»Wer nicht fragt, kommt nicht weit«

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Start-ups sind oft junge Menschen vor Computern, die mit smarten Ideen die digitale Welt erobern. Aber eben nicht alle. Start-ups können auch Designer sein, die sich mit ihren Ideen und Produkten auf dem Markt durchsetzen wollen. Leicht ist das nicht. Ein Blick auf Kreative, die am Anfang stehen.

Go for it! Bilde dich! Nimm dir jemanden für die Buchhaltung! Schließe Verträge ab! Gönne dir Freizeit!“, das sind die Tipps von Talia Radford für Designer, die sich selbstständig machen wollen. Sie selbst agiert an der Schnittstelle zwischen Technologie und Design – in ihr Portfolio fallen die KissCam, eine Fotokamera, die per Kuss ein Foto macht, oder Crystalljellies, Schmuckobjekt und analoger Fotofilter fürs Smartphone in einem.

Radford führt ihr Designstudio seit 2013. TaliaYStudio hieß zuvor TaliaYSebastian und entstand 2010 nach dem Studium an der Universität für angewandte Kunst in Wien, gemeinsam mit einem Studienkollegen. Zwei Jahre später trennte sich das Team. Jetzt also TaliaYStudio. „Ich wollte nicht allein arbeiten, deshalb das YStudio. Y ist spanisch, es bedeutet und. Ich glaube, man arbeitet einfach besser im Team.“ Spezialisierte Freelancer – Grafikerinnen, Soundingenieure, Illustratorinnen – helfen, „wenn ich weiß, sie machen das Projekt noch besser“, sagt Radford.

„Gemeinsam statt einsam“, nennt das Gerin Trautenberger, Vorsitzender der Creativwirtschaft Austria und mit Microgiants selbst seit 2005 Designunternehmer. „Das Wichtigste ist, sich mit Leuten zusammenzutun, um sich gegenseitig zu unterstützen.“ Eine Assistentin unterstützt Radford einmal pro Woche, bei Administration, Organisation, aber auch Fotografie. Mittels Website und E-Shop bietet die Designerin ihre Produkte und Services an. Und netzwerkt gezielt – auf Festivals, bei Presseevents und Galerieeröffnungen. „Wer nicht fragt, der kommt nicht weit“, sagt sie. Im Dezember will sie zur Design Miami. „Designtech ist dort ein großes Thema. Wer da nicht dranbleibt, verpasst den Anschluss.“

„Gründer im Kreativbereich stehen vor anderen Herausforderungen als die sogenannten Techies“, sagt Gabriele Tatzberger von den Start-up-Services der Wirtschaftsagentur Wien. „Es ist ein großer Unterschied, ob ich im Bereich Multimedia-Gaming tätig bin oder im Design.“ In der Bundeshauptstadt werden pro Jahr rund 8.000 Unternehmen gegründet. Im Fördertopf der Wirtschaftsagentur liegen 40 Millionen Euro, für die Kreativwirtschaft sind fünf reserviert. Auch TaliaYStudio bekam eine Förderung. Aus einem Kooperationsprojekt mit dem Technologieunternehmen Osram Oled entstand die KissCam. „Der wesentliche Unterschied zwischen digitalen Start-ups und Design-Start-ups sind die Produktionskosten. Bei der digitalen Produktion brauche ich meinen Kopf und einen Computer, im Produktdesign sind den Kosten kein Ende gesetzt“, sagt Gerin Trautenberger. Auch ist der Vertriebsweg der Techies im Internet direkter – dort wartet die Käuferschicht. „Das ist mit physischen Objekten viel schwieriger.“

Personalisierte Geschenke. Bernhard Rameder von Rausgebrannt startete 2009 mit seiner Idee für personalisierte Geschenke. Vom Lederarmband bis zum Tischtennisschläger, vieles individualisiert er mittels Lasertechnologie. Mit einem Kontoüberziehungsrahmen von 3.000 Euro als Finanzierungsgrundlage mietete Rameder ein Gassenlokal im sechsten Bezirk und setzte auf Laufkundschaft in den umliegenden Kreativbezirken. Doch er machte die Rechnung ohne die Kunden.

„Ich hatte große Schwierigkeiten, die Zielgruppe mit dem richtigen Budget zu finden“, erzählt er. „Die Kunden wollen nicht mehr als 20 Euro ausgeben, ich habe aber den Aufwand vom Erstgespräch über das Angebot bis zur Produktion.“ Nur langsam spricht sich Rameders Idee im Kreis der Kreativen herum, schließlich fragten erste Werbeagenturen bei ihm an – sie suchten Individuallösungen für ihre Kunden. „So bin ich vom B2C- in den B2B-Bereich hineingerutscht.“ Einen Wachstumsschub erhält Rameder 2012, als er an einem Gründerprogramm der Wirtschaftsagentur Wien teilnimmt. „Oft wissen Antragsteller nicht, was sie brauchen. Deshalb vernetzen und beraten wir auch“, sagt Tatzberger.

