USA: Großzügiger Finanzminister

(c) Reuters (Jonathan Ernst)
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Timothy Geithner lehnt Rückzahlung der Bankschulden ab. Er verfolgt einen gesamtwirtschaftlichen Ansatz und fürchtet einen Rückfall, einen Sturz in eine noch tiefere Rezession. Die USA hatten die Banken mit 700 Milliarden Dollar gestützt.

WASHINGTON. Es ist paradox: Eigentlich müsste sich Finanzminister Timothy Geithner die Hände reiben, dass Geld an den Staat zurückfließt, das die Regierung in Washington vor einem halben Jahr zur Rettung des US-Finanzsystems in die Wall Street gepumpt hat. Doch Geithner lehnt eine Rückzahlung des Notkredits vorerst ab.

Kleinere Banken in der US-Provinz hatten den Anfang gemacht und ihre Schulden beim Staat beglichen. Nun wollten auch die großen Investmenthäuser Goldman Sachs und JP Morgan dem Beispiel folgen, um wieder völlig frei von staatlicher Aufsicht agieren zu können. Die Bilanzen im ersten Quartal 2009 waren überraschend positiv ausgefallen. Einer raschen Rückzahlung sollte also nichts im Wege stehen. Die USA hatten im Herbst des Vorjahres die Banken mit 700 Milliarden Dollar gestützt. Vor einigen Wochen hat Geithner noch einmal 100 Mrd. Dollar zur Verfügung gestellt, um einen Anreiz für den Ankauf „giftiger Wertpapiere zu schaffen.

Für das Finanzministerium ist die Krise aber längst nicht ausgestanden. Der Einbruch des Dow-Jones-Index und mancher Bankwerte am Montag unterstreicht die Skepsis, dass der Tiefpunkt überwunden und die Erholung dauerhaft ist. Derzeit bereitet den Analysten das Kreditkartengeschäft die größten Sorgen. Die Kreditkartenschulden der Amerikaner könnten eine weitere Lawine auf dem Finanzsektor auslösen.

Banken-Striptease

Hinzu kommt, dass die Evaluierung des US-Bankenwesens sich momentan in der Endphase befindet. Die Kreditinstitute sollen bei dem „Stresstest“-Verfahren, das laut „Wall Street Journal“ eher einem „Striptease“ gleichkommt, demnach in vier Kategorien aufgeteilt werden. Dabei soll eruiert werden, wie viel an Finanzhilfen die Banken noch benötigen und welche Banken als nicht überlebensfähig eingestuft werden. Citigroup und die Bank of America stehen etwa weitaus schlechter da als die beiden Investmentbanken Goldman Sachs und JP Morgan. Zugleich will der US-Finanzminister vermeiden, noch einmal beim Kongress um eine Finanzspritze für die Banken ansuchen zu müssen. Die Geduld der Parlamentarier ist bereits überstrapaziert.

Für den Bankenrettungsfonds hat Geithner indessen einen neuen Chef gefunden: Herbert Allison. Der frühere Spitzenbanker bei Merrill Lynch trägt den Beinamen „Herbert das Herbizid“. Der Republikaner war schon als Nothelfer in die Bresche gesprungen, als die Hypothekenbank Fannie Mae vor dem Kollaps stand.

Geithner verfolgt einen gesamtwirtschaftlichen Ansatz und fürchtet einen Rückfall, einen Sturz in eine noch tiefere Rezession. „Wir möchten nicht nur sicherstellen, dass das Finanzsystem stabil ist, sondern dass auch die Wirtschaft pulsiert. Wir wollen genug Kapital haben, um eine wirtschaftliche Erholung zu unterstützen“, sagte er.

Im Zuge der Weltbanktagung in Washington will Geithner die Finanzminister der G7-Staaten auf eine stärkere Koordination – und höhere Staatsinvestitionen – einstimmen. Die Wirtschaftslage in den USA sei trotz der Anzeichen für eine Stabilisierung weiterhin labil, eine Verschlechterung der Weltwirtschaft würde sofort auf die USA zurückschlagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2009)

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