Auf Investorenjagd in London

A man walks past the columns of the Bank of England in the city of London
A man walks past the columns of the Bank of England in the city of LondonREUTERS
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Bei den Pitching Days in London überzeugten österreichische Start-ups mit spannenden Produkten wie einem E-Reader für Blinde. Großbritannien gilt als eines der Start-up-freundlichsten Länder Europas.

Ein Tablet für Blinde. Booking.com für Segler. Ein Marktplatz für Weiterbildung. Ein sich in einem Gefäß aufblasender Ballon, der den Schaden, den ein Herzinfarkt anrichtet, teilweise wieder rückgängig machen kann.

Eine Pitching-Veranstaltung für Start-ups ist immer eine Übung in geistiger Wendigkeit. Auch wenn die Gründer darauf trainiert sind, ihre Geschäftsmodelle so knackig, anschaulich und mitreißend zu präsentieren, damit auch Laien sie verstehen (und gleichzeitig Profis darauf anspringen) – es bleibt Hirnjogging für Fortgeschrittene. So auch in London, wo sich eine Auswahl österreichischer Start-ups am Donnerstag vor britischen Business-Angels und Beratern im österreichischen Außenwirtschafts-Center im noblen Bezirk Knightsbridge einfand, um die Risikokapitalszene Großbritanniens anzuzapfen.

Die drei Start-ups, deren Pitches beim Publikum am besten ankamen, werden in die Entrepreneur-Plattform der UK Business Angel Association aufgenommen, der Dachorganisation für ca. 15.000 britische Privatinvestoren, die mit ihrem Know-how und Netzwerk den Weg für den Markteinstieg in UK bereiten können. Ein guter Start also.



Lob der Angels. London ist bei Weitem die wichtigste europäische Hauptstadt, was die schiere Masse und Kapitalkraft der Business Angels und Venture Capital Fonds anbelangt. Dementsprechend groß ist die Konkurrenz unter den Start-ups. An dem einen Abend finden in London parallel vier Pitching-Veranstaltungen statt. Doch die Österreicher können mithalten: „Die Präsentationen sind alle sehr professionell, die Start-ups absolut konkurrenzfähig“, lobt Jenny Tooth, CEO der UK Business Angel Association.

Dass der „Angel market“ in London sich derart gut entwickelt hat, hat nicht nur mit der Größe und Finanzkraft der Stadt zu tun. Die Regierung hilft entsprechend nach und bietet Investoren, die aufstrebende Unternehmen unterstützen, attraktive steuerliche Anreize. „Wenn ich 10.000 Pfund investiere, dann bekomme ich 3000 Pfund von der Steuer zurück. Scheitert das Unternehmen, bekomme ich nochmals 3000 Pfund als Kompensation. Wenn sich meine Investition auf 100.000 Pfund verzehnfacht, gehören aber 100 Prozent davon mir. Der Staat federt also meine Verluste ab, lässt mir aber den gesamten Gewinn“, rechnet Anthony Clarke, CEO der Angel Capital Group, vor. Von derartigen Anreizen können Investoren in Österreich nur träumen. Auch beim Gründen legt die Regierung den Start-ups keine Steine in den Weg. Als Stammkapital braucht man nur ein Pfund – in Österreich sind es bei der GmbH light 10.000 Euro. Dafür sei es aber nicht so einfach, als ausländisches Unternehmen in England ein Bankkonto zu bekommen, räumt Clarke ein.

Alle österreichischen Start-ups, die sich in London eingefunden haben, sind auch bereit, dort eine Niederlassung zu gründen – für Investoren ein Muss, damit sie die steuerlichen Vorteile auch nutzen können.

