"Wenn Deutschland den Euro verlässt, sind alle Probleme gelöst"

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Großinvestor George Soros sieht für Deutschland nur zwei Optionen: Akzeptiert eine höhere Inflation oder steigt aus dem Euro aus. Wenn die Politik so weitermacht wie bisher, drohen das Ende des Euro und der EU.

Die Presse: Herr Soros, wollen Sie, dass Deutschland den Euro verlässt?

George Soros: Nein, ich würde es bevorzugen, wenn Deutschland seine Politik ändert. Dass Deutschland Wachstum unterstützt, damit wir aus Deflation und Depression kommen. Das würde nur temporär eine Inflation von mehr als zwei Prozent bedeuten. Deutschland muss einsehen, dass die Bundesbank nicht recht hat. Aber ich kann auch respektieren, wenn die Deutschen sich dagegen entscheiden, weitere Verbindlichkeiten zur Eurorettung auf sich zu nehmen. In dem Fall sollte Deutschland den Euro verlassen, und die Probleme der Eurozone wären gelöst.

Also wäre ein Euro-Exit Deutschlands sogar der einfachste Weg, die Probleme in Europa zu lösen?

Ökonomisch und finanziell: ja. Aber politisch wäre das viel gefährlicher. Die Zusammenarbeit von Deutschland und Frankreich ist das Fundament der europäischen Einheit. Wenn das durch einen Euroaustritt Deutschlands in Gefahr gerät, gibt es einen politischen Schock. Aber ökonomisch würde es besser funktionieren, wenn wir wieder Flexibilität zwischen Gläubigerländern und Schuldnern hätten. Dann könnte der Wechselkurs die Ungleichgewichte ausbügeln.

Ein Austritt Deutschlands wäre aus Ihrer Sicht sogar sinnvoller als ein Austritt Griechenlands oder Italiens?

Griechenland ist ein Spezialfall. Aber sollte Italien oder Spanien den Euro verlassen, müssten diese beiden Länder – zumindest technisch – in den Staatsbankrott gehen. Daran würde die gesamte Währungsunion und auch der gemeinsame Markt zerbrechen.

Was, wenn die deutsche Bevölkerung auf diese Idee mit Erleichterung reagiert und die D-Mark zurückfordert?

Auch das wäre eindeutig besser, als so weiterzumachen wie bisher. Beide Optionen, ein Ausstieg oder eine aktivere Führungsrolle Deutschlands, wären dem aktuellen Kurs vorzuziehen. Derzeit tut Deutschland immer nur das Nötigste, um den Euro zusammenzuhalten. Aber das drückt die Südländer in eine permanente Depression und einen zweitrangigen politischen Status.

Schließen Sie komplett aus, dass die Geldpolitik der Bundesbank – die für Deutschland jahrzehntelang gut funktioniert hat – am Ende auch für Europa funktionieren könnte?

Ich schließe das nicht komplett aus, aber es würde eine sehr lange Zeit in Anspruch nehmen. Fünf, zehn oder sogar 20 Jahre. Das politische Risiko ist groß, dass die Menschen in einigen Ländern das nicht mitmachen und aus dem Euro aussteigen. Das Ergebnis wäre nicht nur ein Zusammenbruch des Euro, sondern der EU.

Sie glauben also wirklich, dass die ganze Welt sich aus dem Schuldenproblem rausinflationieren kann?

Wir brauchen Inflation, um den Schulden zu entkommen. Die Gefahr ist Deflation, nicht Inflation.

Eine persönliche Frage: Politiker und Aktivisten schimpfen gern auf „böse Spekulanten“. Fühlen Sie sich davon angesprochen?

Ich war einmal ein Spekulant, aber ich glaube, ich war kein böser. Meine Definition lautet: Jedes Investment ist Spekulation, nur wenn es erfolglos bleibt, verbucht man es als „Investition“. Wenn Sie ein Investment machen und Ihr Ziel früher als erwartet erreichen, dann ist das eine Spekulation. Außerdem glaube ich, dass die größten Spekulanten heute längst die Zentralbanken sind, nicht etwa Hedgefonds.

Aber Sie wurden berühmt als Spekulant, der die Bank of England überlistet hat. Jetzt schreiben Sie Analysen zum Euro. Glauben Sie nicht, dass manche das als Versuch verstehen werden, die Politik zu beeinflussen und dabei Geld zu verdienen?

Ich glaube sogar, dass das eine häufige Antwort auf meine Vorschläge sein wird. Da kann ich nichts machen. Ich bin als Spekulant in Pension, aber ich sorge mich um das Wohlbefinden der EU. Und da hab ich keine andere Wahl, als mich zu äußern. Ich will, dass Deutschland die Führungsrolle in Europa übernimmt, ähnlich wie die USA das global machen. Wenn der Euro zerfällt, werden die Spekulanten der nächsten Generation eine wunderbare Zeit haben.

Auf einen Blick

George Soros (82) hat mit einer Spekulation gegen das britische Pfund 1992 eine Milliarde Dollar an einem Tag verdient. Heute liegt der gebürtige Ungar mit 20 Mrd. Dollar auf Platz 22 der „Forbes“-Liste der reichsten Menschen der Welt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2012)

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