Aktienstratege: „Steigende Zinsen in den USA sind gut für China“

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Weshalb der wachsende Schuldenberg noch kein großes Problem darstellt, chinesische Aktien aber sorgfältig ausgewählt werden sollten, erklärt Arthur Kwong, Chefaktienstratege für Asien-Pazifik bei der BNP Paribas Investment Partners.

Die Presse: Die globale Finanzwelt legt stets ein großes Augenmerk auf Chinas Konjunkturentwicklung. Müssen wir mit weiteren Enttäuschungen rechnen?

Arthur Kwong: Insgesamt gibt es wenig Positives über Chinas Wirtschaftsentwicklung zu berichten, da sind wir schon seit einigen Jahren vorsichtig eingestellt. Das Wachstum hinkt hintennach. Und jetzt wird allmählich auch noch die alternde Bevölkerung zu einem Problem. Wir haben im Asienportfolio derzeit jedenfalls die Gewichtung chinesischer Aktien reduziert und uns dabei stark auf die Einzeltitelwahl konzentriert.

Die schlechten Nachrichten dominieren aber schon eine ganze Zeitlang die Schlagzeilen. Worin liegt denn eines der Hauptprobleme?

Bei der Billigproduktion muss China sich zunehmend mit der wachsenden Konkurrenz etwa aus Vietnam, Indonesien und Myanmar auseinandersetzen. Da ist es freilich wenig hilfreich, dass der chinesische Yuan im Vergleich zu anderen asiatischen Währungen relativ teuer ist. Das war auch der Grund, weshalb zuletzt die Exportzahlen enttäuscht haben. Das Land sollte sich verstärkt auf hochwertige Produkte konzentrieren, da hat China schließlich noch Wettbewerbsvorteile. Tatsächlich steigt auch bereits deren Anteil am Gesamtexport. Im Jahr 1993 lag er noch bei rund 20 Prozent, 2014 erreichte er gut 50 Prozent. Wir sind zum Beispiel in ausgewählte erfolgreiche Exportwerte investiert, etwa in ein Textilunternehmen, das eine japanische Bekleidungskette beliefert.

Sie sind aber auch in zahlreiche Titel wie Tencent Holdings, Ping An Insurance oder China Taiping Insurance Group investiert, die von der Binnenwirtschaft profitieren sollten.

Tatsächlich haben wir die Internetbranche und die Versicherungsbranche am stärksten gewichtet. In der digitalen Welt gibt es großes Aufholpotenzial, und die Zahl der Smartphonebenutzer steigt ständig. Auch bei den Versicherungen gibt es großen Nachholbedarf, nicht viele Chinesen haben bislang eine Polizze abgeschlossen. Der Ausbildungssektor wiederum ist deshalb interessant, weil Eltern – aufgrund der Ein-Kind-Politik – beim einzigen Nachwuchs viel Wert darauf legen. Innerhalb der Automobilbranche ist für uns der stets wachsende Verkauf von sogenannten SUVs, den Geländewagen für die Straße, ein interessantes Thema, auf das wir ebenfalls setzen.

SUVs verbrauchen aber eine Menge Sprit. Dabei möchte die Regierung in Peking doch die wachsende Luftverschmutzung eindämmen.

Das Problem versucht die Regierung schon länger in den Griff zu bekommen. Allerdings zielen die Maßnahmen eher auf Fabriken, Minen und Kohlekraftwerke ab, weniger auf den Straßenverkehr. Zudem werden SUVs meist an den Wochenenden ausgeführt, sie sind eher ein wichtiges Statussymbol in China als ein Alltagsauto.

Ist da nicht dennoch ein steigender Ölpreis ein wenig kontraproduktiv?

Das aktuelle Niveau von 50 Dollar lastet nicht sonderlich auf dem Automobilsektor. Zudem sind wir langfristig negativ auf die weitere Preisentwicklung bei Rohöl eingestellt, schon allein weil beispielsweise der Markt für Elektroautos immer weiter ausgebaut wird. Und damit China auch zunehmend energieautark wird, forciert das Land derzeit massiv den Ausbau von Atomkraft. Auch in die Solarkraft wird viel investiert, entsprechende Aktien sind derzeit aber noch nicht interessant, trotz der Kursrückgänge. Hier warten wir noch ab.

Allerdings könnten die US-Zinsen allmählich weiter angehoben werden. Das lastet ja grundsätzlich auf den Schwellenländern, schon allein deshalb, weil sich die Dollarschulden dadurch verteuern.

In China ist der Großteil der Schulden in lokaler Währung, somit nicht direkt von der US-Zinsentwicklung abhängig. Zudem würde das Land von dieser Entwicklung sogar profitieren. Denn China sitzt auf den weltweit größten Devisenreserven im Wert von fast 3,5 Billionen Dollar. Ein Großteil davon ist in US-Staatsanleihen investiert, die Position profitiert schon allein aufgrund des Dollaranstiegs, der in der Regel mit steigenden US-Zinsen einhergeht. Zudem würden dann die US-Staatsanleihen bei Fälligkeit zu höheren Zinsen wieder veranlagt werden. Einzig der Hongkong-Dollar leidet unter dem steigenden US-Dollar, er ist schließlich an die US-Währung gekoppelt. Und das trifft wiederum einige Branchen wie etwa den Tourismussektor. Auf dem chinesischen Festland boomt er hingegen. Schließlich gibt es 1,3 Milliarden Chinesen. Und die Mittelschicht hat erst begonnen zu wachsen, das birgt noch eine Menge Potenzial.

ZUR PERSON

Arthur Kwong
ist Leiter des Asia-Pacific-Equities-Teams und leitender Portfoliomanager bei BNP Paribas Investment Partners. Dabei ist der in Hongkong ansässige Finanzexperte seit dem Jahr 2001 für das französische Investmenthaus tätig, ursprünglich als Analyst bis zum Jahr 2003. Davor war Kwong als Analyst in der Commonwealth Bank Group in Australien tätig, wo er auch sein Wirtschaftsstudium absolviert hat, er blickt auf insgesamt 18 Jahre an Investmenterfahrung zurück. [ BNP Paribas ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2016)

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