Pioneers Festival: Was die Zukunft bringt

Pioneers Festival
Pioneers FestivalStanislav Jenis
  • Drucken

Roboter im Hotel, Sensoren, die den Menschen effizienter machen, Drohnen auf Verbrechersuche: In diesem Jahr träumt das Pioneers Festival vor allem zwei Träume.

Hinter dem Roboter hat sich eine Schlange gebildet. Mit Smartphones und Kameras bewaffnet laufen zwei Frauen und ein Mann dem Gerät hinterher, das aussieht wie eine Kombination aus Putzmaschine und E.T. Es bahnt sich einen Weg durch die Menschenmassen in der Wiener Hofburg. Hobbit, der Pflegeroboter, soll alte Menschen länger zuhause leben lassen. Die Maschine, die von der TU Wien in Kooperation mit Partnern entwickelt wurde, hat einen rechteckigen Körper mit einem Tablett zum Abstellen von Dingen und ein Tablet zum Spielen, Surfen, Telefonieren und Organisieren. Der Roboter erkennt Hindernisse für die Senioren und räumt sie mit seinem Greifarm weg. Stürzt jemand, ruft er Hilfe.

Wenige Meter neben dem Roboter tanzen ein paar junge Männer vor einer Videowand. Je nachdem, wie sie sich bewegen, ändert sich auch die Musik. Der rechte Arm steht für den Bass, der linke für die Melodie, die Füße können in verschiedenen Feldern Schwerpunkte setzen. Das Berliner Start-up Nagual Dance hat schon einen Vertrag für die Spielkonsole Xbox unterschrieben. Anfang nächsten Jahres soll das Tanzspiel am Markt erscheinen. Was nach Spaß und Zeitvertreib klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Nagual Dance soll Menschen wieder Spaß an der Bewegung geben. Die Idee, so hoffen die Berliner Gründer, soll im Gesundheitsbereich ihren Platz finden – etwa im Altersheim.

Ein höheres Ziel hat auch Dronamics aus Bulgarien, die mit einer Drohne im Erdgeschoß der Hofburg stehen. Genauer: einem Modell aus Styropor. Die echte Drohne hätte gar nicht genug Platz gehabt. 350 Kilogramm an Ladegut soll der Prototyp transportieren, den Konstantin Rangelov mit seinem Bruder entwickelt hat. Die Drohne soll in einem Pilotprojekt Nahrungsmittel in schwer zugängliche Regionen in Afrika liefern. Derzeit sind die Brüder im Gespräch mit den Verantwortlichen des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen.

In der Hofburg fand Donnerstag und Freitag wieder das Pioneers Festival statt. Erstmals im Mai anstatt im Oktober abgehalten, hat das Start-up-Festival rund um die beiden Gründer Andreas Tschas und Jürgen Furian 2500 Teilnehmer – Erfinder, Gründer, Investoren – aus 80 Ländern in die historischen Hallen geholt. Unter ihnen die erste Weltraumtouristin Anousheh Ansari, NASA-Ingenieur Bobak Ferdowsi, Business Angel Gil Penchina oder Perumal Gandhi, der die künstliche Milch erfunden hat. „Ich bin überzeugt davon, dass Technologie und Unternehmertum das Potenzial haben, die Probleme der Menschheit zu lösen“, sagt Pioneers-Ko-Gründer Andreas Tschas, der schon zu einer Zeit für Start-ups brannte, als das Thema in Wien noch niemanden interessierte.

Weit hergeholt ist seine Erwartung nicht. Die Dichte der Start-ups, die sich mit den großen Zukunftsthemen der Menschheit beschäftigen, ist in diesem Jahr besonders hoch. Ein unübersehbarer Schwerpunkt: das Thema Robotics. So arbeitet der Wissenschaftler David Hanson, Gründer von Hanson Robotics, seit Jahren an Robotern, die nicht nur wie Menschen aussehen. Sie können auch deren Emotionen zeigen: Trauer, Angst, Wut und Freude.

Roboter, die neuen Pfleger. Langfristig, darüber zeigt sich Hanson-Robotics- CEO Jong Lee überzeugt, sollen die Roboter Pflegekräfte ersetzen oder im Hotel den Platz von Rezeptionisten einnehmen. Nächstes Jahr, erzählt Lee, werde bereits der erste Kartengeber-Roboter (in Gestalt einer Frau) in Macau im Casino seinen Dienst antreten.

Was man nur aus Filmen kennt, wird in der Hofburg plötzlich erschreckende Realität. Mit all ihren Konsequenzen. Auch billige Arbeitskräfte aus „Sklavennationen“, wie Lee deren Herkunftsländer nennt, werden irgendwann so wohlhabend sein, dass diese den Dienstleistungssektor nicht mehr übernehmen wollen – etwa die Pflege durch Frauen aus Osteuropa. Davon ist Lee überzeugt. Roboter sind seine Antwort.

„Der Mensch ist selbst eine hochentwickelte Maschine“, antwortet Lior Susan von der Venture Capital Firma Formation 8 auf die Frage, ob Roboter Menschen in Zukunft in allen Belangen ersetzen werden. „Aber klar werden Roboter viele langweilige Jobs ersetzen“, fügt Hardware-Investor Benjamin Joffe von HAX hinzu.

Und Maschinen können vieles besser, wie am Festival schnell zu bemerken ist. Ted Lindsley von Olaeris hat eine Drohne für Polizei und Feuerwehr entwickelt, die in 90 Sekunden den Ort aufsucht, wo der Alarm ausgelöst wurde. Bei einem Polizeieinsatz kann die Drohne flüchtige Verbrecher filmen, für die Feuerwehr Fehlalarme abklären. Im Sommer werden die Geräte, die tatsächlich wie fliegende Untertassen aussehen, in drei US-Staaten als Teil der Polizei- und Feuerwehrflotte getestet.

