Warum das Nein der Italiener die Finanzmärkte kalt lässt

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Die Italiener könnten mit ihrem Nein zu Verfassungsänderungen für eine neue Euro-Krise sorgen - aber an den Finanzmärkten bleibt es ruhig. Wie kann das sein?

Da hat sich die britische "Times" ordentlich vertan: Das "Nein" der Italiener sei ein Ergebnis, "das heute Schockwellen durch die Finanzmärkte und Hauptstädte Europas senden wird", schrieb sie zum Referendum vom Sonntag. Aber es kam anders: Die Italiener sorgen mit ihrem Nein zur Verfassungsänderung zwar für eine handfeste Regierungskrise - aber die sonst so empfindlichen Finanzmärkte interessiert es kaum. Die wichtigsten europäischen Aktienmärkte liegen am Montagmorgen deutlich im Plus, der Euro stabilisiert sich, und Gold - sonst ein sicherer Krisenprofiteur - büßt sogar an Wert ein. Aber: Warum nur reagieren die Anleger so viel gelassener auf Italien als etwa auf das Brexit-Votum? Das hat mehrere Gründe.

1.) Das Nein wurde erwartet

Verglichen mit dem Brexit-Referendum und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten haben die Meinungsforscher diesmal einen guten Job gemacht. In Umfragen zum Volksentscheid hatten sie die Gegner einer Verfassungsänderung vorn gesehen. Entsprechend konnten sich die Investoren vorbereiten. "Bereits an den Vortagen konnte eine zunehmende Risikoaversion festgestellt werden", sagt Analyst Christian Schmidt von der Helaba.

Die Marktteilnehmer hätten sich vor dem Italien-Referendum "nicht zu weit aus dem Fenster lehnen" wollen. "Ein Nein war bereits eingepreist", resümiert auch Neil Wilson vom Handelshaus ETX Capital. So war der Dax in der Vorwoche um annähernd zwei Prozent gefallen. Zum Vergleich: In den sechs Handelstagen vor dem Brexit war der deutsche Leitindex um sieben Prozent geklettert, bevor das böse Erwachen kam.

2.) Erleichterung über die Wahl in Österreich

Die Österreicher haben mit ihrer unerwartet klaren Wahl Alexander van der Bellens vielen Teilnehmern am Finanzmarkt ein Stück Hoffnung zurückgegeben, dass das Projekt Europa noch nicht gescheitert ist. Zwar seien keine sofortigen Auswirkungen auf die Tagespolitik zu erwarten, meint Volkswirt Stefan Bruckbauer von der UniCredit-Tochter Bank Austria. "Aber der Sieg von Van der Bellen könnte all jene Kräfte im politischen Establishment Österreichs beflügeln, die versuchen, eine Mehrheit links von der FPÖ zu finden."

Der Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen hatte angekündigt, selbst im Fall eines Sieges der FPÖ bei der nächsten Parlamentswahl die Rechtspopulisten nicht mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

3.) Keine direkten Auswirkungen

Die Finanzmarkt-Experten bedauern zwar unisono, dass Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi nach dem Scheitern beim Referendum seinen Hut nimmt. Die Strategie der Regierung Renzi sei von den Märkten als "zumindest bemüht empfunden worden, Italiens Fiskal- und Bankensystem wieder auf einen beständigen Weg zu hieven", sagt Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank.

"Im Moment sieht es jedoch nicht danach aus, als ob die Finanzmärkte ernsthaft an Italiens Zukunft in der Eurozone zweifeln", führt Analyst Wilson von ETX Capital aus. So habe sich der Euro nach anfänglichen Verlusten stabilisiert, und die Risikoaufschläge bei italienischen Staatsanleihen hätten letztlich das Niveau vom November nicht übertroffen.

Rainer Singer vom Erste Group Research begründet die Gleichgültigkeit an den Börsen im Ö1-"Mittagsjournal" hauptsächlich damit, dass die Märkte nicht unmittelbar mit Neuwahlen rechnen würden.

4.) Hoffen auf die EZB

Wie schon so oft in der jüngeren Vergangenheit bauen die Anleger darauf, dass notfalls die Notenbanker den Karren aus dem Dreck ziehen werden. Praktischerweise tagt an diesem Donnerstag turnusmäßig der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), um über die Leitzinsen und die laufenden gigantischen Wertpapierkäufe zu befinden. "Präsident Draghi ist dafür bekannt, dass er mit geldpolitischen Maßnahmen nicht zögert, wenn Gefahr für die Eurozone droht", sagt Rentenmarkt-Expertin Viola Julien von der Helaba. "Klar ist schon jetzt, dass er an der ultralockeren Geldpolitik festhalten wird."

Leuchtmann erinnert an Draghis berühmt gewordene Worte in der heißen Phase der Euro-Schuldenkrise 2012, als der EZB-Präsident versprach, alles zu tun, um den Euro zu retten - "whatever it takes".

(Red./APA/dpa-AFX/Daniel Schnettler)

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