Salzburg hatte 253 nicht gemeldete Derivate

Salzburg nicht gemeldete Derivate
Salzburg nicht gemeldete Derivate(c) APA (Barbara Gindl)
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Salzburg hatte neben den offiziellen 50 noch weitere Derivatgeschäfte laufen, die aber mittlerweile aufgelöst wurden. Sie waren bisher nicht bekannt.

Neuer Paukenschlag im Salzburger Finanzskandal: Am Mittwoch wurde bekannt, dass das Land Salzburg neben den offiziellen 50 Derivatgeschäften noch 253 Derivatgeschäfte laufen hatte, von denen bisher nichts bekannt war. Das gab VP-Landeshauptmann-Stellvertreter Wilfried Haslauer in der Landtagsdebatte zum Salzburger Finanzskandal bekannt. "Eine zum Wochenende durchgeführte Erhebung bei allen Banken, mit denen das Land Salzburg in den letzten Jahren in Geschäftsverbindung stand, hat ergeben, dass zusätzliche 253 Derivatgeschäfte existieren, die von der Portfolio-Rechenstelle der Deutschen Bank in Frankfurt nicht gemeldet worden sind." Haslauer habe davon selber am Dienstag erfahren. Jener Beamte, der diese Geschäfte entdeckt hatte, habe SP-Finanzreferent David Brenner aber bereits am 15. Oktober davon in Kenntnis gesetzt. Brenner habe die anderen Parteien nicht darüber informiert.

Der beschuldigte Brenner hat mittlerweile gekontert. Bei der Besprechung am 15. Oktober habe der Finanzreferent den Auftrag erteilt, die 253 Derivatgeschäfte aufzulösen unter der Maßgabe, dass dem Land Salzburg kein Schaden dadurch entstehe, sagtes ein Sprecher. Dies sei inzwischen geschehen, alle Geschäfte seien aufgelöst worden. Daher seien in einer Anfragebeantwortung Brenners vom 16. November diese Geschäfte auch nicht mehr aufgeschienen, weil sie gar nicht mehr existiert hätten.

Unterdessen meldet sich Wifo-Chef Karl Aiginger zu Wort und befürwortet die externe Prüfung der Salzburger Landesfinanzen, unter anderem durch den Rechnungshof. VP-Finanzministerin Maria Fekter hatte angekündigt, dass eine "Troika" zur Prüfung der Landesfinanzen demnächst starten werde. Aiginger empfahl den Gemeinden und Ländern die Expertise der staatlichen Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) in Anspruch zu nehmen. Die Gemeinden würden dies früher oder später tun, auch wenn damit ein Machtverlust einhergehe, sagte Aiginger zur APA.

Schulden könnten sich um 40 Prozent erhöhen

Sollten die im Raum stehenden Spekulationsverluste von 340 Millionen Euro voll schlagend werden, würde das den Schuldenstand des Landes Salzburg mit einem Schlag um fast 40 Prozent erhöhen. Derzeit steht das Land mit 886,7 Millionen Euro in der Kreide. Allerdings soll der Schuldenstand laut aktueller Finanzplanung auch ohne zusätzliche Spekulationsverluste bis 2014 auf 1,05 Milliarden Euro ansteigen.

Das Risiko des Landes aus seinen Finanzgeschäften könnte allerdings noch deutlich höher als die erwähnten 340 Millionen Euro sein. Davon geht zumindest das Wiener Beratungsunternehmen Collatio aus, das seine Dienste von Spekulationsgeschäften betroffenen Gemeinden anbietet. Geschäftsführer Rainer Stich hält einen Verlust von bis zu 1,7 Milliarden Euro für möglich. Aufgrund der bisherigen Informationen schließt Stich auf einen aktuellen Nettoverlust von 200 Millionen Euro. Die Marktentwicklung der den Salzburger Veranlagungen zugrunde liegenden Geschäfte lege nahe, dass die Verluste ab 2005 entstanden und im Jahr 2008 aus dem Ruder gelaufen seien, meinte Stich am Mittwoch. Außerdem geht er davon aus, dass die involvierten Banken geschätzte 34 Millionen Euro an den Salzburger Geschäften verdient haben.

Finanzbeamtin "zu 100 Prozent unschuldig"

Derivate

Zuvor hatte am Dienstagabend Herbert Hübel, der Anwalt jener Salzburger Finanzbeamtin, die Buchschulden des Landes Salzburg in der Höhe von 340 Millionen Euro verursacht haben soll, seine Mandantin verteidigt: "Meine Mandantin ist zu 100 Prozent unschuldig. Sie hatte für alle ihre Geldgeschäfte Vollmachten seitens ihrer Vorgesetzten in der Finanzabteilung des Landes. Ich rechne nicht einmal mit einer Anklage." "Derivate" ist ein Sammelbegriff für Termingeschäfte. Diese setzen auf den zukünftigen Preis bzw. Kurs von Gütern, Wertpapieren, Währungen oder Zinsen.

"Meine Mandantin hat nicht einen Cent für sich genommen. Von persönlicher Bereicherung kann also nicht die Rede sein. Sie hat absolut nichts Verbotenes zu verantworten. Daher gibt es auch kein Motiv, sie hat nur ihren Job gemacht, für den sie angestellt war", argumentierte Hübel. Es habe regelmäßige Jour Fixe Treffen gegeben: "Sowohl die Vorgesetzten meiner Mandantin als auch die Politik waren seit langem über alle Finanzgeschäfte informiert". Ein "Geständnis" habe die Beamtin "logischerweise" nicht abgelegt.

"Juristisch ist eine Menge falsch gelaufen"

Dienstagnachmittag sei seiner Mandantin die Entlassung aus dem Landesdienst zugestellt worden, berichtete Hübel. "Die ist erstens sachlich ungerechtfertigt und zweitens kommt sie viel zu spät. Denn eine Entlassung muss unverzüglich ausgesprochen werden. In diesem Fall hat man meiner Mandantin im Juli gesagt, sie brauche nicht mehr zur Arbeit zu kommen und ihr ein Burn-out angedichtet, das sie aber gar nicht hat. Juristisch ist da eine Menge falsch gelaufen. Aber all das wird ans Tageslicht kommen", sagte der Anwalt.

(APA)

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