Nokia E7 im Test: Das letzte Communicator-Einhorn

Nokia Test letzte CommunicatorEinhorn
Nokia Test letzte CommunicatorEinhorn(c) Presse Digital (Daniel Breuss)
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Smartphones mit Tastatur haben bei Nokia große Tradition. Kann das aktuelle Modell an frühere Erfolge anschließen? DiePresse.com machte die Probe aufs Exempel.

Er galt als klobig, unhandlich und mühsam. Und doch wurde der Nokia Communicator Ende der 90er-Jahren zum Inbegriff des Business-Handys. Dank seiner aufklappbaren Tastatur avancierte das Gerät zum beliebten Begleiter für Vielschreiber und Vorstands-Mitglieder. Der Glanz verblasste aber mit der Zeit, als die Blackberrys sich immer stärker ins Geschäftskunden-Segment hineinfressen konnten. Zwar erschien 2007 mit dem E90 das letzte Gerät mit dem offiziellen "Communicator"-Beinamen. Das neue E7-00 ist aber definitiv in der Tradition dieser Vorgänger. Und es wird wohl das letzte High-End-Business-Gerät von Nokia sein, das mit Symbian ausgeliefert wird. DiePresse.com hat getestet, ob das Handy an den Erfolg der alten Tage anschließen kann.

Solide Verarbeitung

Fasst man das Nokia E7 an, hat man sofort das Gefühl, ein solides Gerät in der Hand zu haben. Die Verarbeitung ist tadellos, das Gehäuse wirkt wie aus einem Guss. Wie schon bei Nokias N8 hat man das Gefühl, mit dem E7 in den Krieg ziehen zu können. Diverse unfreiwillig durchgeführte Einzelstudien im freien Fall bestätigten im Test die Stabilität des Geräts. Einschübe für eine Speicherkarte oder einen Ersatzakku sucht man allerdings vergebens. Man muss mit den internen 16 Gigabyte zurecht kommen. Lediglich ein seitliches Fach für die SIM-Karte existiert. 

Hübsches Display mit Touch-Hängern

Vergleicht man es mit dem Vorgänger E90, ist das E7 zwar leichter, dünner und niedriger, dafür aber breiter. Letzteres liegt an dem großen Touchscreen mit 4 Zoll Bilddiagonale und einer Auflösung von 640 x 360 Bildpunkten. Diese ist zwar nicht besonders hoch, insbesondere wenn man sich die Konkurrenz von diversen Android-Modelle oder Apples iPhone ansieht. In der Praxis störte das aber nicht sonderlich. Dafür präsentierte sich der AMOLED-Bildschirm mit knackigen Farben und hervorragenden Schwarzwerten. Er reagierte auf Eingaben großteils flott, manchmal aber nur nach der zweiten Aufforderung, insbesondere bei Wisch-Gesten oder Multitouch-Zoom.

Die Sache mit Symbian

Letzteres dürfte vor allem dem Betriebssystem zu verdanken sein. Das E7 setzt auf Symbian^3, Nokias aktuellem Versuch, das System in die Jetztzeit zu bringen. Angesichts der Tatsache, dass Nokia-Smartphones in Zukunft mit Microsofts Handy-System Windows Phone ausgeliefert werden, ist Symbian^3 aber mehr als letztes Aufbäumen zu verstehen. Auch wenn es über umfassende Funktionen verfügt, sind diese oft versteckt oder nicht immer einfach zu durchschauen. Eine so flüssige Bedienung wie sie Apples iOS, Googles Android oder auch Microsofts Windows Phone bieten, ist leider nicht drin.

Tastatur macht vieles wieder gut

Interessanterweise macht aber die Tastatur wieder viel wett. War es etwa mit dem Nokia N8, dem ersten Gerät mit Symbian^3, das Tippen eher mühsam, geht es hier zügiger. Allerdings darf es einen nicht stören, ständig sein Handy aufzuschieben und man muss immer zwei Hände frei haben, um in den Genuss der Tastatur zu kommen. Zu Beginn sucht man aber eine Weile den Öffnungs-Mechanismus. Dieser ist beim E7 so gut versteckt, dass Nokia sogar eine Piktogramm-Anleitung dem Gerät beilegt, wie man die Tastatur freilegt. In der Redaktion sorgte das Gerät diesbezüglich für einige Fragezeichen, bevor die Anleitung konsultiert wurde. Einmal erlernt, klappt das Öffnen aber reibungslos.

