Hilfe durch technische Hand

Hilfe durch technische Hand
Hilfe durch technische Hand(c) EPA (Andy Rain)
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In den nächsten 15 Jahren erwarten nicht mal Experten, dass es menschenähnliche Roboter geben wird, die uns im Haushalt helfen. Aber die Forschung läuft, und Serviceroboter können vor allem für ältere Menschen spezielle Aufgaben erledigen.

Im Idealfall sollte ein System etwas beim ersten Mal lernen. Das menschliche Gehirn schafft das, sagt Edgar Körner vom Honda Research Institut in Offenbach (D) bei den Alpbacher Technologiegesprächen: „Wenn Sie mit dem Auto eine Unfallsituation erleben, müssen Sie es nicht tausendmal wiederholen, um es zu lernen.“ Er beschäftigt sich mit Maschinen, die uns Helfer im Alltag sein sollen. Berühmtes Beispiel ist Asimo, der vom japanischen Honda-Konzern entwickelt wurde: Der 1,20 Meter große Roboter ist menschenähnlich gebaut – mit Armen, Beinen, Händen und Fingern. Sein runder Kopf hat ein dunkles Fenster, hinter dem sich zwei Videokameras befinden. Wenn man mit ihm spricht, bekommt man den Eindruck, Asimo hätte „verstanden“.

Denn: Sobald in seinem Prozessor eine neue Information eingespeichert wird, nickt Asimo. Hat er es noch nicht kapiert, schüttelt er den Kopf. Intelligent ist der kleine Roboter aber deswegen noch lange nicht. „In den 1980er- Jahren dachten wir, dass wir bald humanoide Roboter haben, die uns im Haushalt helfen“, sagt Körner, „aber wir haben immer noch nicht verstanden, wie natürliche Intelligenz funktioniert.“

Künstliche Intelligenz klappt nur bei spezialisierten Dingen: So besiegen etwa Computer die besten menschlichen Schachspieler. Geht es aber um komplexe Bereiche, in denen sich vieles dynamisch ändert, stehen technische Systeme schnell an. „Wir müssen Roboter in die Lage versetzen, selbst zu definieren, was sie lernen sollen“, so Körner. In seinem Labor wird Asimo trainiert, Bedeutungen zu verstehen: Zeigt man ihm zigmal ein großes Objekt und sagt laut „large“, nickt Asimo, wenn er verstanden hat, was „groß“ bedeutet. Da man nicht alles programmieren kann, muss der Roboter durch Imitation lernen: Beobachtet Asimo immer wieder, wie man Wasser von einem Glas ins andere leert, schafft er es irgendwann selbst. Aber Körner nimmt dem Publikum die Hoffnung auf intelligente Heimhilfen: „Es wird noch mehr als 15 Jahre dauern, bis wir humanoide Roboter für die Gesellschaft positiv einsetzen können.“ Das liegt u.a. an zu entwickelnden Batteriesystemen und Regelungstechniken.

Die (relativ junge) Altersforscherin Sarah Harper aus Oxford (UK) betonte in ihrem Beitrag die Dringlichkeit von technischen Hilfen für die immer älter werdende Gesellschaft: „In 15 Jahren wird die Hälfte der Bevölkerung in Westeuropa über 50 Jahre alt sein – mit einer weiteren Lebenserwartung von mehreren Jahrzehnten.“ Europa hat (nach Asien) den am zweitschnellsten wachsenden Anteil an alten Menschen. Doch wegen der sinkenden Geburtenraten wird es immer weniger Junge geben, die sich um die Alten kümmern.

„Daher sollen Technologien den Menschen ermöglichen, länger in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben.“ Dass dies nicht bald durch „Mädchen für alles“-Roboter sein wird, bestätigt Körner. Hingegen könnten spezialisierte Serviceroboter der alternden Gesellschaft dienen: „Für Medizin und Rehabilitation ist begrenzte ,Intelligenz‘ schon leistbar.“ Entwickelt werden derzeit intelligente Prothesen, Systeme, die die Mobilität erhöhen, Sicherheitssysteme in der Wohnung bis hin zu Hilfsmitteln im Auto, die Fehlsichtigkeit und sinkende Aufmerksamkeit kompensieren, um das Unfallrisiko von älteren Menschen zu senken.

Als gelungenes Beispiel, wie ein Roboter Menschen helfen kann, führte der japanische Forscher Takanori Shibata eine kleine Plüschrobbe vor: „Paro“ wird das Hightech-Viecherl genannt, das weltweit in Altersheimen zum Einsatz kommt – als Ersatz für ein echtes Haustier. Paro schaut süß, wenn man ihn streichelt, macht herzige Fiepslaute und hebt den Kopf, wenn man ruft. „Der therapeutische Effekt ist gleich wie bei Haustieren: Stress wird abgebaut, demente Personen beruhigen sich in seiner Gegenwart, man kommt ins Gespräch mit anderen Menschen und vieles mehr“, so Shibata. Der Vorteil gegenüber lebenden Tieren: Man muss nicht füttern oder äußerln gehen, die Plüschhaare sind antiallergen und er ist in keiner Hausordnung verboten. Dafür hat er seinen Preis: Derzeit kostet der herzige Begleiter, der detailgetreu echten Robbenbabys nachempfunden ist, 4600 Euro.

Die Natur liefert auch in vielen anderen, grundlegenderen Bereichen ein „Vorbild“, das man „abschauen“ und für unser Leben nutzbar machen kann. Von der Haftfähigkeit der Klette ausgehend hat man den Klettverschluss für den bequemen Schuh entwickelt. Werner Baumgartner, Österreicher an der Technischen Hochschule Aachen, hat sich die Frage gestellt, ob man Tragflächen entwickeln könne, die (nahezu) lautlos sind. Dann würde etwa die Lärmbelastung in Einflugschneisen, die in erster Linie von den Tragflügeln der Jets und nicht von deren Motoren verursacht wird, entscheidend vermindert werden.

Die Natur liefert uns ein Beispiel: die Eule, die sich als einziger bekannter größerer Vogel lautlos in den Lüften bewegt. Es muss an der Beschaffenheit der Flügel liegen. Also hat Baumgartner an seinem Institut zwei frisch geschlüpfte Eulen, Happy und ihren Bruder Kasimir, großgezogen, und an die Laborsimulation gewöhnt. „Wir sind seit vier Jahren dran, haben erste Prototypen, die nicht so schlecht sind.“ Nur: Die 500 Gramm schwere Eule fliegt mit 30 bis 40 km/h. Wie setze ich das auf einen Jumbojet um?

Einfach die Natur kopieren kann man nicht, man muss die Prinzipien verstehen und abstrakt umsetzen. Ein Roboter muss demnach nicht gleich aussehen wie ein Mensch – und dennoch kann er ähnliche Aufgaben erfüllen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2010)

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