Exit: Der Traum vom perfekten Abgang

(c) Stanislav Jenis
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Im Silicon Valley passiert es fast jeden Tag. In Österreich sind Exits noch etwas Besonderes. Das Biotech-Start-up Haplogen Genomics und das Portal Joblocal haben es kürzlich geschafft – ein Kraftakt für alle Beteiligten.

Er ist der Traum vieler Start-ups: der Exit. Der lukrative Verkauf des Unternehmens um ein Vielfaches dessen, was ursprünglich investiert wurde. Damit hat man, wenn man Glück hat, für das restliche Leben ausgesorgt. In den USA jedenfalls. Der erfolgreichste Exit des Jahres 2014 war der Verkauf des Nachrichtendienstes Whatsapp für 22 Mrd. Dollar an Facebook. Hierzulande müssen Start-ups kleinere Brötchen backen.

Das österreichische Biotechnologie-Start-up Haplogen Genomics hat das Kunststück eines erfolgreichen Exits unlängst vollbracht. Es wurde Anfang Jänner für 7,7 Mio. Euro an die britische Horizon Discovery Group verkauft. Georg Casari ist die Zufriedenheit über den geglückten Deal ins Gesicht geschrieben. Er ist Chef des Mutterunternehmens Haplogen. Die Tochter Haplogen Genomics kam vor knapp einem Jahr mit einem am Biotech-Markt einzigartigen Produkt auf den Markt: einer Technologie, mit der in sogenannten haploiden Zelllinien besonders einfach, schnell und damit kostengünstig einzelne Gene ausgeschaltet werden können.


Krebsdiagnostik. Das Start-up hat die weltweit größte Sammlung solcher speziell präparierter Zelllinien, die in der medizinischen und biologischen Grundlagenforschung eingesetzt werden: „Weil diese Zelllinie nur einen einzigen Chromosomensatz hat, kann man hier besonders effizient die Zellfunktion von Genen studieren“, erklärt Casari. „Wenn ein Gen ausgeschaltet ist, und dann zum Beispiel die Wirkung eines Medikamentes ausfällt, kann es nur an diesem speziellen Gen liegen.“ Die Technologie liefert so unter anderem Daten, um wirksamere Medikamente für Krebspatienten zu entwickeln.

Mit einer Publikation in der angesehenen Fachzeitschrift „Nature“ hatte das Start-up schon kurz nach seiner Gründung mit einem Schlag die Aufmerksamkeit der akademischen Welt auf sich gezogen. Und erschloss sich damit eine riesige Klientel.

Doch nicht nur die Forscher wurden auf das Start-up aufmerksam, sondern auch ein bereits etabliertes Biotech-Unternehmen: die britische Horizon Discovery Group, die in einem ähnlichen Forschungsbereich tätig ist, aber die Pharmaindustrie und nicht die Forschung als Hauptklientel hat. „Insofern ergänzen wir uns sehr gut“, sagt Casari. „Wir haben mit unserer Technologie ein Alleinstellungsmerkmal, das Horizon bis dato nicht hatte. Dafür hat Horizon durch den Börsengang viel Kapital eingesammelt, ein effizientes Business Development und Zugang zu Patienten, der für uns sehr interessant ist.“

Vertrauensfrage. Alles begann im Frühjahr 2014 mit einer Vertriebs- und Marketingpartnerschaft. Durch die Zusammenarbeit habe man bald gesehen, dass die Unternehmenskulturen des in Wien beheimateten Start-ups und des 200 Mitarbeiter starken Unternehmens mit Firmensitz in Cambridge, UK, kompatibel seien – eine wichtige Voraussetzung für das, was bald darauf folgte: der Verkauf an Horizon Discovery.

Eine Beziehung der Unternehmen vorab, ein bestehendes Vertrauensverhältnis, sei oft entscheidend für den glücklichen Ausgang von Übernahme-Verhandlungen, sagt Haplogen-Genomics-Chef Thomas Moser. Denn auch eine gute Beziehung habe bei Exit-Verhandlungen einige Härteproben zu überstehen.

Moser weiß das genau. Der ausgebildete Genetiker war früher Investmentbanker und beim Private Equity Fonds Pontis Capital tätig, bevor er mit Haplogen wieder zu seinen Wurzeln in der Forschung zurückkehrte. Ein ziemlicher Startvorteil für die Verhandlungen mit Horizon Discovery, da Moser schon einige Exits mitbegleitet hat.

„Die Schwierigkeiten, die ich bei anderen Transaktionen gesehen habe, hat es bei uns Gott sei Dank nicht gegeben“, sagt Moser. So passiere es sehr häufig, dass im Rahmen der Due Diligence (wenn das Unternehmen vom potenziellen Käufer geprüft wird, Anm.), unerwartete Hürden auftauchen – Schwierigkeiten mit ausländischen Patenten zum Beispiel. „Einmal hat sich herausgestellt, dass die chinesische Übersetzung eines Patentes nicht mit der englischen übereinstimmte. Das hat alles in Schieflage gebracht“, erzählt er. Umso wichtiger sei dann ein gutes Verhältnis mit dem potenziellen Käufer.

Ein solches gab es auch bei einem weiteren Exit, der kürzlich mit österreichischer Beteiligung über die Bühne gegangen ist. Das deutsche Start-up Joblocal, bei dem der österreichische Venture Capital Fonds Speedinvest 30 Prozent der Firmenanteile gehalten hat. Joblocal hat sich auf den regionalen Jobmarkt spezialisiert. „Dem Bäcker ums Eck in Rosenheim oder Mödling nützt eine nationale Onlineplattform wenig, wenn er einen Mitarbeiter sucht“, sagt Speedinvest-Chef Oliver Holle. Das Start-up betreibt eigene Jobportale, bietet seine Dienste aber auch bestehenden Lokalmedien in Deutschland und Österreich an und hat Kooperationen mit mehreren Verlagen, zum Beispiel mit den Regionalmedien Austria („Bezirksblätter“, „Meine Woche“, „Bezirksrundschau“).

