Mineralogie: Quell des Lebens?

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Kohlenwasserstoffe können aus Gestein entstehen, in „Lost City“ – Kalksteintürmen mitten im Atlantik – zeigt es sich.

Als wir die blumenartigen Gebilde sahen, dachten wir erst, es seien Korallen. Aber aus der Nähe zeigte sich, dass es hohe Wände und riesige Türme sind, die durch hydrothermale Aktivitäten entstanden sind“, berichtet Gretchen Früh-Green, Mineralogin der ETH Zürich. Sie hatte ihr Erlebnis vor acht Jahren, an Bord eines Tauchboots, das am Meeresboden mitten im Atlantik etwas völlig Neues entdeckt hatte, man nannte es „Lost City“, es sah so unbelebt aus, und Region wie Forschungsschiff hießen zufällig „Atlantis“.

Nicht weit weg davon – 15 Kilometer – hatten andere Forscher zuvor schon andere Mirakel gesichtet, auch Steintürme, die aus dem Meeresboden wachsen. Aber die – „black smoker“ – sind anders, sie sitzen auf Vulkanen, dünsten kochheiße Schwefelwasserstoffbrühe aus, nähren damit viel Leben und gelten auch als Kandidaten für den Ursprung des Lebens. „Lost City“ gleicht ihnen nur darin, dass auch es von Meerwasser durchströmt wird. Aber das wird nicht von Vulkanen geheizt und ist auch nicht sauer, sondern extrem basisch. Deshalb holt ausströmendes Wasser Kalziumkarbonat aus dem Umgebungswasser, das türmt die weißen Wände auf.

Olivin wird Serpentin...

Und was zuvor im Inneren passiert, macht „Lost City“ zu einem zweiten Kandidaten für den Ursprung von Leben: „Die Gesteine stammen aus dem oberen Erdmantel, Hauptbestandteil ist Olivin, das ist ein Magnesium-Eisen-Silikat-Mineral“, erklärt Früh-Green: „Kommt das in Kontakt mit Wasser, wird daraus ein anderes Mineral: Serpentin. Dabei wird Wasserstoff frei. Wenn dann irgendeine Kohlenstoffverbindung in der Nähe ist, wird sie reduziert zu Methan.“ Das klingt nur so harmlos: In einer Gruppe um Deborah Kelley (University of Washington) hat Früh-Green Wasser aus „Lost City“ analysiert. Darin fand sich Methan – vermutlich gibt es dort auch höhere Kohlenwasserstoffe –, dessen Kohlenstoff nie in der Biosphäre war, im Reich des Lebendigen, man sieht es an den Isotopen. „Damit haben wir zwar nicht den Beweis, aber doch eine ganz kohärente Datenbasis dafür, dass Methan und höhere Kohlenwasserstoffe auch auf nicht organischem Weg entstehen können“ (Details: Science, 319, S.604).

Bisher ging man davon aus, dass es für die Entstehung organisches Material braucht, das von Leben bearbeitet wird, von Bakterien zersetzt. So erklärt man sich auch die Grundlage unseres heutigen Lebens: Erdöl sei biogen, Produkt der Zersetzung pflanzlicher Biomasse. Aber nicht alle glauben daran, vor allem russische Forscher vermuten seit langem einen geologischen Ursprung. Im Westen bekannt wurde diese Theorie vor allem durch Thomas Gold (The Deep Hot Biosphere, 1999), der etwa damit argumentiert, dass es auch auf unbelebten Himmelskörpern wie dem Mars Methan gibt.

Hätte Gold Recht, hätte das enorme Folgen – die Vorräte wären nicht begrenzt, es gäbe Stätten, in denen auch heute immer neues Erdöl entsteht –, aber ob er Recht hat, ist umstritten. Immerhin: „Man muss jetzt zugeben, dass beide Prozesse existieren“, erklärt Früh-Green, „wir müssen die Größenordnungen quantifizieren.“

...wie in uralten Zeiten

Aber es geht nicht nur um die Grundlage des heutigen Lebens, es geht um die von Leben überhaupt: Aus einer „Lost City“ könnten die ersten lebensnotwendigen Kohlenwasserstoffe gequollen sein, vielleicht gar aus einem in der heutigen Schweiz: Dort hat die Forscherin lange mit Gestein gearbeitet, das uralt ist und fast an der Oberfläche liegt, man baut es auch in Steinbrüchen ab („unsere Banken schmücken gerne die Fußböden damit“): Serpentin, in frühen Zeiten umgewandelt aus Olivin und durchzogen mit Adern von Kalziumkarbonat in Schlangenform, daher der Name.

„Wenn man unter den Türmen von ,Lost City‘ nachsehen könnte, würde man dasselbe sehen. Dort laufen heute die Prozesse, von denen wir bisher nur wussten, dass sie in Urzeiten einmal gelaufen sind.“ Heute laufen die Prozesse auch andernorts, in der chemischen Industrie: Methan kann aus Kohlendioxid durch Reduktion mit Wasserstoff hergestellt werden, beschleunigt wird durch Katalysatoren. Und Katalysatoren finden sich auch im Gestein von „Lost City“, Chrom und Nickel, sie könnten auch dort helfen.

KOHLENWASSERSTOFFE

Methan (CH4) ist die einfachste Verbindung aus Kohlenstoff und Wasserstoff – und der Hauptbestandteil von Erdgas. Höhere Kohlenwasserstoffe sind z.B. in Erdöl. CH4 kann man zu CO2 (und H2O) oxidieren, die umgekehrte Reaktion heißt Reduktion.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2008)

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