Blackberry Z10 im Test: Der Kommunikationsspezialist

Blackberry Test Kommunikationsspezialist
Blackberry Test Kommunikationsspezialist(c) Presse Digital (Daniel Breuss)
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Das neue Smartphone punktet mit seinem übersichtlichem Nachrichtensystem und einem soliden Design, lässt aber in anderen Bereichen nach.

Blackberry befindet sich in etwa in der Situation, in der Nokia vor zwei Jahren war. Marktanteile sinken, Relevanz nimmt ab, das genutzte mobile Betriebssystem lockt kaum noch Entwickler hinter dem Ofen hervor und ein kompletter Neuanfang soll die große Wende bringen. Das Ergebnis ist das Blackberry Z10, das DiePresse.com getestet hat. Im Gegensatz zu Nokia hat Blackberry (vormals Research in Motion, kurz RIM) aber nicht auf ein Betriebssystems eines Softwarepartners gesetzt, sondern selbst Blackberry 10 entwickelt. Dementsprechend wirft auch dieser Test einen prüfenden Blick auf das neue System.

Schwarz, schlicht, schlank

Rein äußerlich erinnert das Z10 auf den ersten Blick an das iPhone 5. Zumindest von vorne, denn auf der Rückseite prangt das klassische Blackberry-Logo auf der griffigen Kunststoffabdeckung. Außerdem ist das Blackberry-Modell deutlich größer. Die Front wird von einem 4,2-Zoll-Touchscreen dominiert, der allerdings nicht unter Schutzglas vom Typ Gorilla Glass steckt, wie das bei vielen Top-Smartphones sonst der Fall ist. Mit fast 138 Gramm ist das Z10 für seine Größe noch recht leicht. Schlank, solide und ohne unnötige Schnörksel war hier offenbar die Devise der Designer.

Schaltet man das Gerät ein, präsentiert sich das Betriebssystem Blackberry 10 in der angenehmen Auflösung von 1280 x 768 Bildpunkten. Der Sperrbildschirm zeigt Benachrichtigungs-Icons an und auch die nächsten Kalendertermine. Entsperrt wird mit einem Finger-Wischer von unten nach oben. Das erinnert funktional und optisch stark an Microsofts Windows Phone 8 (das Nokia nutzt), damit hören sich aber schon die Gemeinsamkeiten der beiden Systeme auf. Statt eine alphabetische Liste an Apps gibt es das von iPhone und Android bekannte Icon-Gitter. Statt Live Tiles gibt es Vorschau-Anzeigen für Apps, die per Multitasking gerade laufen. Und die Benachrichtigungen, von jeher eine der Blackberry-Stärken, sind komplett anders gelöst.

Alles wird gewischt

Doch um sich das alles anzusehen muss man erst einmal den Bildschirm entsperren. Die Anzeige selbst gibt erst nach erfolglosen Versuchen mit eingeblendeten Pfeilen den Hinweis, dass man von unten nach oben schieben muss. Das funktioniert sogar ohne vorheriges Drücken des Einschaltknopfs, was angenehm ist. Der an der Oberkante mittig angebrachte Knopf ist nämlich nur über ein bisschen Finger-Verrenkung erreichbar. Generell wird das Z10 vorrangig mit Wisch-Bewegungen gesteuert. Von unten hinauf entsperrt das Gerät, zeigt nachher einen kurzen Blick auf die Benachrichtigungs-Icons, wenn man den Finger nicht loslässt und schickt die App in den Hintergrund, wenn man den Finger nach der Geste abhebt. Wischt man von rechts nach links, gerät man vom Multitasking-Bildschirm in die App-Auswahl. Nach links kommt man schließlich in den Blackberry Hub, der alle eingehenden Nachrichten, E-Mails, Termine und Benachrichtigungen zusammenfasst. Dieser lässt sich auch über die Geste "Hinauf + Rechts" von überall im System aktivieren. Wischt man von der Oberkante hinein, lassen sich die Einstellungen erreichen.

Ein Hub für alle Nachrichten

Der Hub ist in seiner allumfassenden Funktionalität ziemlich einzigartig in der Smartphone-Welt. Egal ob E-Mails, Twitter, Facebook, Kalendertermine oder andere Benachrichtigungen, alles fließt hier hinein. Natürlich lassen sich die einzelnen Bereiche auch separat anschauen. Kommunikation ist bei Blackberry Trumpf und das merkt man hier auch. Bekommt man einmal nicht mit, dass ein neues Element eingelangt ist, informiert das bekannte rote Blackberry-Benachrichtigungslicht darüber.

