns brach jüngst um 83 Prozent ein. Dass nun drei Top-Designer von HTC verhaftet wurden, weil sie Industriegeheimnisse verkauft haben sollen, ist nur noch das Tüpfelchen auf dem i.

Mit „Iron Man“ gegen Samsung

Der Konzern leidet auch unter dem völkerrechtlichen Status von Taiwan. Das Land, das seit einem halben Jahrhundert darum kämpft, als eigenständiger Staat anerkannt zu werden, wird auch im internationalen Handel benachteiligt. Die Hoffnung, dass das Freihandelsabkommen ECFA mit China der Startschuss für viele weitere solcher Verträge sein würde, hat sich nicht erfüllt. Aus Rücksicht auf Peking, das Taiwan als abtrünnige Provinz ansieht, halten sich die meisten wichtigen Handelspartner zurück. Samsung hingegen profitiert von den Freihandelsabkommen, das seine Heimat Südkorea mit der EU und den USA geschlossen hat.
Und auch in Sachen Finanzkraft ist HTC dem Rivalen aus Südkorea weit unterlegen. Das zeigt sich am besten an den Marketing-Milliarden, die Samsung für seine Positionierung als Apples Erzfeind Nummer eins ausgegeben hat. Zumindest hier will HTC nun zurückschlagen. Das Unternehmen aus Taiwan hat sich Robert Downey Junior als Werbefigur geleistet, um Samsung in die Schranken zu weisen. Keine kleine Aufgabe für den „Iron Man“.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Customers look at HTC smartphones in a mobile phone shop in Taipei
Mobil

HTC kämpft im Weihnachtsgeschäft ums Überleben

Auch das neue Flagschiff HTC One hat den taiwanesische Android-Pionier nicht retten können.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.