Geldpolitik: Leitzinsen verharren auf Rekordtief

Geldpolitik Leitzinsen verharren Rekordtief
Geldpolitik Leitzinsen verharren Rekordtief(c) EPA (BORIS�ROESSLER)
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Die Wirtschaft der Eurozone könnte langsam in Schwung kommen, sagt der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi. Abwärtsrisken bleiben aber bestehen.

Wien/Bloomberg/Red. Der Euroraum habe das Schlimmste hinter sich. Und bestimmte Indikatoren würden bestätigen, dass sich die Wirtschaft zu stabilisieren beginnt. Das sagte der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, am gestrigen Donnerstag. Dem Tag der Zinssitzung der Notenbank.

Doch ändern wird sich an der Politik der EZB deshalb nichts. Die Zinsen werden nicht angehoben, obwohl dies vor allem dem Zugpferd Europas, Deutschland, guttäte. Selbst Kanzlerin Angela Merkel wagte sich in dieser Angelegenheit bereits vor und forderte im April auf einer Tagung höhere Zinsen für die Bundesrepublik ein. Doch während die deutsche Wirtschaft angesichts niedriger Zinsen überhitzen könnte, profitieren die krisengeplagten Südländer von dem niedrigen Zinsniveau.

Der Leitzinssatz bleibt daher da, wo er ist, bei historischen 0,5 Prozent. Erst im Mai hatte die EZB den Zinssatz auf diesen Wert gesenkt. Sind die Zinsen gering, so schiebt dies in der Theorie die Investitionen und folglich auch die Wirtschaft an. Doch bisher hat das nicht wirklich funktioniert, da sich die Banken mit der Kreditvergabe zurückhalten und das billige Geld der Notenbanken horten oder bei der EZB parken.

Bis 2014 wird der Zinssatz nun aber auf einem niedrigen Niveau verharren, wie Draghi sagte. Die Zinsen werden „für einen längeren Zeitraum auf dem aktuellen Niveau oder darunter liegen“, lautete der genaue Wortlaut des Notenbankers.

Der oberste Währungshüter zeigt sich zurückhaltend, weil die „Abwärtsrisken für das Wachstum überwiegen“, wie er sagt. Auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibe weiterhin kritisch. Die Zahl der Arbeitslosen in der Eurozone ist im Juni jedoch gesunken, erstmals seit April 2011. Die Arbeitslosigkeit bleibt allerdings weiterhin hoch – bei einem Rekordwert von 12,1 Prozent. Ökonomen rechnen vorerst jedenfalls weder mit Zinsschritten noch mit anderen geldpolitischen Maßnahmen.

Neben den geldpolitischen Maßnahmen stand zuletzt auch die Kommunikationsstrategie der EZB im Fokus: Führende Notenbanker schürten die Hoffnung auf mehr Transparenz in der Zentralbank. Anfang der Woche hatten die Direktoriumsmitglieder Benoît Coeuré und Jörg Asmussen angeregt, die bisher geheimen Protokolle der Ratssitzungen zu veröffentlichen, die bisher 30 Jahre unter Verschluss liegen. Draghi befürwortet diesen Vorschlag, der in der EZB allerdings noch diskutiert und entschieden werden muss.

Bei vielen wichtigen Notenbanken kann die Öffentlichkeit bereits jetzt Protokolle einsehen.

Keine Geldspritzen in England

Auch die Bank of England hat sich am gestrigen Donnerstag dazu entschieden, den Leitzinssatz von 0,5Prozent nicht anzutasten. Auch das Anleihenkaufprogramm werde nicht ausgeweitet, wie der neue Chef der Bank of England, Mark Carney, mitteilte.

Wie lange die Zinsen so tief bleiben, darüber ließ Carney die Märkte noch im Unklaren. Mehr Gewissheit dürfte allerdings die kommende Woche bringen. Am Mittwoch werden Konjunkturprognosen präsentiert. Experten gehen davon aus, dass sich die Notenbank dann in die Bücher schauen lassen wird – und im Voraus ihre Strategie festlegt. Laut UniCredit-Experte Andreas Rees könnte die Bank of England künftig dem Vorbild der US-Notenbank Fed folgen und Schwellenwerte etwa bei Inflation oder Arbeitslosigkeit festlegen, ab der sie dann aktiv werden könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2013)

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