Warum konjunktursensible Aktien gefragt sind

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Steigende Zinsen und die Hoffnung auf ein anziehendes Wirtschaftswachstum spielen vor allem Unternehmen aus dem Industriesektor in die Hände. Konjunkturstabile Werte geraten dagegen ins Hintertreffen.

Wien. Am 14. Dezember dürfte es so weit sein: Die US-Notenbank Fed könnte erstmals seit Ende des Vorjahres den Leitzinssatz erhöhen. Zuletzt hatte sie wiederholt angedeutet, dass sich die US-Wirtschaft auf einem guten Weg befinde. Eine graduelle Zinsanhebung erscheint somit möglich.

„Im Vergleich zu früheren Entscheidungen der Fed wurde eine Zinsanhebung im Dezember diesmal gut vorbereitet“, sagt Michael Herzum von Union Investment. Tatsächlich dürften die US-Währungshüter aus Fehlern der Vergangenheit gelernt haben. Zur Erinnerung: Nach der letzten Zinsanhebung im Dezember 2015 wurden bis zum Jahr 2017 zunächst vier weitere Schritte in Aussicht gestellt – offensichtlich zu viele. Der US-Dollar wurde stärker, das belastete die Wirtschaft. Die Folge: Die Fed musste zurückrudern. Bei Union Investment erwartet man nun, dass im kommenden Jahr ein bis zwei Zinsschritte erfolgen werden.

Ein anderes Bild zeigt sich in Europa, das im Zyklus deutlich weniger weit fortgeschritten ist. Während die Fed ihre monatlichen Anleihenkäufe längst beendet hat, ist die Europäische Zentralbank (EZB) von einem solchen Stopp noch weit entfernt. Vielmehr dürften weitere Maßnahmen notwendig sein, um die angepeilten Ziele zu erreichen.

„Eine Diskussion über das Zurückfahren der Anleihenkäufe wird im Fall einer Zinsanhebung in den USA im Dezember noch kein Thema sein, aber voraussichtlich im Laufe des kommenden Jahres einsetzen“, sagt Herzum. Eine Erhöhung der Zinsen in den USA hätte keine direkten Auswirkungen auf Europa. Indirekt würde sie sich aber sehr wohl bemerkbar machen. Einerseits über den Dollar-Euro-Wechselkurs, den die EZB auch im Auge hat, und andererseits über die Rohstoffpreise. Normalerweise belastet ein stärkerer US-Dollar die Rohstoffpreise, weil sie in der US-Währung notieren.

Trend zu zyklischen Sektoren?

„Steigende Zinsen werden auch Auswirkungen auf verschiedene Branchen haben: Manche werden davon profitieren, andere nicht“, sagt Bernd Maurer von der Raiffeisen Centrobank (RCB). Bei Union Investment, wo man für 2017 auf Aktien moderat positiv eingestellt ist und ausgehend vom aktuellen Niveau Anstiege von bis zu fünf Prozent erwartet, rechnet man in Europa mit einem Trendwechsel. „Während in den vergangenen Jahren Qualitätsaktien und Unternehmen mit stabilen Cashflows gefragt waren, werden zunehmend zyklische Sektoren in den Fokus der Anleger geraten“, so Herzum.

Versorger, Telekommunikation und Unternehmen aus dem Bereich nicht-zyklischer Konsum werden dagegen nicht mehr von fallenden Renditen unterstützt. Der Experte weist darauf hin, dass Zykliker, also konjunktursensible Aktien, in Europa bereits seit dem Referendum der Briten über einen Austritt aus der EU eine „unglaubliche Rallye“ hingelegt haben. „Das Gesamtniveau der Aktienmärkte ist recht hoch, und die Bewertungen sind alles andere als günstig“, meint Larry Hatheway, Chefökonom beim Asset Manager GAM. Damit werde es Aktien schwerfallen, in einer Zeit steigender Anleihenrenditen auf breiter Linie zu überzeugen. Daher sei mit einer weiteren Rotation an den Aktienmärkten zu rechnen, von der Zykliker, Finanz- und Gesundheits- sowie wahrscheinlich auch Verteidigungsaktien profitieren werden. Nachsatz: „Anleihenersatzwerte und Kandidaten für Aktienrückkaufprogramme dürften dabei ins Hintertreffen geraten.“

Bei GAM tendiert man auf dem Aktienmarkt jedenfalls eher zu Zyklikern und Nutznießern einer Währungsschwäche wie dem japanischen Aktienmarkt. „Außerdem haben wir einige unserer Positionen in den Schwellenländern reduziert“, so Hatheway.

„Wiener Börse leicht positiv“

Schwellenländeraktien bieten bessere Bewertungen, dürften jedoch ausgebremst werden. „In der Regel sind die Währungen vieler Schwellenländermärkte für Abwärtsrisken anfällig, wenn die US-Zinsen steigen und der US-Dollar aufwertet“, so der GAM-Chefökonom.

An der Wiener Börse haben Zykliker wie Voestalpine oder Wienerberger seit den US-Wahlen ordentlich zugelegt. Bei der RCB erwartet man in Wien für 2017 keinen großen Sprung nach oben. „Vielmehr gehen wir von einer leicht positiven Tendenz aus, mit zwischenzeitlichen Schwankungen“, sagt Maurer.

Für Letztere könnten etwa die anstehenden Wahlen in Frankreich und Deutschland sorgen. Eine weitere Outperformance globaler Small- und Mid-Caps werde den Wiener Markt aber sicher unterstützen. Auch vom Bewertungsabschlag gegenüber dem breiten europäischen Markt könnte der Wiener Markt profitieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2016)

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