Von der Wüste bis zum Slum: Sauberes Trinkwasser für alle

Das derzeitige Helioz-Team (v. l.): Matthias Lohner, Lukas Landerl, Gerald Enzinger (CEO), Martin Wesian (CTO und Gründer).
Das derzeitige Helioz-Team (v. l.): Matthias Lohner, Lukas Landerl, Gerald Enzinger (CEO), Martin Wesian (CTO und Gründer).Herr Seelig, 2013
  • Drucken

Sie haben ein Gerät entwickelt, um schmutziges Wasser ohne Abkochen trinkbar zu machen. Alles, was es dafür braucht, ist Sonnenlicht. Was wurde aus Helioz und ihrem Wadi?

Die Idee ist denkbar simpel und trotzdem revolutionär. Vor zirka 15 Jahren hat die ETH (Eidgenössische Technische Hochschule) Zürich, die Sodis–Methode (steht für Solar Water Disinfection) entdeckt, mit der kontaminiertes Wasser entkeimt und damit wieder trinkbar gemacht werden kann. Wie das funktioniert? Ganz einfach.

Man muss nur eine Wasserflasche (die Größe ist egal) mehrere Stunden lang in die Sonne legen. Die UV-Strahlen filtern das Wasser und zerstören die Keime. Auch, wenn man es sich kaum vorstellen kann: Das Wasser ist danach gereinigt und trinkbar. So einfach ist das.

Millionen an Menschen könnten so Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Allerdings nur in der Theorie. In der Praxis gibt es mit dem einfachen Verfahren ein paar Probleme: „Die Leute glauben nicht daran, dann legen sie die Flasche nicht lange genug in die Sonne, und wenn sie dann das noch nicht saubere Wasser trinken, werden sie krank und glauben erst recht nicht die Methode“, erzählt Martin Wesian.

Wesian hat vor vier Jahren das Start-up Helioz gegründet und damit das Gerät Wadi entwickelt. Wadi macht sich die Sodis-Methode zunutze – und berechnet, wie lange eine Pet- oder Glasflasche in der Sonne liegen muss, bis die Keime darin so reduziert sind, dass das Wasser trinkbar ist.

Dafür wird das kleine Gerät auf die Wasserflasche geschraubt (oder aber auch nur daneben gelegt) – das Gerät beginnt auf Basis der empfangenen Sonnenstrahlen zu rechnen – ist das Wasser sauber, erscheint ein Smiley auf dem Wadi. Jetzt ist das Wasser trinkbar.

Luftverschmutzung behindert. „Die Dauer variiert, von einem ganzen Tag in Mexico-City bis zu einer halben Stunde in Indien“, sagt der gebürtige Vorarlberger Wesian, der sein Start-up in Wien gegründet hat und eben von einer Forschungsreise aus Spanien zurückgekehrt ist. Die Dauer ist von unterschiedlichen Faktoren wie Seehöhe, Breitengrad, Hitze und Luftverschmutzung (deswegen dauert es in Mexico-City länger) abhängig. Die Idee für Wadi kam Wesian während des Lesens eines Artikels im „Spiegel“-Magazin, wo die Methode vorgestellt wurde.Wesian – der in Wien Wirtschaftsingenieurwesen studiert hat – war davor ein Weltenbummler, er hat zwei Jahre in Südamerika gelebt und viel Zeit in Asien verbracht. Das Leben in Entwicklungsländern zu verbessern, war ihm ein Anliegen. So ist die Idee entstanden, das Sodis-System für seine Diplomarbeit zu verbessern.

Keine Krankheiten mehr. Mittlerweile sind ein paar tausend Wadis in mehr als 30 Ländern auf der Welt in Verwendung. Vertrieben wird es durch Kooperationspartner etwa das Jane Goodall Institut Austria oder den Arbeiter-Samariter-Bund. Mit Letzterem wird auch ein Feldversuch durchgeführt.

Ein Nomadendorf in Kenia testet Wadi seit fast zwei Jahren – indem die Familien damit ihr Trinkwasser produzieren. Dabei könne das Wasser ruhig auch schlammig sein, erzählt Wesian. „Unsere Faustregel lautet, wenn man durch die Flasche seine fünf Finger sieht, dann kann das Wasser verwendet werden, sonst muss man es filtern“, sagt Wesian. Dafür hat das Wadi einen Filter eingebaut. Seit Beginn des Testversuchs hätte der Nomadenclan jedenfalls keine durch unsauberes Trinkwasser bedingte Krankheiten mehr gehabt.

Und das soll jetzt für mehr Menschen möglich sein. Die Nachfrage nach den Wadis sei groß, sagt Wesian. Über eine Million Stück melden die Partner, die meist Organisationen vor Ort in den Entwicklungsländern sind.

Doch damit genügend Wadis produziert werden können, braucht es Investoren, die die Produktion vorfinanzieren. Weswegen Wesian gerade auf der Suche nach neuen Investoren ist. „Am liebsten einen Social Investor, der keinen Gewinn in zwei Jahren erwartet“, sagt er. Auch wenn das Start-up mit dem Verkauf der Wadis (ein Stück kostet unter zehn Euro) freilich in die schwarzen Zahlen kommen will.

Denn die Planung und Umsetzung der Idee hat doch länger gedauert als geplant. Was auch mit einem Patzer bei einem Investor zu tun hat. 2012 musste Wesian alle seine Mitarbeiter entlassen. Ein Investor hat im letzten Moment zurückgezogen. Dadurch sei das Start-up fast ein Jahr lang paralysiert gewesen.

Mittlerweile hat es mit dem Angelinvestor AC & Friends einen neuen Partner gefunden, der hat auch die ersten 200.000 Wadis, die derzeit in Produktion sind, finanziert.

Helioz

2010 hat Martin Wesian das Start-up Helioz gegründet und damit die Sodis-Methode weiterentwickelt.

Herausgekommen ist Wadi, ein Gerät, das anzeigt, wie lange eine Wasserflasche in der Sonne liegen muss, damit das Wasser entkeimt und trinkbar ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.