Galaxy S2 im Test: Magersüchtiges Leistungsmonster

Galaxy Test Samsungs flottes
Galaxy Test Samsungs flottes(c) Presse Digital (Daniel Breuss)
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Das Android-Flaggschiff des Herstellers glänzt durch seinen Bildschirm, sein extrem schlankes Gehäuse und den Doppelkern-Prozessor. Allerdings gibt es geringfügige Ärgernisse.

Bei Filmen ist die Fortsetzung meist schlechter als das Original. Bei Handys sollte das Nachfolgemodell aber immer besser sein. Insofern war die Latte für Samsung hoch gelegt, war doch das Galaxy S eines der erfolgreichsten Android-Smartphone des Jahres 2010. Dementsprechend bombastisch fällt das Galaxy S2 in seinen Dimensionen und Features aus. DiePresse.com hat ausführlich getestet, ob das Gerät seinen hohen Ansprüchen und erklecklichen Vorschusslorbeeren gerecht werden kann.

Schlankheitskur

Samsungs neues Flaggschiff ist groß. Richtig groß. 125 x 66 Millimeter misst das flache Ding. Denn mit 8,5 Millimetern ist das Handy eines der schlanksten auf dem Markt. Mit 4,3 Zoll ist der Touchscreen auch in der Oberliga angesiedelt. Wie schon bisher setzt Samsung vollständig auf billig wirkenden Kunststoff. Positiv ist, dass die Rückseite jetzt aus einem Material besteht, das Fingerabdrücke nicht mehr dermaßen magisch anzieht. Weniger toll: Die neue strukturierte Abdeckung ist deutlich rutschiger als noch beim Vorgängermodell. Das Handy gleitet so eher aus der Hand. Darunter verbergen sich die Einschübe für SIM-Karte und microSD. Letztere dient für die Aufrüstung der schon vorhandenen internen 16GB Speicherplatz.

Beeindruckendes Display

Gleich ins Auge sticht die Qualität des Displays. Samsung nennt die Technik Super AMOLED Plus. Man fragt sich, wieviele Zusätze der Hersteller noch an das ursprüngliche OLED (Organic Light Emitting Diode) anhängen will. Kontrast und Farben sind beeindruckend, die Auflösung ist mit 800 x 480 Bildpunkten allerdings nur gängiger Standard. Aufgrund der extrem schlanken Bauweise passiert es gelegentlich, dass man mit dem Handballen eines der Icons am Bildschirmrand aktiviert. Zumindest ein Zeichen dafür, dass der Touchscreen auch am Rand gut reagiert. Etwas unverständlich ist die Entscheidung, keinen Such-Knopf zu integrieren. Auf dem Gerät gibt es nur Schaltflächen für den Startbildschirm, das Menü und den "Zurück"-Button.

Flottes Doppelherz mit Hitzewallungen

Das Galaxy S2 ist eines der ersten Handys mit Doppelkern-Prozessor. 1,2 Gigahertz an Taktfrequenz bietet das Gerät dazu noch, was sich nicht nur im Alltag durch sehr flotten Bildaufbau und flüssige Darstellung von 3D-Spielen zeigt. Auch in Benchmarks kann das Galaxy S2 auftrumpfen. Mit dem für Android-Geräte zugeschnittenen Quadrant-Benchmark konnte das Testgerät 3197 Punkte erreichen. In einem anderen Durchlauf kam ein Wert von 2985 für dasselbe Gerät heraus. Das LG Optimus Speed, ebenfalls mit Dual Core, konnte nur 2576 Punkte erreichen. Ein Nexus One mit Android 2.2 an Bord erreicht weniger als die Hälfte. Muss sich der Prozessor aber anstrengen, wird das Gerät auf der Rückseite teilweise unangenehm heiß. Und das ausgerechnet in der Nähe des Kamerasensors. Je wärmer derartige Sensoren werden, desto größer wird deren Bildrauschen.

Android mit Spurenelementen des iPhone

Softwareseitig setzt Samsung auf die aktuelle Version Android 2.3 "Gingerbread", ergänzt sie aber durch seine TouchWiz-Oberfläche. Letztere zeigte sich auf Vorseriengeräten auf dem Mobile World Congress noch ruckelig, flutschte aber im Test problemlos. wie beim iPhone gibt es unten am Bildschirm Verknüpfungen für Telefon, Kontakte, SMS und da Anwendungsmenü. Letzteres scrollt nicht wie bei Android üblich vertikal, sondern wird (wieder wie beim iPhone) geblättert. Generell lehnt sich Samsung bei der Software einmal mehr sehr stark an Apples Erfolgshandy an. Genau deswegen ist ja auch eine Patentklage vom iPhone-Hersteller anhängig.

Informative Bildschirmsperre

Sinnvoll sind Ergänzungen am Lockscreen. Erhält man eine SMS, kann man sie direkt aufrufen, indem man ein neu erschienenes Symbol in die Mitte zieht (siehe Bildergalerie). Ebenso verhält es sich mit verpassten Anrufen. Weniger toll ist das Entsperren an sich. Man muss das gesamte Bild zur Seite schieben, wobei die Richtung egal ist. Das funktioniert horizontal nur, wenn man den Finger wirklich über die gesamte Bildschirmbreite schiebt. Vertikal reicht es auch, von der Mitte anzufangen und ganz bis zum Rand zu ziehen.

E-Mail á la Samsung

Eine weitere Anpassung, oder "Verschlimmbesserung" ist der E-Mail-Client. Löblich ist die Möglichkeit, im Querformat E-Mails und Nachrichtenliste gleichzeitig anzuzeigen. Während man in anderen Clients, etwa auch den für Gmail, Nachrichten simpel mit einem Tipp auf einen der Ränder der Liste anwählen kann, muss man bei Samsungs App sich erst für die jeweilige Aktion entscheiden und darf dann erst die gewünschten E-Mails auswählen. Vielleicht Geschmackssache, im Test fiel das aber negativ auf.

