Wenn sich Spekulanten verspekulieren

Wenn sich Spekulanten verspekulieren
Wenn sich Spekulanten verspekulieren(c) Erwin Wodicka
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Selbst während der Finanzkrise fanden Hedgefonds Wege, um noch ordentlich Geld zu verdienen. Mit der Schuldenkrise können sie jedoch wenig anfangen.

Wer sein Geld in einen Hedgefonds steckt, erwartet Gewinne – egal ob die Aktien gerade steigen oder fallen. Mit Leerverkäufen, Hebeln und Termingeschäften stehen den Fonds schließlich alle Möglichkeiten offen. Dafür gelten sie als skrupellose Investoren, die auf der Jagd nach Profiten verbrannte Erde hinterlassen. Auch haftet ihnen der Ruf an, die Schuldenkrise zu verschärfen, indem sie gegen einzelne Länder oder gleich gegen den ganzen Euro „wetten“.

In letzter Zeit haben Hedgefonds jedoch eindrucksvoll bewiesen, dass sie nicht unfehlbar sind. Ganz im Gegenteil: Noch in der vergangenen Woche haben sie ihre Spekulation auf steigende Rohstoffpreise massiv ausgeweitet. Ihre Hoffnung bestand darin, dass die Notenbanken dieser Welt, allen voran die amerikanische Fed, mit Gelddruckprogrammen für Entspannung an der Konjunkturfront sorgen werden.

Die Währungshüter spielten jedoch nicht mit: Fed-Chef Ben Bernanke erteilte einem neuen Programm zum Kauf von Staatsanleihen vergangenen Mittwoch eine (vorläufige) Absage. Das und einige andere schlechte Nachrichten vom Arbeitsmarkt reichten, um die Rohstoffnotierungen auf Talfahrt zu schicken. Allein in den vergangenen sieben Tagen hat der „GSCI-Index“ von Standard & Poor's um drei Prozent nachgegeben. Von seinem Jahreshoch im Februar ist er jetzt mehr als 20 Prozent entfernt, womit alle Formalien für einen sogenannten „Bärenmarkt“ erfüllt sind. Dass sich die Rohstoffpreise schnell wieder erholen, darf also bezweifelt werden.

Politik „nicht vorherzusagen“

Überhaupt scheinen die Hedgefonds mit der gegenwärtigen Lage wenig anfangen zu können. Schon im Mai verloren sie im Schnitt drei Prozent, wie Daten von Bloomberg zeigen. Im vergangenen Jahr war es die klassische Aktienstrategie, die besonders schlecht abschnitt. Mit ihr verloren Anleger laut Hedge Fund Research im Schnitt 8,4 Prozent, obwohl sie dank möglicher Leerverkäufe auch bei fallenden Kursen Gewinne verspricht.

Bei ihrem jährlichen Treffen in Monaco („Gaim International“) diskutierte die Branche vergangene Woche daher vor allem, wie sie mit der Schuldenkrise umgehen sollte. „Es gibt sicherlich günstige Bewertungen“, sagte dort Ian Prideaux vom britischen Fondsanbieter Grosvenor Estates. „Aber es gibt viel politisches Risiko, das schwer – wenn nicht unmöglich – vorherzusagen ist.“

Weil die meisten Fonds in London oder den USA sitzen, nehmen sie bei Investments in der Eurozone ein Währungsrisiko auf sich. Auch das bereitet ihnen Kopfzerbrechen, denn wegen dem Schlingerkurs der europäischen Staatschefs kann sich kaum einer ein Bild davon machen, wie es mit der Gemeinschaftswährung weitergeht. So lange sich daran nichts ändert, werden die Hedgefonds wohl einen Bogen um Europa machen – so der Tenor in Monaco.

Wirbelsturm statt Eurokrise

In den Fokus rücken daher Anlagestrategien, die mit dem gegenwärtigen Umfeld so wenig wie möglich zu tun haben. Ein Investor erzählte, wie er mit dem Handel von Elektrizität zweistellige Erträge erzielt habe. Eine weitere exotische Strategie besteht darin, gegen chinesische Unternehmen zu spekulieren, die gerade mit Korruptionsskandalen kämpfen.

Auch „Katastrophenanleihen“ erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Dabei übernimmt der Investor die Rolle einer Versicherung und kauft eine Anleihe, die regelmäßige Zinsen abwirft. Ob er das eingesetzte Kapital wiedersieht, hängt davon ab, ob eine bestimmte Naturkatastrophe, etwa ein Tornado oder ein Tsunami, eintritt oder nicht. Der größte Vorteil dieser Anlageklasse: Mit Krisengipfeln und Konjunkturdaten hat sie nicht das Geringste zu tun.

Nur wenige lassen sich von der verworrenen Lage auf dem alten Kontinent nicht abschrecken. Zu ihnen gehört George Elliott, Gründer des Hedgefonds Naftilia Asset Management. Der Investmentbanker, der zuvor bei der Société Générale gearbeitet hat, will ausgerechnet mit griechischen Aktien Geld verdienen. 18 Monate habe er damit verbracht, Bilanzen zu studieren und Kontakte zu knüpfen.

„Wenn Griechenland im Euro bleibt, werden sich unserer Ansicht nach unglaubliche Investment-Gelegenheiten bieten“, ist Elliott überzeugt. Und wenn das Land zur Drachme zurückkehrt, könne er die Aktien an der Athener Börse noch günstiger kaufen. Angeblich hat sein Fonds bereits 50 Mio. Euro eingesammelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2012)

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