Liquiditätspuffer: Banken können sich mehr Zeit lassen

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Der Baseler Ausschuss hat die neuen Liquiditätsvorschriften für Banken gelockert und gibt den Instituten für deren Erfüllung länger Zeit.

Basel/red./ag. Die strengen Kapitalvorschriften, die die Banken für die nächste Finanzkrise widerstandsfähiger machen sollen, werden nun aufgeweicht. Außerdem haben die Geldinstitute vier Jahre länger Zeit, um diese Vorschriften zu erfüllen. Das hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht Sonntagabend beschlossen.

Ursprünglich hätten die Banken die festgelegte Mindestliquiditätsquote bis 2015 erfüllen sollen. Jetzt reicht zu diesem Zeitpunkt eine 60-prozentige Erfüllung der Quote. Voll aufgefüllt müssen die Liquiditätspuffer erst 2019 sein. Bis dahin sollte sich die nächste Finanzkrise also möglichst Zeit lassen.

Zudem werden die ursprünglich strengen Bestimmungen für die Instrumente, die zur Liquiditätsquote gerechnet werden dürfen, gelockert: Neben Staats- und Firmenanleihen werden nun auch Hypothekenpapiere anerkannt. Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen sogar Aktien zur Liquiditätsreserve gerechnet werden.

Kreditklemme hätte gedroht

Der Grund für die Änderung der Bestimmungen: Bankenaufseher und Politiker haben befürchtet, dass der zu schnelle Aufbau der „Krisenpuffer“ die Banken überfordern könnte. Würden Mittel in zu hohem Ausmaß für den Aufbau dieser Reserven verwendet, dann müsste die Kreditvergabe deutlich eingeschränkt werden. Dies würde die ohnehin matte Konjunktur unnötig weiter abbremsen.

„Die Übergangsfrist wird sicherstellen, dass der neue Liquiditätsstandard auf keinen Fall die Fähigkeit des globalen Bankensystems beeinträchtigen wird, die konjunkturelle Erholung zu finanzieren“, kommentierte der britische Notenbankchef Mervyn King die Einigung. 2015 als Zieldatum wäre tatsächlich ziemlich knapp geworden. Nach Angaben des Ausschusses fehlten den großen Instituten weltweit im Vorjahr noch 1800 Mrd. Dollar an liquiden Mitteln zur Erfüllung der Quote. Zwei Drittel dieser Kapitallücke tat sich bei den europäischen Banken auf.

Mit den Liquiditätsvorschriften haben die Regulierer die Lehren aus dem Finanzcrash 2008 gezogen. Damals sind viele Institute (etwa Lehman Brothers in den USA und Northern Rock in Großbritannien) daran gescheitert, dass sie sich auf „austrocknenden“ Märkten kein Geld mehr beschaffen konnten bzw. dass Kunden sehr schnell große Summen abgezogen haben. Der jetzige Liquiditätspuffer soll dafür sorgen, dass Banken ohne Geldzufuhr von außen 30 Tage lang überleben können.

Bei einer wirklich schweren Krise wie jener im Jahr 2008 ist das allerdings Theorie: Damals mussten die Notenbanken Billionen von Dollar und Euro in das Finanzsystem pumpen, um es am Leben zu erhalten. Die übliche Geldquelle – Ausleihungen bei anderen Banken – war wegen der allgemeinen Verunsicherung nämlich völlig versiegt.

EU-Parlament berät

Die neuen Bestimmungen werden am Donnerstag diese Woche freilich noch Thema im Europaparlament sein. Der zuständige Chefverhandler des Europaparlaments, Othmar Karas, sagte am Montag dazu, es gebe „keinen Automatismus“ bei der Übernahme der neuen Bestimmungen.

Das Europaparlament und die EU-Ratspräsidentschaft haben erst im vergangenen Dezember vereinbart, dass die volle Erfüllung der strengeren Liquiditätsvorschriften 2015 erfolgen solle. Allerdings müsse jetzt eine Balance zwischen Bankenstabilität und Wachstumsfinanzierung hergestellt werden, so Karas.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2013)

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