Die Falle in den eigenen vier Wänden

risiko. Stürze im Haushalt verursachen 80 Prozent der tödlichen Unfälle alter Menschen.

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er Frühjahrsputz kann ganz schön gefährlich sein: Rund 18.500 Österreicher putzen sich Jahr für Jahr krankenhausreif, neuralgische Monate sind März und April. Allein in diesen beiden Monaten verletzen sich täglich mehr als 50 Menschen beim Saubermachen so schwer, dass sie in einem Krankenhaus landen. Und weil der Haushalt noch immer Frauensache ist, sind die "Putz-Opfer" in erster Linie weiblichen Geschlechts (72 Prozent), besonders gefährdet sind ältere Damen.

Für Ältere stellt die Wohnung generell einen nicht zu unterschätzenden Gefahren-Pool dar. Sehr viele Freizeitunfälle bei reiferen Personen ereignen sich in den eigenen vier Wänden, wie Zahlen des ehemaligen Instituts Sicher Leben (seit 1. Jänner 2006 unter der neuen Dachmarke Kuratorium für Verkehrssicherheit "versteckt") zeigen: Im Jahr 2004 (Zahlen jüngeren Datums stehen noch nicht zur Verfügung) waren 127.500 Österreicher über 60 Jahre in Freizeitunfälle (ohne Verkehr und Sport) verwickelt und mussten deswegen im Krankenhaus behandelt werden. 65.700 dieser Unfälle passierten in der eigenen Wohnung, wobei die allermeisten - 82 Prozent - durch einen Sturz verursacht wurden. Und: Rund 80 Prozent aller tödlichen Unfälle bei alten Menschen sind auf Stürze im Haushalt zurückzuführen.

Ursachen für mitunter folgenschwere Ausrutscher gibt es viele, von Stolperfallen wie Teppichfalten oder nassen Böden über Medikamente und diverse Erkrankungen bis zu Sehstörungen und falschen Hausschuhen. "Hier werden die meisten Fehler gemacht", heißt es in der Broschüre "Stürze vermeiden. Lebensqualität erhalten". Der Hausschuh, wird empfohlen, sollte gut anliegen und die Ferse umschließen. "Hausschlüpfer sind echte Sturz-Schlüpfer".

"Stürze sind die stillen Leiden älterer Menschen", schreibt Prim. Dr. Katharina Pils, Vorstand des Instituts für Physikalische Medizin und Rehabilitation am Sozialmedizinischen Zentrum Sophienspital in Wien in dem Ratgeber. Dieser behandelt Fragen des Lebensstils ebenso wie Tipps zur Entfernung von Stolperfallen.

Ein anderer Grund für Sturzneigung ist oft auch im Nachtkästchen zu finden: "Schlafmittel und Psychopharmaka spielen eine große Rolle", betont Univ.-Prof. Dr. Gerold Holzer, Leiter der Osteoporose-Ambulanz der Universitätsklinik für Orthopädie am AKH Wien. Psychopharmaka seien bei älteren Menschen nämlich häufig überdosiert. Und diese Tatsache erhöhe die Sturzgefahr gewaltig.

Zudem werden solche Medikamente in höherem Alter meist langsamer abgebaut als in jungen Jahren und können Reaktionsvermögen und Bewegungskoordination bei Senioren stark beeinträchtigen. Viele, bei älteren Menschen häufig verordnete Beruhigungs- und Schlafmittel gehören in die Gruppe der lang wirksamen Mittel, sodass sie gerade bei Senioren auch noch morgens wirken und zu Unsicherheit beim Gehen führen. Solcherart stellt also auch ein medikamentöser Hangover ein potenzielles Sturzrisiko dar.

"Die Jugend kommt meist mit blauen Flecken davon, Ältere erleiden häufig Knochenbrüche", warnt Dr. Rupert Kisser, Leiter des einstigen Instituts Sicher Leben. Besonders gefährlich sind Schenkelhalsfrakturen (jährlich rund 14.000 Österreicher betroffen). "Stürze und vor allem Osteoporose sind bei älteren Menschen für 80 Prozent der Schenkelhalsfrakturen verantwortlich", sagt Holzer. 15 bis 25 Prozent aller Patienten sterben innerhalb eines Jahres nach einem derartigen Bruch, zehn Prozent müssen in ein Pflegeheim eingewiesen werden.

Verhindern könnte man etliche dieser folgenschweren Hüftfrakturen sehr wohl. Einerseits durch Sturz-Prophylaxe, zu deren Pfeiler richtige Ernährung und regelmäßige Bewegung gehören. "Verminderte körperliche Fitness und allgemeine Schwäche bergen nämlich auch hohe Sturzgefahr in sich", betont Holzer.

Eine andere Möglichkeit, sich vor Oberschenkelhals-Brüchen - auch im Falle eines Hinfallers - zu schützen, sind sogenannte Hüft-Protektoren. Holzer: "Die schauen ähnlich aus wie eine Unterhose aus stärkerem Material." Als Schutzelemente sind kleine Körbchen und neuerdings Schaumstoffe eingearbeitet. "Die Schaumstoff-Variante trägt nicht so stark auf", weiß Holzer. Er weiß aber auch, dass die Schützer - vor allem jene mit Körbchen - nicht besonders gerne getragen werden. Leider, denn mehrere Studien liefern eindeutige Beweise, dass derlei Protektoren sehr hohe Schutzeffekte haben und zahlreiche Hüftbrüche verhindern können.

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