Balance zwischen Arbeit und Privatvergnügen

Eine Wischbewegung von oben nach unten ermöglicht auch das Wechseln zwischen den Profilen "Privat" und "Arbeit". Dann ändert sich das gesamte Aussehen des Z10. Das Hintergrundbild wechselt und andere Apps sind verfügbar, je nachdem, was die IT-Adminitratoren des Unternehmens freigegeben haben. Denn die von Blackberry Balance genannte Funktion benötigt einen Blackberry Enterprise Server 10. Dateien und Einstellungen sind auf verschiedenen Partitionen und mit einer 256-Bit-Verschlüsselung gesichert. In der Praxis funktioniert der Übergang schnell und zuverlässig. Der Arbeitsbereich lässt sich auch mit einem Passwort absichern.

Gedächtnisübung

Es braucht ein bisschen Zeit, bis man die Wischgesten alle verinnerlicht hat. Blackberry geht hier einen anderen Weg bei der Steuerung des Geräts als andere Hersteller, die stark auf Buttons oder Icons setzen. Nicht alle Gesten erschließen sich sofort. Und dadurch, dass manche doppelt besetzt sind (etwa das Hinaufschieben für App in den Hintergrund schicken und Benachrichtigungs-Icons anzeigen) kann man sich zu Beginn verhaspeln. Aufpassen muss man auch mit Apps, die sich im Querformat präsentieren. Dann ist die Geste für "App minimieren" nicht mehr von der Unterkante, sondern von der Längskante des Geräts durchzuführen. Der Gedanke dahinter ist wohl, dass "unten" in dem Fall dort ist. Aber auch dafür fehlt jeglicher Hinweis zu Beginn.

App-Angebot mit Mängeln

Blackberry hat für seinen App-Store "Blackberry World" ein paar bekannte Namen an Bord ziehen können (darunter das offenbar für jedes System verpflichtende "Angry Birds"), aber andere wichtige Entwickler fehlen. So ist der Musikstreaming-Dienst Spotify nicht vorhanden. Auch die Kommunikations-Marktführer Skype und Whatsapp fehlen noch. Für Online-Speicher gibt es von Blackberry selbst bereitgestellte Verbindungsmöglichkeiten zu Dropbox und Box, aber nichts von den Herstellern direkt. Twitter und Facebook lassen sich in den Hub integrieren. Die 75.000 Apps, die Blackberry zum Start bereit hatte, sind zum Großteil von Android portierte Anwendungen. Das macht sich leider auch in der Qualität oftmals bemerkbar. Native, für das QNX-Grundgerüst von Blackberry 10 programmierte Software, ist spärlich gesägt. Auch wird der angepriesene Multitasking-Aspekt kaum genutzt. Bei Nokias schon zwei Jahre altem N9 mit MeeGo-System konnte etwa eine Kompass-App als Miniaturansicht weiter funktionieren, gleiches galt für das Blackberry-Tablet Playbook. Beim Z10 merkt man von dieser Fähigkeit, die das Gerät an sich besitzt, bisher nichts. Dass Musik und Navigation im Hintergrund weiterlaufen, gehört in der Branche zum guten Ton und ist keine Besonderheit.

Maps hinter der Konkurrenz

Apropos Navigation: Im Test konnte das Z10 zwar die Position korrekt ermitteln und auch eine Route an ein gewünschtes Ziel berechnen. Der Start der Navigation schickte die App aber jedes Mal in eine Endlos-Warteschleife. Ein Grund dafür konnte im Test nicht ermittelt werden. Generell funktioniert die Maps-Anwendung und zeigt auch die Position korrekt an. Im Vergleich zu Google Maps auf Android oder auch Nokias Here auf Windows Phone ist die App von den Funktionen hinten nach. So gibt es etwa keine Satellitenansicht oder Informationen über öffentliche Verkehrsmittel. Diese fehlen dank mangelnder Kooperation der Betreiber in Österreich auch bei Google Maps. Nokias Here Maps können aber korrekte Fußgänger-Routen mit Öffi-Einsatz berechnen.

