Michael Steiner: "Finanzierung ist ein Fulltime-Job"

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Michael Steiner, Erfinder des Austrian Business Angel Day, über Start-up-Politiker, die unterschätzte volkswirtschaftliche Macht von Eigenkapital und warum er Jungunternehmern nicht raten würde, allein zu gründen.

Modeerscheinung Start-ups: Hat man es heute als Jungunternehmer wirklich einfacher als noch vor zehn Jahren, oder zeichnet der Medienhype ein falsches Bild?

Michael Steiner: Ich denke schon, dass es einfacher geworden ist. Das liegt vor allem an der medialen Präsenz des Themas. Dazu kommen aktuelle Erfolge wie der von Runtastic, die man schön präsentieren kann. Über die Medien werden auch die verschiedenen Finanzierungsformen beworben. Gerade die Finanzierung durch Business Angels hat in den vergangenen Jahren in Österreich eine Renaissance erlebt.

Wie hat sich die Idee für den Austrian Business Angel Day entwickelt?

Wir haben 2007 den Frühphasenfinanzierer First Love Capital gegründet. Damit unterstützten wir Start-ups in Österreich wie auch international. In allen Unternehmen hat sich relativ schnell gezeigt, dass irgendwann das Geld ausgeht. Aus dieser Not heraus hat sich der Business Angel Day ergeben.

Sie haben ihn also zur Selbsthilfe gestartet?

Es gab einen gewissen Selbstzweck. Aber es gab auch ein altruistisches Element. Beim Forum Alpbach vergangene Woche drehte sich alles nur um Wirtschaftswachstum. Aber da steht nach wie vor nur die Fremdkapitalfinanzierung im Mittelpunkt. Dabei hat Eigenkapital ein großes Potenzial. Eben hier kommen Business Angels ins Spiel, die riskantere Projekte machen und bereits voll versteuertes Eigenkapital investieren, das bei ihnen in irgendeiner Stiftung auf irgendeinem Konto liegt und so wieder in den produktiven Wirtschaftskreislauf gelangt.

Wie wurde die Idee 2009 angenommen?

Gut. Es gibt fast in ganz Europa eine langjährige Business-Angel-Tradition. Nur in Österreich hat sich diese leider nie entwickelt. Hierzulande finanziert man sein Unternehmen am liebsten selbst, oder wenn es gar nicht mehr geht, nimmt man die Bank dazu. Aber einen externen Partner ins Boot zu holen, der dann vielleicht auch noch Mitgesellschafter ist, das ist nicht verankert. Daher gibt es auch relativ wenige Business Angels. Das ändert sich seit 2006 zum Glück durch das attraktive Start-up-Angebot. Das lockt viele an. Die hohe Liquidität der Investoren trifft auf die spärlichen Investitionsalternativen: sehr niedrige Zinsen, ein momentan unattraktiver Immobilienmarkt.

Hätte die Politik Start-ups in der Vergangenheit stärker fördern müssen?

Das denke ich schon. Doch gerade gibt es einen sehr aktiven Teil in der Bundesregierung, der das Start-up-Thema erkannt hat und viel dafür tut. Vor Kurzem ist das Crowdfunding-Gesetz (Alternativfinanzierungsgesetz, Anm.) verabschiedet worden. Ein Business-Angel-Freibetrag wird diskutiert. Man muss aber offen eingestehen, dass die Dinge, die sich bis heute entwickelt haben, ohne das Zutun der Politik entstanden sind.

Da kann der Eindruck aufkommen, die Politik habe hier etwas verschlafen.

Man kann die Leute, die das Start-up-Thema zurzeit forcieren – Sebastian Kurz und Harald Mahrer – fast nicht dafür verantwortlich machen. Die machen das halt noch nicht so lang. Und legen einen Schwerpunkt.

Kommen jetzt die Start-up-Politiker nach?

Genau. Das ist wie mit der Internetgeneration. Sie sind mit dem Phänomen Start-up aufgewachsen.

Wo sehen Sie die österreichische Start-up-Szene in zehn Jahren?

Es wird sich noch viel tun. Jeder Wiener Student hat heute zwei Freunde, die ein Start-up gründen. Wenn diese Personen in zehn, zwanzig Jahren ausreichend Kapital haben, werden sie automatisch darüber nachdenken, ob sie nicht in eines investieren. Das ist ein selbst wachsendes System.

Aber braucht es nicht auch den Impuls von außen?

Die Politik wird angesichts der enormen Schuldenlast nicht umhinkommen, privates Eigenkapital stärker zu fördern. Bei Business Angels muss die Benachteiligung aufhören. Investiere ich heute in ein Unternehmen und es ist erfolgreich und ich verkaufe es, muss ich den Gewinn voll versteuern. Investiere ich in ein Unternehmen und es ist ein abzuschreibender Konkursfall, kann ich diesen Verlust nicht in meiner Einkommensteuer gegenrechnen. Zumindest eine Teilanrechnung wird man früher oder später machen müssen. In den Finanzierungsinstrumenten danach – Venture Capital und Private Equity – wird auch viel passieren müssen. Österreich ist da deutlich unterentwickelt.

Inwiefern unterentwickelt?

