Börsen stecken "Renzirendum" überraschend gut weg

REUTERS (TORU HANAI)
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Eine Mehrheit der Italiener hat die von Premier Matteo Renzi vorgeschlagene Verfassungsreform abgelehnt. Die Folgen für die Wirtschaft der gesamten Eurozone sind noch unklar. Kurzfristig stecken die Finanzmärkte die politische Unsicherheit in Rom aber recht gut weg.

Das befürchtete Börsenbeben nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum in Italien bleibt aus. Selbst der angekündigte Rücktritt von Ministerpräsidenten Matteo Renzi brachte die europäischen Aktienmärkte am Montag nicht aus dem Tritt, sie verbuchten sogar Kursgewinne. Der Euro machte seine anfänglichen Verluste wett. Viele Anleger hätten bereits mit einem Scheitern des "Renzirendums" gerechnet, erläuterte Heinz-Werner Rapp, Chef-Anleger des Vermögensverwalters Feri. "Sie haben aus den politischen Wendungen, die das Jahr 2016 bislang brachte, gelernt." Außerdem stützte Börsianern zufolge die Hoffnung auf frische Geldspritzen der Europäischen Zentralbank die Kurse.

Die Italiener lehnten die von Renzi angeschobene Verfassungsreform mit deutlicher Mehrheit ab. Der Anführer der euro-kritischen Fünf-Sterne-Bewegung, Beppe Grillo, forderte rasche Neuwahlen in dem hoch verschuldeten Land. Trotz der drohenden Regierungskrise in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone stiegen Dax und EuroStoxx50 um jeweils knapp zwei Prozent auf 10.711 und 3067 Punkte Auch der Leitindex der Mailänder Börse überwand seine Anfangsschwäche und notierte 1,4 Prozent im Plus. Der Euro, der im asiatischen Handel zeitweise auf ein 20-Monats-Tief von 1,0508 Dollar gefallen war, verteuerte sich auf bis zu 1,0684 Dollar. "Der Markt hatte das Referendum aufgebauscht", sagte Folker Hellmeyer, Chef-Analyst der Bremer Landesbank. "Die Ängste davor entsprechen nicht der Realität danach."

Holger Schmieding, Chef-Volkswirt der Berenberg Bank, warnte aber vor überzogenem Optimismus. "Die eigentliche Frage wird sich allerdings erst in den nächsten Tagen klären: Was passiert jetzt? Macht eine Regierung mit ähnlichem Kurs wie bisher weiter oder steigt das Risiko von Neuwahlen? Letzteres könnte dann für heftigere Reaktionen an den Märkten sorgen." In Umfragen führt derzeit die europakritische "5-Sterne-Bewegung".

Fidel Helmer, Kapitalmarkt-Experte Fidel Helmer von der Privatbank Hauck & Aufhäuser, verwies zusätzlich auf den Wahlsieg des ehemaligen Grünen-Chefs Alexander Van der Bellen bei der Präsidentenwahl in Österreich. "Das war ein Lichtblick für Europa." Van der Bellen siegte gegen Norbert Hofer von der rechtspopulistischen FPÖ.

Banken auf Talfahrt

Die Kurse der italienischen Banken fielen dagegen um 0,5 Prozent, weil Börsianer befürchteten, die politische Instabilität könnte es den Instituten erschweren, an dringend benötigtes frisches Kapital zu kommen. Die Geldhäuser sitzen auf einem 360 Milliarden Euro hohen Berg fauler Kredite. Um drohende Abschreibungen abzufedern, brauchen sie frisches Kapital. Allein die HVB-Mutter Unicredit will bis zu 13 Milliarden Euro bei Investoren einsammeln. Ihre Aktien verloren an der Mailänder Börse 1,3 Prozent.

Italienische Staatsanleihen standen ebenfalls unter Verkaufsdruck. Dies trieb die Rendite der zehnjährigen Titel auf 1,990 von 1,902 Prozent. Diesem Trend konnten sich die Bonds aus Spanien und Portugal nicht entziehen. Sie rentierten bei 1,565 und 3,744 Prozent.

(Hakan Ersen/Reuters)

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