Sensoren am Körper. Den Menschen effizienter zu machen, ihn zu vermessen und seine Fehler zu beheben, ist ein weiteres Thema, das sich durch die Hofburg zieht. ProGlove etwa hat einen Handschuh mit eingebauten Sensoren entwickelt, der Fertigungsarbeiten am Fließband erleichtern soll. Der Handschuh gibt Bescheid, wenn das falsche Teil eingebaut wird oder das richtige Teil in der falschen Reihenfolge – um die Leistung zu optimieren.

Sensoren stecken auch in der Fitnesskleidung von Athos. Shirt und Radlerhose messen Puls, Atmung und Muskelspannung und leiten diese Informationen an einen in die Kleidung integrierten, etwa handtellergroßen „Core“ weiter. Dieser analysiert die Informationen und übersetzt sie über eine App, die während des Trainings ziemlich genaues Feedback geben kann. Zum Beispiel, dass man bei Sit-ups die linke Pobacke stärker anspannt als die rechte. Via App kann man seine Trainingsziele definieren, also etwa, ob man abnehmen will, Muskeln straffen oder aufbauen. Athos-Gründer Dhanaja Jayalath hat ein Jobangebot von Apple ausgeschlagen, um seine Idee zu verwirklichen. Die Entwicklung dieser Technologie war aufwendig. Denn Athos kombiniert genau genommen drei Produktkonzepte in einem, wie Jayalath im Gespräch mit der „Presse“ erzählt: „Wir stellen Sportkleidung her, Software und Hardware Das verlangt eine ziemlich genaue Abstimmung.“ 15,7 Millionen Dollar Investorengelder hat Athos bereits gesammelt. Vorerst ist der digitale Trainigscoach nur in den USA erhältlich. Dort hat er aber bereits Millionenumsätze generiert. Mit der Pioneers-Teilnahme – Jayalath war einer der Speaker – ist ihm Aufmerksamkeit in Europa sicher.

Weit weg vom Stählen des Hipsterbizeps, dafür näher dran an einem grundlegenden Problem ist das japanische Start-up DFree. D steht für Diaper, also Windel, und rückt einem Tabuthema auf den Leib: der Inkontinenz. DFree ist ein Sensor, den man sich auf den Bauch klebt. Er misst den Flüssigkeitsstand in Darm und Blase und gibt rechtzeitig Alarm, wenn es für die Person so weit ist, das stille Örtchen aufzusuchen – eine unschätzbare Hilfe für Pflegekräfte oder betreuende Familienangehörige.

Tipps auf der Piste. Wieder eher im coolen Gadgetbereich angesiedelt ist Snowcookie: Ein Sensor misst die Position und den Druck, mit dem man auf dem Ski oder Snowboard steht, via App werden dann Realtime-Fahrtipps gegeben. Das Gerät soll auch helfen, Unfälle zu vermeiden, weil es durch den (zu schwachen) Druck feststellen kann, wie müde der Fahrer ist. Dann rät die App, mal eine Pause zu machen.

Quasi zu den Superstars unter den Rednern zählt auch Easton LaChappelle, der bereits mit 14 an einer Roboter-Armprothese arbeitete (damals mit Legosteinen) und heute mithilfe von 3-D-Druckern Arm-Prothesen herstellt, die einen Bruchteil der am Markt vorhandenen Geräte kosten – mit besserer Funktionalität und unabhängig von großen Firmen oder Unis. Heute ist er 19 Jahre alt. „Keine Firma arbeitet gratis, aber für mich ist die Auswirkung auf die Menschen wichtiger“, sagt er zur „Presse“. Mit seinem Start-up Unlimited Tomorrow arbeitet er auch an einem Exoskelett, das Querschnittgelähmte wieder gehen lassen soll. Oder, auf Maschinen angeschnallt, diese „zum Leben erwecken“ kann.

Um jene Start-ups zu finden, die eine große Wirkung auf das Weltgeschehen haben, gab das Festival heuer eine Reform des Start-up-Wettbewerbs Pioneers Challenge bekannt. In sieben Kategorien wie Robotics oder Mobility and Transportation werden Start-ups gesucht und aufgefordert, sich an anderen zu messen. Das Start-up, dem nachgesagt wird, die Welt am meisten zu verändern, gewinnt den nächsten Wettbewerb im Mai 2016 und wird präsentiert. Im kleinen Österreich, auf der Bühne der Hofburg.

Festival

2500 Teilnehmer aus über 80 Ländern besuchten heuer Österreichs renommiertes Start-up-Festival Pioneers.

46 Prozent der Besucher führen Start-ups. Die zweitgrößte Gruppe sind die Investoren mit einem Anteil von 15 Prozent.

Die zwei Gründer des Festivals heißen Andreas Tschas und Jürgen Furian. Sie haben einen maßgeblichen Teil dazu beitragen, dass die Start-up-Szene in Wien und Österreich stark gewachsen ist – und Wien mittlerweile als Start-up-Standort auch international bekannt ist.

www.pioneers.io.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Pioneers Festival
Österreich

Triumphfahrt der Start-ups und die Angst vor Schindluder

Die Business Angels Hansi Hansmann, Michael Altrichter und Werner Wutscher nutzen das Pioneers Festival vor allem, um internationale Investoren zu treffen. Den grassierenden Start-up-Hype sehen sie problematisch.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.