Der österreichische Mittelstand war bislang stark vom Bankensektor finanziert. Der wird jetzt nach der Bankenkrise stärker reguliert. Als Folge sind die Banken restriktiver in der Kreditvergabe. Auf der anderen Seite brauchen wir aber zweieinhalb Prozent Wirtschaftswachstum, um die Arbeitslosenquote in den Griff zu kriegen.

Man braucht also die volkswirtschaftliche Hebelwirkung des Eigenkapitals?

Ja. So bringe ich in ein Unternehmen als Business Angel, Private Equity oder Venture-Capital-Fonds bereits versteuertes Eigenkapital ein, was die Kapitalstruktur des Unternehmens verbessert. Es kann mehr Fremdkapital von den Banken lukrieren und weiterwachsen. Zugleich kriegt es Know-how und Unterstützung. Der österreichische Wirtschaftsstandort wird ohne diesen Impuls von privatem Eigenkapital nicht mehr auskommen. Die Politik bemüht sich noch, das nicht zu erkennen.

Worauf müssen Business Angels vor allem achten, wenn sie nicht an das falsche Unternehmen geraten wollen?

Man muss vor allem das Team dahinter betrachten. Erst nachgelagert kommen Fragen wie: Was ist die Geschäftsidee? Ist ein Kundenbedürfnis befriedigt? Gibt es einen Markt dafür? Ist es international skalierbar? So kann man sich herantasten. Trotzdem gilt statistisch: Nur zwei von zehn Start-ups werden etwas.

In die andere Richtung gefragt: Worauf müssen Start-ups bei der Investorenauswahl achten?

Es gibt leider viele Investoren, die eigentlich kein Kapital investieren, aber dennoch prominent als Business Angels auftreten. Sie erbringen ihre Beratungs- oder Netzwerkleistungen gegen Anteile am Start-up. Solche Beteiligungen sollte man aber erfolgsabhängig gestalten: Erst wenn jemand die Kunden wirklich vermittelt, die er versprochen hat, überträgt man ihm Anteile am Unternehmen. Ohnehin ist es aber klüger, man sucht sich für solche Leistungen einen richtigen Investor und zahlt ihn in Euro und nicht in Anteilen.

Was sind die größten Fallen, in die man anfangs tappen kann?

Start-ups, die die Gründung überstehen, scheitern meistens an der Series A (erste Finanzierungsrunde, Anm.). Nur zehn Prozent schaffen es wiederum über diese Hürde. Viele scheitern, weil sie Unternehmensfinanzierung nicht als Fulltime-Vertriebsjob verstanden haben. Eine Finanzierungsrunde zu strukturieren kann schon einmal ein Jahr dauern.

Jungunternehmen müssen ihre Finanzierung ernster nehmen?

Ernster nehmen und langfristiger anlegen. Wenn ich weiß, dass ich nächsten Februar kein Kapital mehr haben werde, hätte ich zum jetzigen Zeitpunkt schon längst beginnen müssen, dieses zu lukrieren. Das tun viele nicht und kommen so in eine heikle Situation: Das Geld geht aus, oder man ist gezwungen mit Partnern zu arbeiten, mit denen man gar nicht arbeiten will.

Es scheint, als müsse man heute auch schneller auf internationalem Level mitspielen.

Das sieht man an den erfolgreichen Beispielen: Runtastic war schnell international und hat sich intensiv um die Finanzierung gekümmert. Der zweite große Grund für ein Scheitern des Start-ups: Irgendein Teil im Team ist unstimmig. Allein zu gründen ist zum Beispiel nicht so gut.

Wieso?

One-Man-Shows finanziert man nicht so gern. Mehrere Leute können Krisen besser überbrücken. Ein einzelner Gesellschafter kann einmal krank oder nicht motiviert sein oder sich von einem Rückschlag einschüchtern lassen. Es spricht sehr viel für ein heterogenes Team. Das ist ein wesentlicher Faktor für Business Angels.

Finanzierung

Austrian Business Angel Day.
Die von Michael Steiner 2009 ins Leben gerufene Veranstaltung will Österreichs Investoren- und Gründerszene miteinander vernetzen. Seit diesem Jahr haben Steiners staatliche Partner, der AWS-Gründerfonds und das Inkubatorennetzwerk AplusB, die Alleinorganisation übernommen. Am 17. September zog das Event erstmals von Wien aufs Land: nach Velden am Wörthersee.

Steckbrief

Michael Steiner (31) hat über zehn Jahre Erfahrung auf dem heimischen Eigenkapitalmarkt gesammelt. Nach seiner Tätigkeit bei der Unternehmensberatungskanzlei McKinsey & Company war er 2007 Mitgründer von einem der ersten österreichischen Frühphasenfinanzierer namens First Love Capital. 2009 rief er den Austrian Business Angel Day ins Leben. Steiner ist Vorsitzender des Investment Komitees des AWS Gründerfonds. Hauptberuflich leitet er das operative Investmentteam der Cudos Gruppe, eines international tätigen Private-Equity-Fonds.

Der Business Angelist ein privater Investor, der sich in einem sehr frühen Stadium finanziell an einem Unternehmen oder Projekt beteiligt. Neben Kapital bringt er auch Know-how und Netzwerkkontakte ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2015)

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