Sterben Lebensversicherungen aus?

Sterben Lebensversicherungen
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Die deutsche Allianz verkauft erstmals Lebenspolizzen ohne Garantiezins. In Österreich fordern Konsumentenschützer eine grundlegende Reform.

Wien. Der Juli wird in die Geschichte der Versicherungsbranche eingehen. Die Allianz-Versicherung verkauft in Deutschland erstmals Lebenspolizzen ohne lebenslangen Garantiezins. Branchenexperten zufolge dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die österreichischen Anbieter hier nachziehen werden.

„Klassische Lebensversicherungen werden für Konsumenten immer mehr zum Verlustgeschäft. Das System steht auf der Kippe“, klagt Gabi Kreindl vom Verein für Konsumenteninformation (VKI). Die Versicherungen befinden sich in einem Dilemma. Da das allgemeine Zinsniveau niedrig ist, sind die Erträge bei Lebenspolizzen auf ein Rekordtief gefallen. Ähnlich wie in Deutschland senkte im Vorjahr auch die österreichische Finanzmarktaufsicht den maximal erlaubten Garantiezins von zwei auf 1,75 Prozent pro Jahr.

In Deutschland bringt die Allianz jetzt Polizzen auf den Markt, bei denen der fix vereinbarte Mindestzins von 1,75Prozent gestrichen wird. „Garantien gibt es nicht umsonst“, so die Allianz. Durch den Wegfall des Garantiezinses spare das Unternehmen Geld, die Kunden profitieren von höheren Renditechancen. „Es gibt gerade in Niedrigzinsphasen die Neigung, mehr Risiko zu nehmen“, sagte Allianz-Leben-Chef Markus Faulhaber in München.

Die Zinsen, die an die Kunden ausgeschüttet werden, sollen jedes Jahr neu festgelegt werden und können je nach Anlageerfolg schwanken. Garantiert wird von der Allianz nur der Erhalt der eingezahlten Beträge.

Kritik am neuen Modell

Das neue Modell sorgt für Kritik. „Damit ist zumindest eines sicher: Jede vorzeitige Kündigung dieses Produkts führt mit Sicherheit zu deutlich höheren Verlusten als bei einer Spareinlage“, erklärt der Bund der Versicherten.

In Österreich können die Assekuranzen jederzeit ein ähnliches Produkt einführen, heißt es bei der Finanzmarktaufsicht (FMA). „Die Presse“ hörte sich dazu bei den heimischen Anbietern um.

Aufgeschlossen zeigt sich die Uniqa-Versicherung „Wir beobachten die Situation und haben ähnliche Ideen“, so Uniqa-Sprecher Norbert Heller. Voraussichtlich im nächsten Jahr könne man dazu mehr sagen. Die Wiener Städtische und die Generali sehen dagegen keinen Bedarf, ihre Produktpalette zu ändern.

Die österreichische Allianz startet im Herbst mit einer Kompromissvariante. Demnach soll es in der Ansparphase weiterhin den Garantiezins von 1,75 Prozent geben. Nach Vertragsende haben die Kunden die Möglichkeit, sich das Geld auszahlen zu lassen. Sie können aber auch weiterhin Einzahlungen leisten. „In der Genussphase wird es auch weiterhin einen garantierten Zinssatz geben, allerdings unter dem garantierten Zinssatz der Ansparphase“, so Allianz-Sprecherin Elisabeth Rashid. Denn Garantien kosten Geld. Am Ende sollen die Kunden aber von einer höheren Gesamtverzinsung profitieren.

VKI verlangt eine Reform

Der Verein für Konsumenteninformation verlangt bei Lebensversicherungen eine grundlegende Reform. „Das Hauptproblem sind die hohen Kosten“, betont VKI-Expertin Kreindl. Denn nur 70 bis 80Prozent der eingezahlten Beträge werden tatsächlich veranlagt. Der Rest fließe in Verwaltungs- und Vertriebskosten und in Steuern. „Aufgrund hoher Verwaltungskosten und niedriger Kapitalmarktzinsen ist bei klassischen Lebensversicherungen auf Jahre hinaus kein Profit zu erwarten.“ Der VKI rät daher von dem Produkt ab. Wer jetzt einen neuen Vertrag abschließe, „finanziert vor allem die noch besser ausgestatteten Altverträge mit und muss selbst bei bald steigenden Marktzinsen mit einem Kaufkraftverlust seines investierten Geldes rechnen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2013)

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