Birgit Kuras: "Mit Faymann konnte ich nicht reden"

Birgit Kuras Faymann konnte
Birgit Kuras Faymann konnte c Die Presse Clemens Fabry
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Börsenvorstand Birgit Kuras spricht im Interview mit der "Presse" über schädliche Steuern, Schadensbegrenzung und Politiker, denen die Bedeutung der Börse bewusst ist.

Die Presse: Im Zuge der Finanzkrise sind die Handelsumsätze an der Wiener Börse um bis zu 50 Prozent zurückgegangen. Ist die Börse noch zu retten?

Birgit Kuras: Ich bin seit Frühjahr im Vorstand der Börse. Und so schlimm, wie sie vielfach dargestellt wird, ist die Situation nicht. Seit Jahresbeginn ist der Leitindex ATX gestiegen. Und auch mit den Umsätzen geht es wieder aufwärts.

Hat die Wiener Börse das Schlimmste überstanden?

Ja, davon bin ich überzeugt. Der monatliche Aktienumsatz hat im Juli 2012 mit 2,29 Milliarden Euro den Tiefpunkt erreicht, seitdem sehen wir einen Anstieg. Im Oktober lag der Umsatz schon bei 2,73 Milliarden Euro.

Was sind die Gründe für den Anstieg?

Hohe Umsätze haben wir, wenn die Aktien stark fallen oder steigen. Und jetzt ist das Interesse der Investoren zurückgekehrt. Die an der Wiener Börse gelisteten Unternehmen haben einen starken Osteuropa-Fokus. Und nun sagen alle Analysten der Welt, dass der Osten ein höheres Wachstumspotenzial hat als Westeuropa.

Das heißt, man sollte jetzt österreichische Aktien kaufen?

Ganz hat sich die Zuversicht noch nicht durchgesetzt. Vor allem amerikanische Investoren sind weiterhin skeptisch, was Osteuropa betrifft. Von den fundamentalen Daten stehen viele Länder im Osten aber weitaus besser da als jene im Westen. In Osteuropa ist die Staatsverschuldung wesentlich niedriger als in Westeuropa.

Wann wird der ATX den Höchststand aus dem Jahr 2007 erreichen?

Das wird sicher noch lange dauern.

Aber viele andere Börsen haben schon fast wieder einen Höchststand erreicht...

Hier muss man eines bedenken. In Österreich ist der ATX vor der Krise wesentlich stärker gestiegen als beispielsweise der deutsche Leitindex DAX. Vor 2007 gab es in Österreich eine unglaubliche Osteuropa-Euphorie. Dies führte an der Börse zu einem ungewöhnlich starken Anstieg. Im Zuge der Finanzkrise sind die Kurse in Wien viel tiefer gefallen als in Deutschland.

Wo setzen Sie Ihre Arbeitsschwerpunkte?

Ich habe zum Beispiel Vertreter aller Parteien besucht. Hier geht es um Meinungsbildung. Denn der Kapitalmarkt ist für eine funktionierende Wirtschaft unverzichtbar. Uns geht es nicht ums Zocken. Ohne die Börse wäre die Ostexpansion der österreichischen Wirtschaft mit den vielen Arbeitsplätzen nicht möglich gewesen.

Waren Sie auch bei Kanzler Werner Faymann?

Das war der Einzige, mit dem ich nicht reden konnte. Ich habe mit Staatssekretär Josef Ostermayer gesprochen.

Ist der SPÖ die Bedeutung der Börse bewusst?

Ich war bei sehr vielen Politikern. Allen, auch den Sozialdemokraten, ist die Bedeutung des Kapitalmarktes klar. Nur zwischen Verstehen und einer aktiven Unterstützung liegt ein breiter Weg. Noch ist dieser Fluss nicht übersprungen.

Wird die Regierung noch in dieser Legislaturperiode Maßnahmen zur Belebung der Börse setzen?

Jetzt geht es um Schadensbegrenzung. Denn in Österreich heißt es nach wie vor, die Börse ist ein Tummelplatz von Zockern und Spekulanten. Die von der Regierung eingeführte Kursgewinnsteuer auf Aktien hat uns massiv geschadet.

Wie kann man den Schaden begrenzen?

Das nächste Thema ist die Finanztransaktionssteuer. Hier ist es uns wichtig, dass nur außerbörsliche Transaktionen besteuert werden.

Wer ist Schuld an der Talfahrt der Börse? In erster Linie die Politik?

Österreich ist ein kleines Land. In der Schweiz hat allein Nestlé eine Marktkapitalisierung von 170 Milliarden Euro, alle in Wien gelisteten Unternehmen kommen auf 60 bis 70 Milliarden Euro. In Krisenzeiten ziehen sich internationale Investoren schneller aus kleinen Märkten zurück. Daher ist der ATX im Vergleich zu anderen Ländern stärker gefallen. Aber es gibt natürlich viele Maßnahmen der Regierung, die kapitalmarktfeindlich sind.

Wo steht die Börse in fünf Jahren?

Wir werden mehr Unternehmen an der Börse haben. Es ist ja noch vieles zu privatisieren. Der Staat ist hinsichtlich der Verschuldung an seinen Grenzen angelangt. Daher werden Privatisierungen zwar nicht mehr in dieser Legislaturperiode, aber später ein Thema werden. Auch sonst wird die Börse immer wichtiger. Denn Firmenkredite werden teurer, weil die Banken für sie mehr Eigenkapital hinterlegen müssen.

Vor Kurzem gab es den Vorschlag, dass die Wiener Börse auch einen West-ATX bilden soll mit Firmen, die nicht nur in Osteuropa, sondern international tätig sind, wie Kapsch, Rosenbauer oder SBO.

Das ist eine vernünftige Idee. Wir prüfen das. Aber das Thema Research ist wichtig. Internationale Analysten sehen sich nur die großen Unternehmen an, bei den kleineren Firmen sieht es sehr schlecht aus. Und ohne Research bleiben die Investoren aus. Das ist eine Spirale nach unten.

Was wollen Sie dagegen tun?

Hier gibt es mehrere Optionen. Es kann sein, dass Unternehmen dazu etwas beitragen oder dass es eine Unterstützung von Interessensvertretungen gibt.

Sind Analysten dann noch unabhängig?

Unternehmen zahlen doch auch für Wirtschaftsprüfer. Aber natürlich werden wir Interessenskonflikte berücksichtigen.

Wird es 2013 Börsengänge geben?

Es besteht ein großes Interesse heimischer Unternehmen, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Tendenziell sehe ich Börsengänge eher erst im zweiten Halbjahr 2013, wobei es auch sehr schnell gehen kann, sobald es einen Eisbrecher gibt. Wir brauchen einen solchen Eisbrecher.

Auf einen Blick

Birgit Kuras (Jahrgang 1957) sitzt seit März dieses Jahres im Vorstand der Wiener Börse. Zuvor war sie zehn Jahre lang bei der Raiffeisen Centrobank beschäftigt. Von 1984 bis 2002 arbeitete die studierte Betriebswirtin bei der Raiffeisen Zentralbank. Seit 1987 ist Kuras Vorstandsmitglied bei der Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung (ÖVFA).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2012)

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