Touch-Tastatur nicht mehr zeitgemäß

Der Druckpunkt passt, alle Umlaute sind verfügbar und mit den aus der PC-Welt üblichen Tasten-Kürzeln (Strg+C, Strg+V etc) lässt es sich flott arbeiten. Oder mit einem Freund per Skype chatten, während man gerade einen Familienbesuch absolviert und die Gespräche sich um nicht so spannende Dinge drehen. Weniger toll ist dafür die Tipp-Möglichkeit, sobald man das Gerät zuschiebt. Von einem QWERTZ-Keyboard kann im Hochformat keine Rede mehr sein, man muss sich mit mehrfach belegten Zahlentasten abmühen. Vielleicht ein Tribut an die Tradition, allerdings nicht mehr zeitgemäß. Ein Update soll das laut Nokia beheben. Einen genauen Termin gibt es dafür aber nicht.

Kastrierte Kamera

Weniger prickelnd präsentiert sich das E7 beim Thema Kamera. Kein Autofokus ist heutzutage fast schon fahrlässig. Da nützt es auch nichts, dass die Kamera 8 Megapixel bietet, wenn die Bilder trotzdem unscharf werden. Für Videos im HD-Format 720p ist sie besser geeignet. Die Linse sollte aber vor jedem Einsatz geputzt werden, sonst gibt es unschöne Schlieren auf dem Bild. Die erstellten Werke lassen sich per mitgeliefertem HDMI-Kabel (und Adapter) auf entsprechend geeignete TV-Bildschirme spielen. Ein FM-Transmitter wie beim N8, um die eigene Musiksammlung an Radios zu senden, fehlt allerdings.

Navigations-Plus

Ein großes Plus von Nokia-Geräten ist seit einiger Zeit die kostenlose Navigation Ovi Maps. Man mag über das restliche Ovi-Konzept sagen, was man will, dieses Feature ist wohl eines der besten in der gesamten Branche und schlägt etwa Googles ebenfalls kostenlose Maps-Navigation in mehreren Bereichen. Die Sprachausgabe wirkt weniger wie eine Internatsbetreuerin, wenn man von der Route abweicht, wird die neue Strecke schneller berechnet und der Hauptvorteil: Man muss nicht ständig online sein, was gerade im Ausland von Vorteil ist.

Um den Business-Anspruch des E7 zu unterstreichen, hat Nokia die Software entsprechend aufpoliert. Sicherheitsspezialist F-Secure hat sein Antitheft inkludiert, es gibt PDF-Unterstützung, eine Office-Anwendung und zahlreiche Einstellungen für IT-Administratoren, um das E7 kontrolliert als Firmenhandy einsetzen zu können.

Fazit

Das E7 zu testen hinterlässt ein wehmütigen Eindruck. Einerseits, weil es einmal mehr beweist, welch solide Hardware Nokia bauen kann, wenn es darauf ankommt. Andererseits aber wegen des Betriebssystems. Symbian^3 bietet unter der Haube zwar einiges. Allerdings hat man davon im Alltag wenig, wenn das System nicht sofort auf eingaben reagiert, oder seine Funktionen auf mehrere Punkte aufgeteilt versteckt.

Viel schwerer wiegt aber, wenn man es genau betrachtet, Nokias Produktpolitik. Neben dem E7 macht das N8 kaum Sinn, hätte es nicht seine deutlich bessere Kamera. Vermutlich wurden deshalb die Funktionen des E7 mutwillig kastriert, um dem N8 nicht zu gefährlich zu werden. Wer sich nicht an der Größe des E7 stört und auf die Kamera nur in Notfällen zurückgreift, wird darin das wohl bessere Gerät finden.

Doch wie steht es im Vergleich zur Konkurrenz? Wenn es um das reine Erstellen von Text geht, egal ob E-Mails oder Notizen, ist das Nokia E7 besser als alle anderen Smartphones. Die Tastatur und unterstützten Kürzel ermöglichen flotteres und präziseres Tippen als auf allen anderen Plattformen. Noch dazu merkt man, dass Symbian sich am wohlsten fühlt, wenn man es nicht nur per Touchscreen, sondern auch über Hardware-Tasten bedient.

Womit sich wieder der Kreis zur Software schließt. Denn in allen anderen Bereichen hat das E7 im Vergleich zu iOS, Android und Windows Phone das Nachsehen. Was bleibt, ist ein Gerät, das sich gut für Spezialisten eignet und sicher im kleinen Rahmen eine Fangemeinde erobern wird. Langfristig sollte sich Nokia aber mit dem Umstieg auf Windows Phone beeilen. Denn die Konkurrenz entwickelt rasant weiter. Und Microsoft ist (wie die aktuelle Update-Warterei zeigt) leider auch nicht so flott, wie man sein müsste, um gefährlich werden zu können.

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