"Kommen Sie mir nicht mit Nähmaschinen"

„Satellady“ Candace Johnson und Women- Investing-in-Women-Initiatorin Anu Bhardwaj.
„Satellady“ Candace Johnson und Women- Investing-in-Women-Initiatorin Anu Bhardwaj.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Investorinnen und Start-up-Gründerinnen sind nach wie vor in der Minderheit. Beim ersten Women Investing in Women Summit in Wien ging es darum, Frauen zu vernetzen und den Unternehmergeist zu fördern.

Es ist eine wohl eher unübliche Szene für eine europäische Konferenz: In einem Veranstaltungssaal der Wirtschaftskammer steht eine Gruppe von geschätzt 100 Frauen, die die Hände in der Luft schwingen und – angefeuert von einer enthusiasmierten Dame auf dem Podium – singen: „We've got the whole world in our hands, we've got the whole world in our hands!“

Schauplatz dieser Szene ist der Women Investing in Women Summit, eine Konferenz, die die Förderung weiblichen Unternehmer- und Investorentums zum Ziel hat. Vor zwei Wochen gab es erstmals eine Veranstaltung in Wien. Die Konferenz hat weltweite Ableger, davor fanden 2014/15 Summits in San Diego, Stockholm, Singapur und Phoenix/USA statt.

Die euphorische Frau auf der Bühne ist die US-Amerikanerin Candace Johnson, eine Unternehmerlegende, die der „Economist“ 1996 mit dem Titel „Satellady“ adelte. „Time“ und „Fortune Magazine“ zählen sie zu den einflussreichsten Frauen Europas. Johnson hat mit SES/Astra (später SES Global) einen der heute weltweit führenden Satellitenbetreiber aufgebaut, zu dessen Kunden Rundfunkanstalten, Telekomgesellschaften, Unternehmen und Regierungen zählen.


„Most dangerous woman in Europe“. Johnson ist eine streitbare Frau und erzählt gern Geschichten. Zum Beispiel jene, warum sie der deutsche Medienmogul Leo Kirch einst als „most dangerous woman in Europe“ bezeichnet hat, nachdem sie die Übernahme von Astra durch ein Kartell verhindert hat, das von Silvio Berlusconi, Rupert Murdoch und Leo Kirch angeführt wurde.

Wäre den drei honorigen Herren die Übernahme geglückt, hätten sie den freien Zugang von Sendern zum Satellitennetzwerk massiv eingeschränkt. Johnson war die Einzige im Aufsichtsrat von SES, die gegen die Übernahme war. Und sie hat sich letztendlich durchgesetzt.

Johnson weiß, dass sie ein Vorbild ist. Und dass Heldinnen eine Geschichte und eine Vision brauchen. Johnsons Vision, erzählt sie, war die von „open skies“ über Europa, also dem uneingeschränkten Zugang für Sender aus allen Ländern zu einem Satellitennetzwerk. Und das schon zu einer Zeit, als es noch den Eisernen Vorhang gab. Als erster privater Satellitenanbieter musste sie es mit der Konkurrenz der staatlichen Anbieter aufnehmen. „Einige können gut Excel-Sheets machen. Das kann ich nicht. Aber ich versetze gern Berge“, sagt die Satellady im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“.

Ihre Mission, Frauen nicht nur zum Gründen zu bewegen, sondern auch dazu, in Gründer zu investieren, setzt Johnson seit über zwei Jahrzehnten konsequent um – obwohl sie von sich sagt, dass ihre Frauenrolle für sie selbst anfangs kein Thema war. „Mir ist eigentlich nie aufgefallen, dass ich ständig die einzige Frau unter Männern war“, sagt Johnson. Später gesteht sie aber ein: „Ich musste wirklich kämpfen, damit meine Arbeit anerkannt wird. Auch wenn ich die absolute Unternehmerin war, wurde ich für eine Sekretärin gehalten.“ Vor 23 Jahren hat Johnson das Global Telecom Women's Network gegründet, ein Zusammenschluss von Frauen aus ihrer Branche, um gemeinsam in spannende Projekte zu investieren. „Als ich die Möglichkeit hatte, in und mit Frauen zu investieren, habe ich es getan.“ Immer wieder habe sie Überzeugungsarbeit leisten müssen. „Oft war es so, dass Frauen, auch jene mit Ansehen und Einfluss, nicht einmal ein eigenes Bankkonto hatten.“


Computer für 30 Euro. Johnson fördert Unternehmerinnen und Investorinnen wie Julie Meyer (Ariadne Capital) oder Alexandra Chong, die die Date-Grading-App Lulu gegründet hat.

Das Projekt Raspberry Pi hat mit Unterstützung der Satellitenlady eine kleine digitale Revolution in Gang gesetzt: Raspberry Pi ist ein kreditkartengroßer Computer, der einfach in einen Monitor oder ein TV-Gerät gesteckt werden kann. Er kostet zwischen 20 und 30 Euro und wurde mit dem Ziel entwickelt, jungen Menschen das Programmieren beizubringen. Unicef Libanon hat zum Beispiel mit diesem Tool ein Programm an öffentlichen Schulen gestartet. „Kommen Sie mir bloß nicht mit Nähmaschinen“, sagt Johnson. „Ich möchte, dass jede einzelne Frau auf der Welt einen Raspberry Pi besitzt, damit sie programmieren kann!“ Und in Folge ihr eigenes Start-up gründen kann.

