Der VKI organisiert für 6500 mutmaßliche Opfer Sammelklagen. Der Gesamtschaden wird vom VKI auf 65 Mio. Euro geschätzt. Der AWD schließt einen systematischen Beratungsfehler aus.
Wien (höll). Beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) melden sich immer mehr Anleger, die sich vom Finanzdienstleister AWD geschädigt fühlen. Die Zahl der mutmaßlichen Opfer ist in den vergangenen zwei Wochen von 4500 auf 6500 gestiegen. Ihnen sollen Papiere der Immobiliengesellschaften Immofinanz und Immoeast mit den Worten „sicher wie ein Sparbuch“ angeboten worden sein. Inzwischen sind die Aktien nur mehr einen Bruchteil des Kaufpreises wert.
Mit Unterstützung von Sozial- und Konsumentenschutzminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) organisiert der VKI Sammelklagen. Dabei übernimmt der deutsche Prozessfinanzierer Foris das Kostenrisiko. Bei Klagserfolg müssen die Betroffenen allerdings einen Teil des erhaltenen Geldes an Foris abtreten. Der Gesamtschaden wird vom VKI auf 65 Mio. Euro geschätzt. Die erste Welle von Sammelklagen soll im Mai eingebracht werden. Der AWD-Konzern ist aus Sicht der Konsumentenschützer durchaus in der Lage, Schadenersatz zu leisten, nachdem er allein 2007 rund 24 Mio. Euro an Provisionen eingenommen hat. „Wenn man die Beschwerden auswertet, bekommt man den Eindruck, dass der AWD weniger die Finanzen seiner Kunden optimiert hat, als einfach Aktien an ein konservatives und sicherheitsbewusstes Publikum zu verhökern“, kritisiert VKI-Rechtsexperte Peter Kolba. Sparbücher und Bausparverträge seien schlechtgeredet worden, dafür wurden Immo-Aktien angeboten.
Der Finanzdienstleister holt nun zum Gegenschlag aus. Seit Monaten suggeriere der „mit Steuergeldern finanzierte Verein“ VKI, dass der AWD an der Finanzkrise schuld sei. „Aber heute ist Schluss damit“, so AWD-Geschäftsführer Kurt Rauscher. Unter den 6500 Beschwerden, die der VKI via Internet eingesammelt habe, seien auch „Zwölfjährige, die den Fragebogen aus Jux und Tollerei ausgefüllt haben.“ Rauscher fordert den VKI auf, alle eingesammelten Fälle zu übergeben. Eine Überprüfung jeder einzelnen Beschwerde sei notwendig.
Der Finanzdienstleister hat nach eigenen Angaben im Zeitraum von zwölf Jahren an rund 79.000 Anleger Aktien von Immofinanz und Immoeast verkauft. Rauscher schließt einen systematischen Beratungsfehler aus. In Einzelfällen könnten aber durchaus Fehler passiert sein. Druck auf seine Mitarbeiter habe das Unternehmen nie ausgeübt.
AWD hat bislang 200 Mitarbeiter verloren
Laut Rauscher habe der AWD durch die Aktion des VKI bislang 200 Mitarbeiter verloren. Es sei traurig, „dass sich staatlich geprüfte Vermögensberater, zum Teil Akademiker, nicht mal mehr in die Kirche oder ins Gasthaus trauen, weil sie angepöbelt werden“. Kunden habe der Finanzdienstleister wegen der VKI-Kampagne „sehr wenige“ verloren, so Rauscher: „Das spielt sich im Promillebereich ab.“ Gerüchte, dass die Österreich-Tochter bei Klagserfolg in die Insolvenz schlittern könnte, wies der Geschäftsführer zurück.
AUF EINEN BLICK
■Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) greift den Finanzdienstleister AWD scharf an. Mit Unterstützung von Minister Rudolf Hundstorfer organisiert der VKI für 6500 Opfer Sammelklagen wegen angeblicher Beratungsfehler beim Kauf von Immofinanz-Aktien. Der AWD weist die Anschuldigungen zurück.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2009)