Growth - Value: Geduld ist wieder gefragt

Während Börsenflauten sind Fonds mit „Value“-Strategie beliebter.

Wien. In der Theorie teilen sich Fondsmanager in zwei Klassen: solche, die einen Value-Ansatz verfolgen, und solche, die auf eine Growth-Strategie setzen.

Beim Value-Ansatz kauft man unterbewertete Aktien von Unternehmen mit stabiler Gewinnsituation und wartet, bis die Kurse das Ziel erreicht haben, das die Aktie seiner Meinung nach verdient. Beim Growth-Ansatz erwirbt man vor allem Papiere aus Branchen, denen man in der nächsten Zeit starkes Wachstum zutraut, etwa solche von Technologie-Firmen. Oder man setzt auf Unternehmen, die kurz vor einer Übernahme stehen, was normalerweise den Kurs treibt, aber auch riskant ist, falls die Übernahme doch nicht erfolgt. Growth-Fonds erfreuen sich üblicherweise in guten Börsenzeiten höherer Beliebtheit, Value-Fonds in schwächeren Zeiten, weil sie defensive Titel enthalten. Soweit die Theorie.

In der Praxis wollen sich viele Fondsmanager nicht mehr zuordnen lassen. „Was früher Value war, ist heute oft Growth geworden“, erklärt Lucian Rehm, Sprecher von Pioneer Investments Austria. So waren Pharmaaktien früher defensive Werte, die stabile, regelmäßige Gewinne versprachen. Heute sind Pharma-Unternehmen aber vielfach auch in Bereichen wie Biotechnologie tätig. Und das ist eine Wachstumsbranche.

Umgekehrt ist etwa Microsoft kein reiner Technologiekonzern mehr, sondern ein Mischkonzern, der in vielen Bereichen stabile Cash-flows erzielt. Ähnlich verhält es sich mit Finanzwerten wie Versicherern, meint Rehm: „Alle Unternehmen müssen wachsen.“

Fünf Jahre warten

Einen klaren Value-Ansatz verfolgt man dagegen bei Franklin Templeton Austria. Dort setzt man auf Aktien mit niedrigem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), niedrigem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), hohem Cash-Flow und hoher Dividendenrendite– also solche Titel, deren Kurse fundamental unterbewertet scheinen. Bis der Markt diese Werte entdeckt, dauert es aber manchmal Jahre.

„Unser Horizont umfasst im Schnitt fünf Jahre“, sagt Franklin-Templeton-Austria-Geschäftsführer Martin Linsbichler. „Wenn wir sehen, dass sich ein Titel gut entwickelt, verkaufen wir auch früher.“ Growth-Investoren „drehen“ ihre Aktien dagegen ein bis zwei Mal im Jahr. Ein Nachteil, mit dem Value-Fonds zu kämpfen haben: „Man braucht viel Geduld und muss das auch dem Endkunden vermitteln.“ Langfristig werfen Value-Fonds bessere Rendite ab.

Die Werte, in die Franklin Templeton seit zwei Jahren investiert, finden sich häufig in den Branchen Telekom, Technologie, Gesundheitswesen oder Medien– „also frühere Wachstumsbranchen“, stellt Linsbichler fest. Von Rohstoffwerten habe man zuletzt eher die Finger gelassen. „Da war viel Spekulation drin.“

Auch Jens Moestrup Rasmussen von der Sparinvest in Luxemburg hatte in den neunziger Jahren auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase Erklärungsbedarf. „Ich galt als einer, die nichts vom Markt versteht, weil ich auf einen Value-Ansatz gesetzt und auf so hohe Renditen verzichtet habe“, erzählt er. Dann platzte die Dotcom-Blase, und Rasmussen galt als dänischer Warren Buffet. Risiko geht er nach wie vor nicht so gern ein, in Schwellenländern ist er kaum investiert. Der Fondsmanager kauft Aktien dann, wenn sie mindestens 40 Prozent unter dem von ihm geschätzten inneren Wert liegen. Haben sie diesen Wert erreicht, werden sie verkauft. „An die Growth-Investoren“, sagt Rasmussen. Meist dauert es drei bis fünf Jahre, bis der innere Wert erreicht ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2008)

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