Wenn unter den Geldgebern nur Männer sitzen, haben es Gründerinnen erwiesenermaßen schwerer. Das hat oft ganz banale Gründe, weiß Regina Hodits, Partner beim Venture-Capital-Fonds Wellington Partners. Etwa, dass Männer die Folgen einer Schwangerschaft für die Karriere einer Frau überbewerten. „Ich habe vergangenes Jahr in eine Firma mit einer wissenschaftlichen Gründerin investiert“, erzählt Hodits. „Während wir die Firma analysiert haben, ist die Gründerin schwanger geworden. Ich habe mir gar nichts dabei gedacht und das Investment getätigt. Nachdem das abgeschlossen war, sind die männlichen Ko-Investoren zu mir gekommen und haben gesagt: ,Wenn du nicht dabei geblieben wärst, hätten wir das Investment nie gemacht.‘ Das war für mich augenöffnend“, sagt Hodits.

Dass die Gründerin einer Technologieplattform, deren Entwicklung Jahre dauert, im Sommer drei Monate nicht zur Verfügung steht, war für sie kein Grund, das Projekt nicht zu finanzieren. Das Investment habe sich dann auch gut entwickelt.


Backlash durch die Krise. Hodits beobachtet, dass die weibliche Investorenszene mit der Wirtschaftskrise einen Rückschlag erfahren hat. „Wenn die Zeiten schwieriger werden, ist es schon so, dass es für die Frauen härter ist, sich durchzusetzen, weil die Netzwerke der Männern dann enger sind.“

Anu Bhardwaj, Initiatorin von Women Investing in Women, sieht die Krise auch positiv. „Die Krise macht die Menschen erfinderischer. Statistiken zeigen, dass in den USA nach der Krise mehr Unternehmen von Frauen gegründet wurden als davor.“ Wenn man sich Entwicklungsländer ansehe, gebe es bei Kleinunternehmen dieselbe Entwicklung. „Technologieunternehmen sind aber noch sehr männlich dominiert.“ Laut der Studie Megatrends 2015 von Ernst & Young haben nur 15 Prozent der US-Unternehmen, die von Venture-Capital-Fonds finanziert werden, eine Frau im Gründerteam. Nur zwei Prozent des verfügbaren Venture-Capitals wird in Unternehmen investiert, die von Frauen geführt werden. Bei Teams, in denen nur Männer sind, ist die Wahrscheinlichkeit, eine VC-Finanzierung zu bekommen, viermal höher, als wenn eine Frau dabei ist. In der Austrian Angel Investors Association (AAIA), die 2012 von zwei Frauen, Selma Prodanovic und Stefanie Pingitzer, gegründet wurde und mit Lisa Ittner auch eine Geschäftsführerin hat, sind 15 Prozent der 140 Mitglieder Frauen, die im Schnitt pro Projekt Investments zwischen 150.000 und 200.000 Euro tätigen.


Gemischte Teams besser. Dabei sei „erwiesen, dass gemischte Teams zu besseren finanziellen Ergebnissen kommen“, sagt Hodits Das gelte auch für Investorinnen, die in Aufsichtsräten sitzen. Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, Start-up-Beraterin und Vorstand des Instituts für Finanzrecht der Universität Wien, hält eine verpflichtende Frauenquote in Aufsichtsräten, wie sie in Deutschland bei DAX-Unternehmen eingeführt wurde (in Österreich gibt es bisher nur eine Quotenvorgabe für staatsnahe Unternehmen, bis Ende 2018 soll sie 35 Prozent betragen), für sinnvoll. „Es gibt genügend qualifizierte Frauen und haufenweise nicht ausreichend engagierte oder nicht gut qualifizierte Männer in diesen Boards.“

Candace Johnson musste damals kämpfen, um in den Aufsichtsrat von SES/Astra hineinzukommen – jener Firma, die sie selbst gegründet hatte. Sie wollte sich mit einem Prozent beteiligen, die anderen Investoren wollten das nicht zulassen. Johnson bekam das eine Prozent.

Frauensache

Der Women Investing in Women CEE Summit fand am 11. und 12. Mai in Wien statt. Organisatorinnen waren Frau-in-der-Wirtschaft-Vorsitzende Petra Gregorits, Irene Fialka (Inits), Anu Bhardwaj (Gründerin), Sophie Martinetz (Northcote Recht) und Business Angel Selma Prodanovic.

Candace Johnson ist Unternehmerin, Investorin und Präsidentin des Europäischen Business-Angel-Netzwerks Eban.

Zahlen

15 Prozent. Bei der Austrian Angel Investors Association (AAIA) sind 15 Prozent der 140 Mitglieder – also etwa 20 – Frauen. Ein Angel-Investment beträgt im Schnitt zwischen 150.000 und 200.000 Euro.

2 Prozent. Nur zwei Prozent des verfügbaren Venture-Capitals werden in Unternehmen investiert, die von Frauen geführt werden.

15 Prozent. Nur 15 Prozent der US-Unternehmen, die von Venture-Capital-Fonds finanziert werden, haben eine Frau im Gründerteam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

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