Mittelstandsfinanzierung: Im Ansatz gut, im Detail umstritten

(c) Www.BilderBox.com (Www.BilderBox.com)
  • Drucken

Ein Gesetzesentwurf soll neue Rechtsgrundlage für Investmentgesellschaften schaffen.

Risikokapital als Finanzierungsalternative für Unternehmen wäre im Moment wichtiger denn je, steckt aber in Österreich noch in den Kinderschuhen. Laut dem aktuellen EVCA Yearbook – die EVCA ist der europäische Dachverband der Risikokapitalgeber – machte der Anteil solcher Finanzierungen am heimischen BIP im Vorjahr nur 0,094 Prozent aus. Österreich landete damit im europäischen Vergleich an vorletzter Stelle und ließ nur Ungarn hinter sich.

Jürgen Marchart, Managing Director der österreichischen Interessenvertretung AVCO (Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation), führt das primär auf das Fehlen geeigneter rechtlicher Rahmenbedingungen zurück. Das deckt sich mit dem Ergebnis einer neuen EVCA-Studie über die rechtlichen und steuerlichen Voraussetzungen für Private Equity (PE) in Europa. Österreich gehört zwar nicht zu den Schlusslichtern, erreichte aber nur eine Note knapp unter dem Durchschnitt.

Viele Restriktionen

Zwar gibt es jetzt wieder eine Rechtsgrundlage für Beteiligungsgesellschaften: Die novellierte Fassung des Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften-Gesetzes (MiFiGG), das unter bestimmten Voraussetzungen eine Körperschaftsteuerbefreiung von Beteiligungsgewinnen vorsieht, ist seit 21. Juni in Kraft. Diese Regelung ist aber sehr restriktiv, weil sie sich an der EU-Leitlinie für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen in KMU orientiert. Steuervorteile gelten als solche Beihilfen, die EU erlaubt sie nur unter eng gefassten Bedingungen. „Vor allem die kurzen Übergangsfristen bringen die heimischen Fonds in arge Bedrängnis“, so Marchart. „Und Gesellschaften, die sich im Fundraising oder in Gründung befinden, flüchten in attraktivere ausländische Strukturen.“ Es entstehe die groteske Situation, dass „österreichisches Kapital diskriminiert ist, wenn es über österreichische Fonds in heimische KMU fließen soll“. Dagegen könne über Auslandsfonds problemlos investiert werden.

Zusätzlich zum MiFiGG gibt es einen Entwurf für ein „Kapitalmarktstärkungs- und Innovationsgesetz“, das – wie von der Branche schon lange gefordert – eine neue Basis für österreichische Beteiligungsgesellschaften schaffen soll. Dieser Entwurf liegt aber aufgrund der Neuwahlen auf Eis. Und enthält außerdem, so Marchart, „zwar sehr gute Ansätze, die aber quasi durch die Hintertür wieder zunichtegemacht werden“. Positiv sei, dass als Rechtsform für die neuen Investmentgesellschaften sowohl Aktiengesellschaft als auch Kommanditgesellschaft zulässig sein sollen. Auch am steuerrechtlichen Teil sei im Prinzip nichts auszusetzen – er sieht vor, dass Beteiligungsgewinne von der Körperschaftsteuer befreit sind und Beteiligungsverluste nicht steuerlich geltend gemacht werden können. Davon abgesehen sei aber auch dieses Gesetz zu restriktiv. So werde das gesamte Buyout-Geschäft ausgeschlossen, das oft der Unternehmensnachfolge dient und über 60 Prozent der heimischen PEInvestitionen ausmacht. Die Transparenzbestimmungen sind der AVCO ebenfalls ein Dorn im Auge. Vorgesehen ist, dass die Gesellschaften viermal jährlich einen detaillierten Bericht veröffentlichen müssen. Das verursache enormen Aufwand, und sensible Daten der finanzierten Unternehmen würden dadurch anderen Marktteilnehmern zugänglich.