Kristina Tsvetanova und Slavi Slavev von Blitab zum Beispiel. Sie zählen zu den drei Glücklichen, die beim Londoner Pitching Day bei den Investoren am besten angekommen sind. Das Wiener Start-up ist gerade dabei, ein ziemlich revolutionäres Produkt zu entwickeln: einen E-Reader für Blinde, der mit intelligenten Flüssigkomponenten arbeitet, die sich in Form kleiner Kügelchen in Brailleschrift auf einer Tablet-Oberfläche immer wieder neu formieren. Damit ist das Gerät vielseitiger als existierende Braille-Lesegeräte, die mit elektromechanischen Komponenten funktionieren und immer an eine Computer-Hardware angeschlossen sein müssen. Blitab funktioniert als Stand alone und ist mit einem voraussichtlichen Preis um die 2000 Euro wesentlich günstiger als alles, was jetzt an Lesegeräten für Blinde auf dem Markt ist. „Die Idee ist mir gekommen, als mich ein blinder Mitstudent auf der Universität gebeten hat, ihn online für einen Kurs anzumelden. Er hat das nicht selbst geschafft. Da dachte ich mir, dass ein großer Teil unserer digitalen Welt für Blinde nicht zugänglich ist“, sagt Kristina Tsvetanova. Der erste E-Reader-Prototyp, den das Team gerade entwickelt, soll nur der Anfang sein. Spätere Geräte sollen das Surfen im Internet in Braille möglich machen, auch Grafiken für Blinde lesbar machen und selbst eine Art Google Maps mit ertastbarem Navi anbieten. Klingt wie Science-Fiction, die Technologie dafür ist aber entwickelt und patentiert. In diesem sehr frühen Stadium testen die beiden Bulgaren mit Firmensitz in Wien jetzt bei internationalen Investoren das Wasser. „Besonders wichtig ist uns der Kontakt zu Regierungen, denn das Ziel ist, dass das Gerät vom jeweiligen Gesundheitssystem mitgetragen wird“, sagt Tsvetanova.


Segeln ohne Sorgen. In eine Welt von Gischt und weiter See, Luxus und Abenteuer versetzt einen der Pitch von Anna Banicevic von Zizooboats. Die Wienerin mit montenegrinischen Wurzeln hat im reichen Angebot der Buchungsportale eine lukrative Marktlücke entdeckt: einen Marktplatz für Charter-Segelboote. „Die Industrie für Mietboote hinkt dem restlichen Miet-Markt zehn Jahre hinterher“, sagt die ehemalige Google-Mitarbeiterin. „Da gibt es oft nicht einmal Fotos von den Booten.“ Zeit also, das Angebot auf einer Plattform zu bündeln und zu professionalisieren. England ist für die bereits in 15 Ländern (darunter Türkei, Kroatien, Griechenland, Österreich, Deutschland und Spanien) operierende Buchungsplattform ein wichtiger Markt. In der gerade laufenden Finanzierungsrunde hat Zizoo 300.000 Euro geraised und sucht nun in Großbritannien Investoren und Partner, um das Team auszubauen. Denn Zizoo, das zugleich Buchungsportal und Bewertungsplattform ist, ist relativ personalintensiv. Exklusivere Kunden werden via Live-Chat bzw. Callcenter betreut.

Was Pitching-Events wie das in London betrifft, wirkt Banicevic schon sehr abgeklärt. „Vielleicht ein Prozent der Leute, die man auf diesen Veranstaltungen kennenlernt, sind potenzielle Investoren. Man muss da schon sehr gezielt vorgehen, vorher schauen, wen man gerne ansprechen will und sich für Fragen der Investoren gut präparieren.“ Zizoo hatte deshalb auch abseits des offiziellen Events noch Treffen mit Investoren.


Fokus auf das Positive. Unter die besten drei geschafft hat es auch Course Ticket, ein Marktplatz für Kurse aller Art mit dem Mehrwert, dass den Kursanbietern ein Tool zur administrativen Abwicklung – Buchung, Bezahlung – zur Verfügung gestellt wird. „Großbritannien ist das interessanteste Land in Europa für den Weiterbildungsmarkt. Es gibt hier die meisten Trainingsprovider und Universitäten“, sagt Gründer Markus Kainz. Er ist vom Klima bei dem Pitching Event begeistert: „Hätte ich den gleichen Pitch in Österreich gemacht, hätte es danach hauptsächlich Kritik und Einwände gegeben, was alles schiefgehen kann. Hier fokussieren sich die Leute auf das Potenzial und die Vision des Unternehmers. Das macht das Netzwerken viel einfacher. Und erfreulicher.“ Ein bisschen von diesem Spirit werden die Start-ups wohl in ihre Heimat mitnehmen. Und mit etwas Glück haben sie in London ein weiteres unternehmerisches Zuhause gewonnen.

Pitchen und Netzwerken

Pitching Days. Die Junge Wirtschaft (JW), die Außenwirtschaft Austria (AW) und das Austria Wirtschaftsservice (AWS) luden am 16. und 17. 10. ausgewählte österreichische Start-ups ein, in London vor Business Angels ihre Geschäftsideen vorzustellen (zu „pitchen“) und ihre Möglichkeiten, am britischen Markt Fuß zu fassen, auszuloten. Die drei Start-ups, die vom Publikum am besten bewertet wurden waren Zizoo (www.zizooboats.com), eine Buchungsplattform für Boote, Courseticket (www.courseticket.com), ein Marktplatz für Kursangebote undBlitab (www.blitab.com), ein E-Reader für Blinde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2014)

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