"Ich hatte kein Spielzeug, ich hatte nichts"

(c) Clemens Fabry
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Peter Augendopler hat den Kornspitz erfunden. Warum der 2015 verlorene Markenstreit Geld bringt, warum die Firmengründer als "deppert" galten und warum er in Moskau fast eine fremde Frau geküsst hätte, erzählt er der "Presse".

Die Presse: Warum sind Sie eigentlich immer so gut gelaunt?

Peter Augendopler: Weil das Leben dann einfacher ist. Wenn man klagt, zieht man nicht nur sich, sondern auch andere hinunter.

Krisenstimmung kennen Sie also nicht. Was passiert aber, wenn die Wirtschaft schlecht läuft?

Ich bin nicht traurig, wenn es schwierig wird. Nur dann zeigt sich, wer wirklich etwas kann. Wir haben etwa eine Firma in der Ukraine. Das ist derzeit natürlich nicht lustig. Aber wir wissen: Wenn die Krise vorbei ist, werden es uns die Kunden wohl danken, dass wir auch in schwierigen Zeiten geblieben sind.

Wie ist es Ihnen ergangen, als Sie 2015 den jahrelangen Rechtsstreit um die Marke Kornspitz in Österreich verloren haben?

Durch den Streit ist der Lebensmittelhandel auf die Situation aufmerksam geworden. Plötzlich haben die Verkäufer den Leuten erklärt: Unser Kornspitz ist der echte. In Österreich haben wir noch nie so viele Kornspitze verkauft wie heute.

Hatten Sie damit gerechnet?

Ich hatte erwartet, dass wir den Rechtsstreit gewinnen. Dann war ich einen Tag lang konsterniert, aber das Leben geht ja weiter. Die Folgen waren nicht abzuschätzen.

Wie kam es eigentlich zur Erfindung des Kornspitzes?

Anfang der 80er-Jahre waren Ballaststoffe ein großes Thema in der Ernährung. Wir haben ein Brot und Kleingebäck entwickelt, die mit Ballaststoffen angereichert waren. Wir haben geglaubt, dass das Brot, das wir Kornbeißer nannten, sehr erfolgreich sein würde. Dem Kleingebäck haben wir keine Bedeutung beigemessen. Auf der Bäckereiausstellung 1984 haben wir das Produkt dann vorgestellt. Der Kornspitz war im Unterschied zu den anderen Produkten dunkel, jeder hat danach gegriffen. 1100 Betriebe waren auf der Messe. Alle außer einem haben gesagt, dass sie das auch machen wollen. Der eine kam einige Zeit später auch noch dazu.

Sie waren damals noch ein No-Name. War der Anfang schwer?

Wir sind mit nichts in eine etablierte Branche gekommen. Wir haben Rohstoffe hergestellt, waren niemand und haben auf einmal mit der Produktion begonnen. Andere haben geglaubt, dass wir in drei Monaten hin seien. Leute, die kein Geld haben, kommen einfach und fangen ein Werkl mit acht Osterhasen an? Ich habe verstanden, dass sich die Leute gefragt haben, ob wir deppert sind. Sie haben aber nicht erkannt, dass meine Eltern viel können. Es gibt uns immer noch.

Der Weg des geringeren Widerstands ist also nichts für Sie.

Leben besteht nicht aus Gemütlichkeit. Ich bin für Wettbewerb. Er bringt die Menschheit weiter.

Verstehen Sie Bedenken, dass allmählich eine Generation ans Ruder kommt, die die kargen Zeiten des Aufbaus nicht miterlebt hat?

Da schwanke ich. Ich profitiere davon, dass ich auch die schlechten Zeiten nach dem Krieg erlebt habe. Aber ich bin mir nicht sicher, ob man das mitgemacht haben muss, um die richtigen Lehren zu ziehen. Ich glaube, es muss nicht so sein. Meine Kinder sind auch vernünftig, fleißig, ambitioniert und viel gescheiter als ich, weil sie mit anderen Mechanismen aufgewachsen sind. Ich hatte etwa jahrelang kein Spielzeug. Ich hatte nichts.

Was haben Sie Ihren Kindern im Umgang mit Geld beigebracht?

Dass das Glück eines Menschen nicht davon abhängt, welches Label auf der Kleidung steht. Heute legen meine Kinder keinen Wert auf Marken. Meine Mutter hat meinem Sohn einmal zu Weihnachten ein T-Shirt der Marke Lacoste geschenkt. Irgendwann im Frühjahr habe ich ihn gefragt, warum er das T-Shirt seiner Oma nicht trägt. Dabei hatte er das Shirt in diesem Moment an. Er hat mir erklärt, dass er das Logo hatte entfernen lassen. Das war ein Highlight in meinem Leben. Ich habe gesehen, dass er verstanden hat, worum es geht.