„Noch Praktiker anhören“

Auch Gregor Nischer, Geschäftsführer des M&A-Advisors MP Corporate Finance, hofft, dass zu dieser „an sich sehr guten Gesetzesinitiative noch Praktiker gehört werden“. In seiner jetzigen Fassung schaffe der Entwurf ein so enges Korsett, dass „es nur wenigen gelingen wird, alle Bedingungen zu erfüllen“. Vor allem für bestehende Gesellschaften sei es schwer, sich da hineinzuzwängen. Für Österreich bringe das einen Standortnachteil: „Die Investoren gehen dorthin, wo sie die besten Rahmenbedingungen finden“.

Von Rechtsexperten kommt ebenfalls Zustimmung zur Intention des Gesetzes, aber Kritik an Details. „Nach der jetzigen Definition ist offen, ob von der steuerlichen Sonderregelung auch Expansionsfinanzierungen erfasst sind“, so Rechtsanwalt Andreas Zahradnik, Partner bei Dorda Brugger Jordis und österreichisches Mitglied im Tax and Legal Committee der EVCA. Die Rechtsunsicherheit könnte zur Folge haben, dass „womöglich erst nach Jahren ein Finanzamt feststellt, dass die getätigten Investitionen doch nicht unter die Regelung fallen und Steuern nachgezahlt werden müssen“. Ein Risiko, auf das sich Investoren kaum einlassen werden.

Der Experte kritisiert auch, dass keine Befreiung von der einprozentigen Gesellschaftsteuer vorgesehen ist. „Man zahlt zweimal: Wenn das Geld in den Fonds fließt und wenn es in die Beteiligung fließt.“ Das sei eine „Strafe“ für die Eigenkapitalbildung. Außerdem seien die Regeln für die Auswahl der Fondsmanager zu restriktiv. So ist es ein Ausschlussgrund, wenn ein Unternehmen, auf das der betreffende Manager „maßgebenden Einfluss“ hatte, in Konkurs gegangen ist. „Das würde erfahrene Sanierungsmanager ausschließen“, so Zahradnik. Es fehle eine Differenzierung zwischen fahrlässig herbeigeführter Insolvenz und Fällen, in denen den Manager kein Verschulden trifft.

Die Transparenzvorschriften hält auch er für überschießend: „Offenlegungspflichten gegenüber den Investoren machen Sinn, aber warum gegenüber der Öffentlichkeit?“ Für Privatanleger kommen ohnehin höchstens börsennotierte Aktiengesellschaften infrage – und für die gelten die Transparenzpflichten des Börsengesetzes. Praxisfremd sei außerdem die Regelung, dass Investmentgesellschaften ihre Vermögenswerte bei einer Depotbank in Verwahrung geben müssen. In Österreich sind rund 90 Prozent der Beteiligungen GmbH-Anteile, und die sind nicht verbrieft und können deshalb auch nicht „verwahrt“ werden.

Drohen Notverkäufe?

Claus Staringer, Steuerexperte bei Freshfields Bruckhaus Deringer, spricht ebenfalls von einem „sehr engen Korsett“ für Investmentgesellschaften. So sei etwa der Beteiligungserwerb, ohne dass frisches Kapital zufließt, in die Regelung nicht einbezogen. Dass die Steuerbefreiung nur gelten soll, wenn mindestens genauso viel Eigenkapital wie Fremdkapital in das jeweilige Unternehmen geflossen ist, sei wirklichkeitsfremd: „In der Praxis wird oft Mezzaninkapital gegeben.“ Also eine Mischform, die je nach Ausgestaltung auch später in Eigenkapital umgewandelt werden kann.

Die Behaltefristen – mindestens ein und höchstens zehn Jahre – könnten ebenfalls zu Schwierigkeiten führen: „Das erschwert das rasche Weitersyndizieren, und gegen Ende der Frist besteht die Gefahr von Notverkäufen.“ Positiv sei aber, dass der Entwurf „insgesamt offener“ sei als das MiFiGG: Er bezieht sich nicht nur auf Finanzierungen von KMU, und es gibt weder für die Investoren noch für die Unternehmen, in die investiert wird, Beschränkungen nach der Branche. Es wird also nicht mehr nur ein bestimmter Kreis von Unternehmen gefördert. Das verschaffe Österreich auch bessere Argumente, sollte – wie beim MiFiGG – auf EU-Ebene neuerlich das Beihilfenthema aufs Tapet gebracht werden, so Staringer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.