Das älteste Wort: „Ich“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Britische Forscher lauschen zurück – und nach vorn. Worte wie "ich" und "wir" sind mindestens 15.000 bis 20.000 Jahre alt. Das Wort "dirty" ist hingegen vom Aussterben bedroht.

Könnten wir uns mit einem Steinzeitmenschen verständigen? Es würde schon halbwegs gehen, meint Mark Pagel, Evolutionsbiologe der University of Reading, der die Entwicklung der Sprache(n) so interpretiert wie die der Lebewesen: „Wir könnten einen Zeitreisenden mit einem ,Wörterbuch‘ ausstatten, in dem heutige Wörter stehen, die damals ähnlich geklungen haben. Er könnte damit keine sehr komplizierten Diskussionen führen, würde aber auch nicht in Probleme geraten.“

Denn manche Wörter wandeln sich langsam, vor allem häufig gebrauchte, hier trägt die Parallele mit den Genen: „I, who, we, one, two, three“ sind „resistent gegen Evolution“, sie sind zugleich „die ältesten Wörter“, sind „mindestens 15.000 bis 20.000 Jahre alt“ und haben „damals zumindest ähnlich geklungen“. Aber der häufige Gebrauch alleine macht es nicht, es geht auch um Typus, Wörter wie „and“ und „but“ entwickeln sich laut Pagel hundert Mal rascher als die stabilen Zahlwörter, auch Verben und Adjektive sind evolutionär kurzlebig, Substantive hingegen halten sich wieder. All das entnimmt der Forscher einem Supercomputer, den er mit den bekannten Sprachen füttert, etwa mit „water“, „Wasser“, „Vaten“ (schwedisch) und „Wato“ (gotisch). Man muss diese Wörter nur laut vor sich hin sprechen, rät Pagel, dann hört man auch ohne Supercomputer, was sich erhält, das gezogene „a“ deutet noch auf den gemeinsamen Ahnen.

Sterbekandidat: „dirty“

Anderes ist längst vergessen oder wird es bald sein: Ganz oben auf Pagels Sterbeliste steht „dirty“ – „es hat die höchste Evolutionsrate von allen Wörtern, es wird in den nächsten 750 Jahren verschwinden“ –, es folgen „throw“, „bad“ und „because“, sie alle haben sich heute schon weit von ihren Pendants in anderen Sprachen wegentwickelt. In Summe verschiebt sich – immer vorausgesetzt, der Supercomputer behält recht – der gesamte Wortschatz frappant rasch: „Fünfzig Prozent unserer heutigen Wörter hätten unsere Ahnen vor 2500 Jahren nicht verstanden.“ (www.reading.ac.uk) jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2009)

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