Klingt kurios aus dem Mund von jemandem, der mit der Marke Kornspitz viel Geld verdient hat.

Das ist ja keine Luxusmarke, sondern ein Produkt des allgemeinen Gebrauchs, aus dem niemand sein Prestige ableitet.

Sind Sie denn nicht stolz darauf?

Ich bin auf nichts stolz, es gibt keinen Grund dazu. Wenn wir in neue Länder gehen, fangen wir immer neu an. Dort sind wir niemand. Aber ich weiß eines: In ein paar Jahren haben wir dort viele Kunden, und das ist ein gutes Gefühl.

Hilft Ihnen das dabei, auf dem Boden zu bleiben?

Man muss immer fleißig sein und soll sich auf nichts etwas einbilden. Aber das größte und emotionalste Erlebnis meines Geschäftslebens war, als ich die Backwarenabteilung eines russischen Supermarktes besuchte, den wir aus Oberösterreich beliefern. Hinter uns stand eine Frau, die auf Russisch einen Kornspitz bestellt hat. Am liebsten hätte ich die Dame abgebusselt.

Heute sind Sie ein reicher Mann.

Nein. Die Firma hat sehr profitiert, aber da wir als Familie nichts aus der Firma nehmen, sind wir privat gar nicht reich in dem Sinn, wie man sich das vorstellt. Mir ist wichtig, dass es der Firma gut geht.

Aber Geld wäre schon vorhanden. Sind Sie einfach nur bescheiden?

Ich bin so erzogen worden. Wir haben gelernt, um die Existenz zu kämpfen. Und sie hängt von unserer Firma ab. Wir machen seit 50 Jahren Gewinne, reinvestieren das Verdiente aber. Wir haben uns eben dafür entschieden. Eine Jacht im Mittelmeer brauchen wir nicht. Ich jedenfalls hätte keinen Spaß daran. Ich habe Spaß, wenn ich Tochterfirmen im Ausland besuche.

Wo legen Sie sonst noch Geld an? Wir wissen etwa, dass Sie in Siemens investiert sind.

Aha. Siemens war nach Bayer die zweite Aktie, die ich gekauft habe. Ich habe damals ganz wenig verdient, aber das Thema hat mich interessiert. Also habe ich mich gefragt, was das Sicherste ist. Eigentlich ist es das Sicherste, wenn man sich an einer guten Firma beteiligt.

Warum fahren Sie so gern zu Aktionärshauptversammlungen?

Weil ich dabei sehr viel lerne. Mich interessiert: Wer ist diese Firma? Bei einer HV sitzen der Vorstand und der Aufsichtsrat. Ich schaue mir die Leute an. Wer redet mit wem, sind sie vertraut miteinander? Wenn ich erlebe, wie der Siemens-Vorstand eineinhalb Stunden ohne Vorlage sprechen kann und alle Zahlen intus hat, ist das für mich eine Aussage. Es schafft Vertrauen.

In die Pension wollen Sie nicht?

Ich glaube, als Unternehmer geht man nicht in Pension. Aber man muss eines zur Kenntnis nehmen: Wenn man älter wird, wird man nicht besser. Ich glaube, ich merke, wenn ich nicht mehr ganz auf dem Damm bin. Dann gehe ich. Die Firma ist so aufgestellt, dass sie auch ohne mich gut läuft. Darauf habe ich 20 Jahre lang hingearbeitet.

Warum betreiben Sie eigentlich Sportsponsoring?

Eines Tages kam jemand vom Österreichischen Skiverband und wollte, dass wir Biathlon sponsern. Bei mir geht es immer über die Person. Der Mann hat mir die Lage nach dem Dopingskandal in Turin erzählt. Damals gab es keine Sponsoren mehr. Ich hatte das Gefühl, dass er ehrlich war. Dann habe ich gesagt: O. k., machen wir. Und ich habe dabei eines gelernt: alles super Typen, positive Leute, an denen man sich hochziehen kann. Sport ist Charakterbildung, und Sportler sind die besten Botschafter.

Sie sind in vielen Ländern tätig. Was kann Österreich von anderen lernen?

Ich unterscheide das Land vom Staat. Für mich ist Österreich das beste Land auf der Welt, als Staat aber sind wir nicht Weltspitze. Wir können sehr viel von Deutschland lernen. [ Clemens Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2016)

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