Stammzellen: Rot-weiß-rote Grauzone

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(Fast) alle Parteien bejahen die Forschung an embryonalen Stammzellen. Wann kommt ein Gesetz?

Darf man aus menschlichen Embryonen, die bei einer künstlichen Befruchtung (In-vitro-Fertilisation, IVF) übrig geblieben sind, embryonale Stammzellen (ES) für die Forschung ziehen? Eine klare Antwort auf diese Frage gab und gibt die katholische Kirche: Nein.

Weniger klar war lange Zeit die Haltung der österreichischen Politik zur „verbrauchenden Embryonenforschung“. Die Regierung Schüssel sandte freilich immer wieder negative Signale aus. So stimmte Österreich 2002 beim Beschluss des sechsten EU-Rahmenprogramms als einziges Land gegen eine Förderung der Forschung an ES. Und in einem Papier zum siebten Rahmenprogramm (2004) hieß es, der Forschung an adulten Stammzellen sei „der absolute Vorrang“ vor der Forschung an embryonalen Stammzellen einzuräumen.

Diese Haltung zu einem langlebigen Streitthema der Bioethik scheint sich unter der Regierung Gusenbauer – ohne großes Aufsehen – zu ändern: Bei einer Tagung über Stammzellforschung in Wien zeichnete sich ein Konsens der Parlamentsparteien ab, nicht nur Forschung an embryonalen Stammzellen, sondern auch deren Gewinnung in Österreich gesetzlich zuzulassen. Nur das BZÖ betont weiter die Alternative der Forschung an adulten Stammzellen.

„Großer Nutzen für die Menschheit“

„Es wäre unverantwortlich gegenüber kranken Menschen, ein solches Zukunftspotenzial für neue Therapieformen nicht auszuschöpfen“, erklärt SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. Aber auch in der ÖVP, aus der bisher eher ablehnende Äußerungen kamen, klingt eine Trendwende an. ÖVP-Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek sieht „einen großen Nutzen für die Menschheit darin, überzählige IVF-Embryonen der Forschung zu widmen: Die Wissenschaft braucht auf jeden Fall Ergebnisse aus der Forschung an menschlichen ES.“

Genau das hatte Ministerin Gehrer oft in Frage gestellt – unter Berufung auf Wissenschaftler wie Genetiker Markus Hengstschläger, der meint, dass adulte Stammzellen, etwa aus Fruchtwasser oder aus der Nabelschnur, das wahre Hoffnungsgebiet seien, dass sie die ethisch umstrittenen ES obsolet machen könnten. Er hält ein neues Gesetz für „unbedingt notwendig, aber nicht, um die Forschung an ES zu fördern, sondern um Tests auf Lebensfähigkeit an achtzelligen Embryonen bei der IVF zu ermöglichen. Bisher ist es nicht erlaubt zu testen, ob ein Embryo im Mutterleib lebensfähig wäre.“

Heidrun Silhavy (SP), Staatssekretärin im Bundeskanzleramt, meint jedenfalls sehr wohl die Forschung an embryonalen Stammzellen, wenn sie sagt: „Mir ist lieber, etwas ist geregelt als ungeregelt. Gerade wenn es ein heikles Thema ist.“ Sie erwartet bis Herbst 2008 eine Studie im Auftrag der Bioethikkommission (die die Regierung in diesen Fragen berät); bis Ende 2008 rechnet sie mit einem fertigen Gesetz. Auf ein solches hofft wohl auch Wissenschaftsminister Johannes Hahn, dem die derzeitige „rot-weiß-rote Grauzone“ nicht gefällt.

Derzeit steht die einzige Gesetzesstelle, die die Gewinnung von ES in Österreich verbietet, im Fortpflanzungsmedizingesetz, das eigentlich die künstliche Befruchtung regelt: „Entwicklungsfähige Zellen dürfen nicht für andere Zwecke als medizinisch unterstützte Fortpflanzungen verwendet werden. Sie dürfen nur insofern untersucht und behandelt werden, als dies zur Herbeiführung einer Schwangerschaft notwendig ist.“ Wobei der Begriff „entwicklungsfähige Zelle“ für Interpretationen offen ist.

Mit Diskussionen nicht nur darüber rechnet Christine Druml, seit Oktober 2007 Vorsitzende der Bioethikkommission: „Es werden noch mehr ethische Probleme auf uns zukommen.“ Forschung in Österreich: Seite 34

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2008)

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