Ein halbes Jahr lang standen für Rameder Finanzplanung, Führung, Verkauf, Zielgruppenfindung und mehr auf dem Plan. Er erhielt eine Innovationsförderung, stellte Personal ein, investierte in Infrastruktur, baute einen Kundenstamm auf. 95 Prozent seiner Kunden kommen heute aus Österreich, die Nähe zu ihnen ist ihm wichtig. „Momentan bin ich mein bester Verkäufer, weil ich weiß, wovon ich spreche“, sagt er. Eine Expansion mit Verkaufsbüros im nahen Ausland schließt er aber nicht aus.

Von Jus zum Design. Julia Landsiedl absolvierte zuerst ein Jusstudium, nach ihrem Produkt- und Prozessdesignstudium arbeitete sie bei der Designberatungsfirma Ideo im Silicon Valley. 2008 startete sie in Wien, heute ist sie mit ihrem Studio für strategisches Design und Storytelling fixer Bestandteil der heimischen Designszene. Für sie war es eine emotionale Entscheidung, in die Bundeshauptstadt zurückzukehren. In Wien war die Familie, winkte ein Job: „Ich hatte ein Angebot, bei einem Designbüro zu beginnen, für 1.500 Euro brutto. Da habe ich mich selbstständig gemacht.“ Sie startete mit einem einzigen Auftrag und einem informellen Netzwerk an potenziellen Kunden. „Die ersten drei Jahre sind die Hungerjahre“, sagt Trautenberger von der Creativwirtschaft Austria. „Das erste ist Probieren, das zweite Orientieren, das dritte Etablieren.“

Mittlerweile beschäftigt Landsiedl zwei Mitarbeiter auf Stundenbasis und arbeitet mit fixen Partnern, in Grafik, Programmierung, aber auch Steuerberatung. „Rechtlich bin ich eine One-Woman-Show, aber ich sehe mich eher als Boutiquestudio.“ Die Designerin entwickelt Ausstellungen, Objekt- und Vermittlungskonzepte. „Zu glauben, man wird heute ein Star mit Design, ist naiv. Man muss sich breit aufstellen“, sagt dazu Trautenberger. Das MAK und der Flughafen Wien zählen ebenso zu Landsiedls Kunden wie die Caritas oder die Jugend- und Familiengästehäuser Jufa. Je nach Auftrag passt sie Honorare an, finanziert Projekte quer. Ihre Umsätze haben sich seit 2012 verdreifacht und sind stabil: „Als Doppelakademikerin würde ich angestellt wohl mehr verdienen. So sind es aber auf jeden Fall mehr als 1500 Euro brutto im Monat.“ Vor allem von ihrer Auslandserfahrung profitiert Landsiedl im Beruf: „Man hat einen breiteren Blick. Das Studium bereitet einen ja null auf die wirtschaftliche Praxis vor.“

Ernüchterung nach dem Studium. Talia Radford empfindet ähnlich. Im Gegensatz zu Landsiedl steht sie mit ihrem Studio noch am Anfang und erlebt nach dem Studium die Ernüchterung: „Wir wussten, wie man Kunden von seinen Ideen überzeugt, hatten aber keine Ahnung, was es heißt, selbstständig zu sein.“ Deshalb setzt sie auf kontinuierliche Weiterbildung, vertieft sich einmal jährlich bei Workshops in Themen wie Business Case Engineering, Branding oder Kommunikationsstrategien. Heuer ist die neue Website online gegangen. Langfristig soll das Studio wachsen, zwei Teilzeitmitarbeiter sind in den nächsten drei Jahren geplant. „Meine größte Angst ist, dass ich Mutter werde und im Beruf weg vom Fenster bin, wenn ich kein nachhaltiges Business aufgebaut habe“, sagt Radford. In schnelllebigen Zeiten wie diesen verändert sich alles viel zu rasch.

Designer als Gründer

TaliaYStudio. In das Portfolio von Talia Radford fallen die KissCam, eine Fotokamera, die per Kuss ein Foto macht, oder Crystalljellies, ein Schmuckobjekt und analoger Fotofilter fürs Smartphone in einem. taliaystudio.com

Rausgebrannt. 2009 startete Bernhard Rameder mit seiner Idee für personalisierte Geschenke. Er individualisiert Objekte, vom Lederarmband bis zum Tischtennisschläger, mittels Lasertechnologie. rausgebrannt.at

Julia Landsiedl. Landsiedl ist mit ihrem Studio für strategisches Design und Storytelling fixer Bestandteil der Wiener Designszene. Sie entwickelt Ausstellungen, Objekt- und Vermittlungskonzepte. www.jeplus.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2015)


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