Der Schulterschluss im Hi-Fi-Becken

Die Qual der Wahl. Man sucht nicht mehr nur ein Gerät.
Die Qual der Wahl. Man sucht nicht mehr nur ein Gerät.(c) Imago
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Noch nie war es so schwierig, das richtige Device für die beste Beschallung zu finden. Da helfen auch alle smarten Assistenten nicht, selbst wenn sie mit an Bord sind.

Sie hatten einen silbernen, biegsamen Metallbogen. Die hauchdünnen orangefarbenen Ohrpolster mussten gepflegt und gehegt werden. Zu leicht wurden sie kaputt und damit das Abspielen von Musikkassetten, die man in stundenlanger Arbeit neben dem Radio mitgeschnitten hat. Und dann wurde dieses eine Lied, durch eine Verkehrsmeldung oder noch schlimmer, die Nachrichten, zu kurz abgespielt.

Damals. Vor ewigen Zeiten. In einer Zeit mit nahezu primitiver Unterhaltungselektronik. Mit den Weiterentwicklungen stehen wir heute in Geschäften, deren Sound–Abteilung meist den ganzen Stock ausnimmt und Kunden nun vor meterlangen Verkaufsregalen, die die Qual der Wahl lässt. Und plötzlich stellen sich dabei Dutzende Fragen. Mit Kabel oder doch lieber Bluetooth. In, On oder Over Ear. Wasserdicht, oder mit Herzfrequenzmessung oder Noise-Cancelling?

Oder doch lieber ein Sound–System für die eigenen vier Wände, das sich per Bluetooth steuern lässt und sogar den Fernseher noch smarter macht? Und wenn ja, auf welchen Standard sollte man denn setzen? Denn fast alle Hersteller haben ein eigenes Ökosystem.

Eine Konkurrenz-Arena

Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin bekamen die Besucher noch mehr Auswahl präsentiert. Dabei trifft man beim Durchmarschieren durch zig Hallen, in denen sich Sonos, Teufel, Harman, Bang & Olufsen, Sennheiser und Co. die Klinke in die Hand geben, alte Bekannte.

Kein Hersteller kann es sich leisten, Amazons Alexa oder Googles Assistenten nicht in die Lautsprecher einziehen zu lassen. Unternehmen fürchten, dass ihnen gar keine Wahl bleibe, als der eigentlichen Konkurrenz die Türe zu öffnen. Ohne digitalen Assistenten geht man im Hi-Fi-Becken unter. Die Lautsprecher-Firmen suchen den Schulterschluss mit den Online-Plattformen. Dabei ist das Interesse an dieser Kooperation auf beiden Seiten groß. Die Hi-Fi-Qualität der ersten smarten Lautsprecher ist, milde ausgedrückt, mittelprächtig gewesen. Auf der anderen Seite gibt es Defizite bei der Entwicklung von Assistenten.

Jeder tut, was er am besten kann

Der Pionier bei vernetztem Sound, Sonos, hat bereits vor einem Jahr begonnen, mit Amazon zusammenzuarbeiten. Der Nutzer soll sich mit Amazons Assistentin Alexa über die Echo-Geräte unterhalten, aber die Musik automatisch über die Sonos-Lautsprecher abgespielt werden. So bleibt jeder in seiner Sphäre, die er am besten bespielen kann.

Bei Microsoft versucht man eine tiefgreifendere Zusammenarbeit mit dem Audiospezialisten Harman. Hier wurde auf der IFA ein Lautsprecher gezeigt, der äußerlich an Amazons Alexa erinnert, aber im Inneren Cortana beherbergt.

„Cortana, öffne Alexa.“

Schon bald werden Alexa und Cortana enge Freunde sein. Die zwei Sprachassistenten sollen voneinander lernen. Cortana-Nutzer sollen auf die Shopping-Funktionen von Alexa zugreifen können und Alexa-Nutzer auf die Microsoft-Office-Hilfe von Cortana.

Sie zeigen damit, dass sie den Zeitgeist des Markts verstanden haben: Es geht nicht darum, wer das Segment der Sprachassistenz als Erstes erobert. Sondern darum, den Kunden an den Markt heranzuführen – und ihm ein allumfassendes Produkt zu bieten. Und man wappnet sich nebenbei auch für Apples Homepod, der dies alles in einem Gerät in petto hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2017)

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