Was Hunde beleidigt

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Wiener Forscherin zeigt, dass auch diese sozialen Tiere so etwas wie ein Gerechtigkeits-Gefühl haben.

Wenn einer von uns sieht, dass ein anderer für die gleiche Leistung besseren Lohn erhält, regt sich Ärger bzw. ein Gefühl für Gerechtigkeit oder Fairness. Das ist ein grundlegendes Gefühl für das Funktionieren von Gesellschaften, und lange dachte man, nur Menschen hätten es. Allenfalls Schimpansen billigte man es noch zu.

Aber dann kamen Kapuzineräffchen bzw. ein Experiment mit ihnen (De Waal, 2003): Man gab zweien einen Gegenstand in die Hand, den sie beim Experimentator für Futter eintauschen konnten. Je nach Experimentator-Willkür gab es beliebtes Futter (eine Traube) oder unbeliebtes (ein Stück Gurke), und die beiden Äffchen konnten sehen, was der je andere bekam. Bekam einer ein Stück Gurke und sah, dass der andere eine Traube bekam, verweigerte er (oft) die Annahme des Unrechts. Das ist journalistisch formuliert, Verhaltensforscher streiten darüber, ob man dieses Verhalten als „Gerechtigkeitsgefühl“ bezeichnen kann. Es gab auch Kritik am Design des Experiments.

Diese Affen leben jedenfalls – wie wir – in sozialen Verbänden, das tun andere Tiere auch, Hunde etwa, sie sind gleich doppelt sozial, haben sich aus Wölfen entwickelt und leben nun mit Menschen. Haben sie ähnliche Verhaltensweisen? Eine Gruppe um Friederike Range (Neurobiologie und Kognitionsforschung, Uni Wien) hat es getestet: Man hat je zwei miteinander vertraute Hunde (und ihre Besitzer) ins Labor gebeten, nebeneinander sitzen lassen und vor jeden eine Futterschüssel gestellt. Dann bat/befahl der Experimentator „Pfötchengeben“, erst den einen Hund, dann den anderen, dann wieder den einen usf.

Zur Belohnung gab es entweder (a) für beide Brot, (b) für einen Brot, für den anderen Wurst, (c) für einen nichts, für den anderen Brot. „In dieser Situation kam eine starke Verweigerung, die Hunde, die nichts bekamen, schauten vom Experimentator weg, sie waren beleidigt“, berichtet Range der „Presse“, „und das lag nicht nur daran, dass einer, der nichts bekam, deshalb frustriert war“: In Kontrollexperimenten mit nur je einem Hund gaben sie auch ohne Belohnung weiter Pfötchen.

„Jedenfalls unter Stress“

Woran lag es dann? „Ob das ,Gerechtigkeitsgefühl‘ ist, das wissen wir nicht, es ist schwer zu sagen“, erklärt Range, „aber offenkundig fühlen sich die Tiere nicht wohl und stehen unter Stress, das zeigt sich in ihrem Verhalten weit über die Verweigerung des Pfötchengebens hinaus.“

Allerdings unterscheiden die Hunde, anders als die Affen, nur, ob es etwas gibt oder nicht. Die Qualität – Brot vs. Wurst – interessiert sie nicht. Das kann daran liegen, dass der Reiz einer Belohnung so stark ist, dass die Qualität in den Hintergrund rückt. Oder auch daran, dass Hunde nicht fähig sind, den komplexen Vergleich – es geht um zwei Relationen: Ich bekomme für eine Leistung die Belohnung a, der andere bekommt für die gleiche Leistung eine bessere Belohnung b – zu ziehen. Aber vielleicht haben sie evolutionär vorgearbeitet: Erst muss man etwas und nichts unterscheiden können, bevor es um die Feinheiten gehen kann (Pnas, 9.12.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2008)

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