Selbstbestimmung oder Schutzbedürfnis?

Ob man für Partnerschaften ohne Trauschein mehr Regeln schaffen sollte, darüber sind die Ansichten geteilt. Fakt ist, dass laut Judikatur oft der Schwächere draufzahlt.

Wien. Beim Symposium „Lebensgemeinschaften“, das die Österreichische Gesellschaft für Familien- und Vermögensrecht kürzlich im Justizministerium veranstaltete, ging es nicht nur um den Status quo. Sondern auch um Rechtspolitisches: Soll der Gesetzgeber auch für das nicht eheliche Zusammenleben mehr Regelungen treffen, als es – etwa im Sozialversicherungs-, Miet- und Steuerrecht – jetzt schon gibt?

Dass das bis zu einem gewissen Grad nötig wäre, um den wirtschaftlich schwächeren Partner zu schützen, darüber waren sich die Diskutanten weitgehend einig. Wie weit das aber gehen soll, darüber divergierten die Meinungen stark. Denn wenn man nicht heiratet, kann der Grund dafür ja auch sein, dass man die Rechtsfolgen der Ehe eben gerade nicht will – und genauso wenig eine „Ehe light“. Constanze Fischer-Czermak, Vorständin des Instituts für Zivilrecht an der Uni Wien, warnte denn auch vor Bestrebungen, die in diese Richtung gehen: „Es gibt genug Lebensgemeinschaften, bei denen eine solche Bindung gar nicht gewollt ist. Denen sollte man nichts aufzwingen.“ Regelungsbedarf zum vermögensrechtlichen Schutz des Schwächeren sieht sie dennoch – vor allem, wenn die Partner sich trennen.

Man sollte „schauen, wo es Schutzlücken gibt“, ansonst aber Vorsicht walten lassen, meinte auch Georg Kathrein, Leiter der Zivilrechtssektion im Justizministerium. Notarsubstitut Hannes Schäffer wies darauf hin, dass auch jetzt vieles vertraglich geregelt werden kann, davon aber zu wenig Gebrauch gemacht wird.

„Oft keine freie Entscheidung“

Skeptischer in Sachen Selbstbestimmung zeigte sich Rechtsanwalt Norbert Marschall: Dass es die freie Entscheidung beider Partner sei, nicht zu heiraten, stimme oft nicht. „Sondern nur einer von beiden will keine Ehe. Und der will dann meist auch keine vertraglichen Vereinbarungen.“ Marschall plädierte für eine relativ weitgehende Verrechtlichung der Lebensgemeinschaft, allerdings mit einer Opt-out-Möglichkeit – ein Modell, das es in manchen Ländern bereits gibt.

Astrid Deixler-Hübner, Leiterin des Instituts für Zivilverfahrensrecht an der Uni Linz, weist auf eine besondere Problematik bei der Auflösung von Lebensgemeinschaften hin: Die Judikatur geht unter bestimmten Voraussetzungen davon aus, dass die Partner eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesBR) gebildet haben. Und zwar dann, wenn sie einen gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck verfolgt haben. Das kann eine gemeinsame berufliche Tätigkeit sein, aber etwa auch der Bau eines Hauses.

Hat eine GesBR bestanden, ist man rechtlich bessergestellt, wenn man für Leistungen, die man während der Partnerschaft erbracht hat, Ansprüche geltend machen will. Dabei kommt es aber auf Kriterien an, die oft schwer beweisbar sind: zum Beispiel, ob bei der Verfolgung des gemeinsamen wirtschaftlichen Ziels beide Partner gleichberechtigt waren oder nicht. „Bestand ein Über- und Unterordnungsverhältnis, kann sich der untergeordnete Teil nicht auf die günstigeren Bestimmungen der GesBR berufen“, sagt Deixler-Hübner. Der Schwächere zahlt also bei der Trennung drauf. Ihm bleibt dann nur das sogenannte Bereicherungsrecht, um Ansprüche geltend zu machen.

Dieses hat eine spezielle Tücke: Ansprüche kann man nur für Leistungen geltend machen, die dem anderen Partner auch nach der Trennung Nutzen bringen. Renoviert jemand etwa die Wohnung seiner Partnerin, in der Annahme, er werde weiterhin dort leben, kann er nach der Trennung eine Abgeltung verlangen. Kommt „sie“ für alle Kosten des täglichen Lebens auf, zahlt allein Miete und Autoversicherung und führt den Haushalt, zählt das dagegen nicht – es fehlt der dauerhafte Nutzen.

All das sei fragwürdig, sagt Deixler-Hübner. „Es kann rechtspolitisch nicht wünschenswert sein, dass man solchen Zufälligkeiten der Beweisbarkeit und der Lebensumstände ausgesetzt ist. Da sollte es gesetzliche Vorgaben geben, auf die man sich einstellen kann.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2014)

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