Stammzellen aus verletztem Gehirn

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Münchner Forscher zogen bei Mäusen multipotente Zellen aus Nähr- und Stützzellen des Hirns. Diese könnten gezielt zerstörte Hirnzellen ersetzen.

Das verletzte Gewebe gegen den Rest des Hirns verschließen, die Entzündung und den Tod von Nervenzellen auf ein Mindestmaß beschränken: So muss das Zentralnervensystem höherer Tiere schnell auf Verletzungen reagieren. Dieses Erste-Hilfe-Programm nennt man „reaktive Gliose“, denn Gliazellen, die Nähr- undStützzellen des Hirns, spielen dabei eine zentrale Rolle. Unter ihnen die Astrozyten, Zellen mit sternförmigen Verzweigungen (und damit einer großen Oberfläche), die u.a. den pH-Wert und den Kalium-Haushalt im Hirn regulieren.

Diese Astrozyten teilen sich für gewöhnlich nicht. Auf Verletzungen aber reagieren sie mit Wachstum – und mit Vermehrung. Das überprüften Forscher um Magdalena Götz (München) nun an Mäusen. Dabei bleiben die Astrozyten in vivo – also im verletzten Hirn – Astrozyten, in vitro – in einem Nährmedium – aber entwickeln sie sich in andere Zellarten des Gehirns, auch in „echte“ Nervenzellen, Neuronen. Das ist neu. Und ungewöhnlich: Denn in erwachsenen Wirbeltieren bilden sich neue Neuronen für gewöhnlich nur in bestimmtem Hirnregionen, bei Menschen z.B. im Hippocampus, wo das Gedächtnis sitzt.

Chance auf Heilung?

Offenbar bewirkt die Verletzung, dass die Astrozyten sich in eine Art Stammzellen zurückentwickeln („dedifferenzieren“), die multipotent sind, sich also wieder in verschiedene Zelltypen entwickeln („differenzieren“) können. Andere Zellen im Hirn schaffen diese Dedifferenzierung nicht, auch das wiesen die Münchner nach (Pnas, online 26.2.).

Damit sind die Astrozyten neue Hoffnungsträger: Wenn man es schafft, ihre Verwandlung in Stammzellen – und in weitere Folge neue Neuronen – gezielt zu induzieren, könnten diese zerstörte Hirnzellen ersetzen. tk

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2008)

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