Heikles AMS-Dossier zu Migration

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Symbolbild AMS.(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Ein interner AMS-Revisionsbericht zeigt Mängel bei der Integration Arbeitsloser mit nicht deutscher Muttersprache auf. Ihr Anteil liegt in Wien bei 61 Prozent. Probleme bereiten Arbeitslose aus Tschetschenien.

Wien. Das Arbeitsmarktservice (AMS) ist mit der Betreuung von Ausländern und von Österreichern mit Migrationshintergrund teilweise überfordert. Das legt ein interner Revisionsbericht nahe, der der „Presse“ vorliegt. 42 Prozent aller Arbeitssuchenden sind Ausländer oder haben Migrationshintergrund. In Wien liegt der Anteil dieser Gruppen bei 61Prozent, in einigen AMS-Geschäftsstellen bei 70 Prozent.

Größtes Integrationshindernis seien mangelnde Deutschkenntnisse, aber auch religiöse und kulturelle Gründe, heißt es in dem knapp 50-seitigen Dossier. Die Untersuchung stammt vom Juni 2017 und wurde in Geschäftsstellen in Oberösterreich, Salzburg, Vorarlberg und Wien durchgeführt. 90 Prozent aller Migranten beim AMS gehören zur ersten Generation, sind also selbst zugewandert. Die größte Gruppe sind Türken.

Die Prüfer haben untersucht, ob Migranten beim AMS schlechter als Inländer betreut bzw. ob sie von Unternehmen bei der Jobsuche diskriminiert werden. Es gibt keine Hinweise, dass Menschen mit Migrationshintergrund „schlechter oder weniger intensiv betreut werden“, heißt es. Die Zahl der Vermittlungen entspricht dem Anteil der Migranten an allen AMS-Kunden. Auch das Förderbudget wird analog zum Anteil der Migranten an alle Kunden verteilt.

Nur sechs Prozent sind Flüchtlinge

Seit 2015 dominieren in der öffentlichen Wahrnehmung Flüchtlinge. Dabei machen sie nur etwa sechs Prozent aller AMS-Kunden aus. Diese Flüchtlinge würden sich sogar durch eine überdurchschnittliche Motivation auszeichnen. Zu wenig Beachtung wird laut dem Bericht der „Fragestellung der Strategie zur Integration in den Arbeitsmarkt“ jener Migranten geschenkt, die vor Herbst 2015 nach Österreich gekommen sind.

Unter AMS-Beratern geht offenbar die Angst um, man könnte ihnen Diskriminierung unterstellen. Weshalb sie laut dem Bericht manchmal „eine nachsichtigere Vorgangsweise in der Betreuung“ wählen würden. Der Bericht spricht von mangelnden Deutschkenntnissen als Problem bei der Beratung. Laut Aussagen von AMS-Landesgeschäftsstellen beherrschten die meisten Menschen mit Migrationshintergrund die deutsche Sprache nicht in einem Ausmaß, das für eine Vermittlung ausreichend sei.

AMS-Geschäftsstellen klagen, dass es nicht genügend Plätze in Deutschkursen gebe. Die Wartezeit betrage oft drei Monate. Die Revisoren sehen das „sehr kritisch“ im Hinblick auf „Langeweile und mögliche Anfälligkeit für nicht gewünschte Aktivitäten“.

Tschetschenen oft gewaltbereit

Befragte AMS-Führungskräfte gaben an, dass „Auffälligkeiten nach Nationalitäten“ zu beobachten seien. Massive Probleme gibt es laut Bericht mit der Betreuung von Tschetschenen. Es gebe „übereinstimmende Wahrnehmungen“ bezüglich Tschetschenen unter befragten Führungskräften, heißt es in dem Dossier. Demnach seien sie überdurchschnittlich oft gewaltbereit. Berater und Führungskräfte würden bedroht. Unter den Mitarbeitern herrsche teilweise Angst, sodass sie in manchen Fällen weder Vorschläge für Jobs noch für Kurse machen, um die Kunden nicht zu verärgern. Bei Tschetschenen, Syrern und Afghanen sei die Vermittlung in soziale Berufe oder die Gastronomie schwierig, „weil der Servicegedanke abgelehnt wird“, schreiben die Autoren.

Zu Hause wird nicht Deutsch geredet

Bei Muslimen würden Väter und Ehemänner Integration verhindern, sie träfen Entscheidungen für Kinder und Frauen. Muslimische Mädchen bis zu 18Jahren dürfen nicht an Ausbildungen mit dem Argument teilnehmen, dass sie nicht mit Männern in Kontakt kommen dürften. Musliminnen seien nur eingeschränkt in „(soziale) Berufe“ vermittelbar, weil sie Männer nicht berühren dürften. Jugendliche der zweiten Generation hätten trotz Schulbesuchs in Österreich mangelhafte Deutschkenntnisse, weil zu Hause nicht Deutsch gesprochen werde.

Die „übereinstimmende Wahrnehmung“ der in dem Revisionsbericht befragten AMS-Mitarbeiter stieß bei der AMS-Spitze auf Missfallen. Offenbar falle es vielen Beratern schwer, „zwischen Wahrnehmung und Vorurteil“ zu unterscheiden, heißt es in einem Statement, das im Revisionsbericht angeführt wird. Die AMS-Spitze empfiehlt ihren Mitarbeitern „Schulungen zum interkulturellen Verständnis“.

Angst vor Diskriminierungsvorwurf

Die Prüfer hielten fest, dass manche AMS-Berater so darauf bedacht seien, „Gleichbehandlung“ sicherzustellen, dass dabei das Gegenteil herauskomme. „Diese Angst vor dem Vorwurf der Diskriminierung führt gerade zur Diskriminierung anderer Kunden“, heißt es, „weil dort weniger sensibel agiert wird.“ Eine AMS-Sprecherin erklärte, dass der interne Bericht „nicht repräsentativ“ sei und sich zum Teil auf Einzelmeinungen berufe. Das AMS führe regelmäßig solche Revisionen durch, um interne Abläufe zu verbessern.

SCHULUNGEN FÜR AMS-MITARBEITER

230 Veranstaltungen wurden 2016 österreichweit für AMS-Mitarbeiter zu „Gender und Diversity“ abgehalten. 20 Prozent betrafen Migrationsthemen. Die Seminare hatten Namen wie „Interkulturelle Kompetenz arabische Kulturen“, „Kulturelle Vielfalt im AMS – Chance und Herausforderung“, „In den Schuhen des Orients“, „Umgang mit Diversität und kultureller Vielfalt“. Nun gaben sich die Verfasser eines internen Revisionsberichts skeptisch, ob diese Seminare den AMS-Beratern ausreichend Unterstützung und Anleitung geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2018)

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