Von Hubs und Apps

Samsung hat Android aber auch um ein paar durchaus brauchbare Software erweitert. Etwa ein Diktiergerät oder einen Task Manager, der die aktiven Anwendungen anzeigt. Der brauchbare Musikplayer ist auch steuerbar, wenn der Bildschirm gesperrt ist und bleibt dezent am oberen Bildschirmrand. Eine parallele Schiene zum Android Market geht Samsung mit seinen "Hubs". Spiele, eBooks und Musik sollen Kunden dort erwerben können. Solange man nach den recht langen Ladezeiten überhaupt noch Lust auf die Hubs hat. Für Spiele wurde Gameloft als Partner gewonnen. Das Actionspiel NOVA - Near Orbit Vanguard Alliance und das Rennspiel GTRacing sind in als Testversionen kostenlos verfügbar.

Ungewollter Stummschalter

Will man aber spielen, muss man das Gerät in die Horizontale drehen. Dabei zeigte sich, dass das Samsung-Handy einen ungewöhnlichen Lautlos-Modus besitzt. Die Lage des Lautsprechers bedingt, dass man ihn des Öfteren mit einem Finger abdeckt, sobald man das Handy quer hält. Und nicht alle Apps lassen es etwa zu, dass man als Abhilfe das Gerät um 180 Grad dreht. Apropos Querformat: In dieser Haltung tippt es sich auf dem Gerät sehr fein. Das schlanke Profil und der große Bildschirm bieten guten Schreibkomfort.

Schließt man das Galaxy S2 an den PC an, verlangt es standardmäßig nach der bei den Kunden nicht unbedingt beliebten Synchronisierungssoftware Kies. Erst wenn man in den Einstellungen dem USB-Anschluss vorschreibt, sich als Massenspeicher zu melden, kann man manuell Dateien verschieben oder Bilder sichern. Aber Kies wird spätestens dann benötigt, wenn man die Firmware aktualisieren will. Samsung weicht hier von Googles Philosophie drastisch ab, was viele Kunden schon beim ersten Galaxy S verärgert hatte.

Solide Kameraleistung

Nicht nur eine, sondern zwei Kameras sind beim Galaxy S2 integriert. Auf der Rückseite bietet Samsung 8 Megapixel mit LED-Blitz, auf der Vorderseite 2 Megapixel. Die Fotos sind je nach Lichtverhältnissen exzellent bis gut. Das Kameralicht belichtet in den meisten Fällen ordentlich. Neben den üblichen Einstellungen wird auch ein Lächelauslöser geboten. Erfreulich ist die Qualität der Frontkamera. Hier kann man bei Selbstporträts deutlich mehr herausholen als bei vielen Konkurrenten mit lediglich VGA-Auflösung.

Videos schießt das Galaxy S2 mit bis zu 1080p. Dabei wird aber der Akku, der bei normalem Gebrauch etwa einen Tag aushält, deutlich stärker belastet. Der Fokus ist nicht durch antippen beeinflussbar, man sollte das Motiv immer direkt in der Bildmitte behalten. Der Bildausschnitt ist deutlich enger als bei Fotoaufnahmen, man muss also etwas mehr Abstand halten.

Sprachqualität

Und ja, telefonieren kann man mit dem neuen Samsung-Feature-Monster auch. Die Sprachqualität ist durchaus in Ordnung und bricht auch bei geringer Signalstärke nicht merklich ein. Etwas unangenehm am Ohr fühlt sich der dünne Rand rund um das Gerät an. Er soll vermeiden, dass man das Handy direkt auf den großflächigen Touchscreen legt. Ähnliches kennt man aber auch von anderen Herstellern. Softwareseitig hat Samsung auch hier die Telefonie-App selbst gestaltet. Sie bietet jetzt aber keine Vor- oder Nachteile im Vergleich zu Googles Standard-Ausrüstung.

Fazit - Leicht getrübtes Glanzstück

Wir hatten uns in der Redaktion kurzzeitig die Frage gestellt, ob dieser Testbericht überhaupt notwendig ist. Laut Samsung soll es nämlich bereits drei Millionen Vorbestellungen für das Galaxy S2 geben. Gewaltige Vorschusslorbeeren für ein Gerät, das zu der Zeit noch nicht auf dem Markt war und 550 Euro ohne Vertrag kostet. Die gute Nachricht: Panisch abbestellen muss keiner. Das S2 ist ein hervorragendes Gerät, allerdings mit ein paar Schönheitsfehlern.

Im Alltag zeigte sich das Galaxy S2 als flotter Begleiter, der aber selbst für große Hände schon etwas breit ist. Dass es aufgrund der rückseitigen Oberfläche nicht so sicher in der Hand liegt, gefällt weniger gut. Etwas unbehaglich ist auch, dass das Gerät beim Aufladen und der Nutzung von leistungshungrigen Spielen recht warm wird. Und aufladen muss man das Handy aufgrund der Akkuleistung recht oft. Samsungs Bedürfnis, teilweise zwanghaft einen eigenen Weg bei der Software gehen zu wollen, kann nur als zweischneidiges Schwert bezeichnet werden.

Das Galaxy S2 ist derzeit wohl die erste Wahl für Smartphone-Enthusiasten, die sich bisher noch nicht für eines der gängigen Systeme entschieden haben. Und gleichzeitig auch eine Messlatte für das kommende iPhone 5, was Geschwindigkeit und Ausstattung anbelangt. Für kleinere Geldbeutel und Hände gibt es aber durchaus noch andere attraktive Alternativen.

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