Tippen mit Vorschlägen

Eine von Blackberry stärken war bisher immer das Verfassen von Text. Das lag weniger an der Software als an den Hardware-Tastaturen der Geräte. Das Z10 besitzt keine solche, will das aber durch seine Text-Vorhersage wettmachen. Beginnt man zu tippen, erscheinen über den Buchstaben Wortvorschläge, die nach Ansicht des Systems passen können. Mit einem Fingerwischer lassen sich die Worte gewissermaßen in den Text schießen. Das funktioniert einhändig besser als zweihändig im Querformat. Der Mehrwert gegenüber der Methode von anderen mobilen Betriebssystemen, die die Wortvorschläge über der Tastatur einblenden, ist allerdings nicht ersichtlich. Was dafür angenehm ist, sind die immer vorhandenen Zahlen. Drückt man die "Shift"-Taste, erscheinen Großbuchstaben und statt den Zahlen Sonderzeichen.

Kamera im oberen Bereich

Selbst wenn das Blackberry Z10 als Businessgerät deklariert ist, so sind Endkunden-Funktionen wie eine Kamera auch hier nicht mehr wegzudenken. 8 Megapixel Foto-Auflösung von Videoaufnahmen im HD-Format 1080p sind möglich. Auf der Vorderseite gibt es eine Kamera mit 2 Megapixel und 720p-Videofähigkeit. Die Qualität der Hauptkamera ist in Ordnung, konnte aber (im Gegensatz zu dem, was manche Blogs behaupten) nicht die des Lumia 920 vom Thron stoßen. Außer Konkurrenz in diesem Bereich ist nach wie vor das Nokia 808 Pureview mit seiner 41-Megapixel-Kamera und der ungewöhnlichen Oversampling-Technologie. Zusätzliche Extras, wie etwa die Möglichkeit, Gesichter in Aufnahmen anzupassen, sind zwar nett, ändern aber nichts an der grundsätzlichen Qualität der Bilder.

Stromhunger

Wenn man das neue Blackberry-Flaggschiff intensiv nutzt, sollte man sich nicht allzu weit von einer Steckdose entfernen. Die Akkulaufzeit liegt im unteren Durchschnitt bei Smartphones. Hier besteht die Hoffnung, dass Blackberry 10 durch zukünftige Updates noch effizienter wird. Der 4,2-Zoll-Bildschirm und der Dual-Core-Prozessor mit 1,5 Gigahertz benötigen aber ihre Energie. Immerhin lässt sich der Akku mit 1800 mAh austauschen - eine Eigenschaft, die vielen Top-Smartphones derzeit fehlt. Wer länger unterwegs ist und weiß, dass er nicht so schnell wieder an eine Steckdose gelangt, sollte sich die Anschaffung eines Zweitakkus überlegen.

Fazit: Für Firmen und Kommunikatoren

Das Z10 ist ein absolut solides, flottes und modernes Gerät. Ihm fehlt aber ein gewisser "Wow"-Effekt beziehungsweise ein Alleinstellungsmerkmal, das es von der Konkurrenz maßgeblich abhebt. Die Trennung von Privat- und Arbeits-Bereich ist für Firmenkunden zweifellos wichtig. Ohne aktuellen Blackberry Enterprise Server ist aber auch Balance nutzlos. Auch die BBM-Funktionen wie Videochat sind nicht ohne Nutzung der Blackberry-Dienste möglich. Für das Z10 spricht der einheitliche Hub für jegliche Kommunikation und die Multitasking-Leistungsfähigkeit. Allerdings nur für acht Apps, danach wird die älteste automatisch geschlossen. Und das ganze Potenzial dieser Funktion wird auch nicht ausgeschöpft. Noch stören einige Bugs das Vergnügen. Und Design-Preise wird Blackberry für seine Benutzeroberfläche, in der teilweise Schaltflächen mit grauer Windows-Button-Optik auftauchen, auch nicht. Wer ein reinrassiges Kommunikationsgerät will, das auch im Firmenverbund zusammen mit einem BES arbeiten soll, wird mit dem Z10 nach ein bisschen Eingewöhnungszeit glücklich werden. Wer aber schon in ein anderes Smartphone-System investiert hat, bekommt wenig Anreize zum Wechsel.

(db)

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