Der Exit kam jetzt über einen Deal mit einer deutschen Mediengruppe zustande: der Funke Mediengruppe (früher WAZ) – das mit über 700 Titeln drittgrößte Verlagshaus Deutschlands. Neun Monate wurde verhandelt, kurz vor Weihnachten war der Deal im Kasten. „Ein strategischer Investor wie Funke war in diesem Fall die richtige Wahl“, sagt Holle. Denn das Wachstumspotenzial von Joblocal sei überschaubar – „Die müssen Ort für Ort, Region für Region erobern“ – und damit die mögliche Wertsteigerung für einen reinen Finanzinvestor zu gering.

Strategische Investoren, also Unternehmen, denen das Start-up ins Portfolio passt, schauen zwar auch auf die Rendite, ihnen ist aber auch die inhaltliche Weiterentwicklung wichtig, die nach dem Exit natürlich im Sinne des neuen Eigentümers sein muss.

„Nur“ verfünffacht. Um wie viel Joblocal verkauft wurde, will Holle nicht verraten. Im Schnitt brachten die drei Exits 2014 (neben Joblocal waren das Wikidocs und Shpock) Speed Invest das Fünffache ihres ursprünglichen Investments ein. Das ist nicht sehr viel. Die meisten Venture Capital Fonds erwarten sich mindestens eine Verzehnfachung ihres Kapitals.

Dass sich Funke bei den Verhandlungen dennoch als richtiger Partner herauskristallisiert hat, lag auch bei Joblocal an einer länger währenden Bekanntschaft. Funke-Digital-Chef Stefan Thurm war früher bei einem der beiden deutschen Verlage tätig, die vor dem Exit an Joblocal beteiligt waren. „Er kennt die Gründer gut. Damit war der ganze Prozess smoother“, sagt Holle. Ganz so „smooth“ dürfte es aber nicht durchgehend gelaufen sein. So kam der Deal erst ganz knapp vor dem Ablauf der selbst gesetzten Deadline bis Ende 2014 zustande. „Wir mussten mitten im Prozess den Anwalt wechseln. Das war für alle Beteiligten ein heikler Moment“, sagt Holle. Ein guter Anwalt ist bei Exit-Verhandlungen das Um und Auf.

„Es gibt seitenweise Kleingedrucktes bei den Verträgen, wo man übers Ohr gehaut werden kann“, sagt Haplogen-Genomics-Chef Moser. Besonders knifflig sei die Angelegenheit, wenn man bei einer länderübergreifenden Transaktion mit zwei oder mehr verschiedenen Rechtssystemen zu tun habe. „Da muss man sich auf einen professionellen juristischen Berater verlassen können, der einem sagt, was üblich ist und was nicht.“

Standort Wien bleibt. Und was passiert nach einem Exit mit dem Team? Üblich ist, dass das Team, zumindest aber die Gründer, noch einige Zeit an Bord bleiben, um bestimmte Zielvereinbarungen umzusetzen. Bei Joblocal etwa wurde vereinbart, dass die Gründer zwei Jahre intensiv an dem Projekt weiterarbeiten. Danach sieht man weiter.

Bei Haplogen Genomics wurden nicht nur alle Mitarbeiter übernommen, es gab auch ein Commitment an den Standort Wien. „Natürlich wird es einen regen Austausch geben – auch bei den Mitarbeitern“, sagt Haplogen-Chef Casari. Aber die Homebase bleibe erhalten, und das sei wichtig und gut so. Schließlich sei es in Österreich leichter, gute Mitarbeiter zu bekommen und zu halten. Sorge, dass das Start-up in den großen Strukturen unter die Räder kommt, hat er nicht. Dafür habe man ein zu eigenständiges Profil. Oliver Holle ist sich dieser Gefahr durchaus bewusst: „Es besteht immer ein gewisses Risiko, dass die kleinen Einheiten untergehen.“ Jetzt liegt es an den Start-ups, sich in den neuen Strukturen zu behaupten.

Aktuelle Exits

Haplogen Genomics. Das Biotech-Start-up mit Sitz in Wien wurde im Jänner für 7,7 Mio. Euro an die britische Horizon Discovery Group verkauft. Der Standort Wien bleibt.

Joblocal. Das Regional-Jobportal ging für eine nicht genannte Summe an die deutsche Mediengruppe Funke(vormals WAZ). Der österreichische Venture Capital Fonds Speedinvest veräußerte im Rahmen des Exits seine 30-Prozent-Beteiligung.

Glossar

Exit. Ausstieg der Anteilseigner (Gründer, Venture Capital Fonds, Private Equity Fonds) aus einer Firmenbeteiligung. Der Exit kann über den Verkauf an ein anderes Unternehmen oder über einen Börsengang erfolgen. Die Gründer beziehungsweise Kapitalgeber erzielen dabei meist eine hohe Rendite auf ihr eingesetztes Kapital.

Due Dilligence.Risikoprüfung des Kaufobjekts durch den Käufer, zum Beispiel beim Kauf von Unternehmensbeteiligungen.

Strategischer Investor. Das ist in der Regel ein Unternehmen, das mit dem Kauf anderer Unternehmen sein Portfolio abrunden oder ausbauen möchte.

Finanzinvestor. Ein Venture Capital Fonds oder Private Equity Fonds, dem es ausschließlich um die Rendite- bzw. Wertsteigerung beim Wiederverkauf geht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2015)

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