"Dark Money": Die Verbindung von US-Superreichen zur radikalen Rechten

Jane Mayer
  • Drucken

Das Buch „Dark Money“ von Bestseller-Autorin Jane Mayer untersucht die politischen Machenschaften der US-Milliardäre.

Über die Koch-Brüder und das Geld, das ihr Netz in die amerikanische Politik investiert hat, ist schon viel geschrieben worden. Trotzdem wählte die „New York Times“ das Buch „Dark Money“ unter die zehn besten Bücher des Jahres 2016. Das liegt nicht zuletzt an dem Zugang von Autorin Jane Mayer. In ihrer 464-seitigen Recherche versucht sie, die politischen Machenschaften heutiger US-Milliardäre aufzudecken. Dabei bezieht sie sich auf die persönliche Geschichte der Koch-Familie. Mayer schreibt über die Kindheit der Schlüsselfiguren, über den Ursprung ihres Vermögens, über ihre persönlichen Obsessionen und Macken.

Netzwerk der Superreichen

Zudem nimmt sie nicht bloß die bekannten Industriellenbrüder Charles und David Koch unter die Lupe, sondern folgt auch einem fein verästelten Netzwerk von etwa 500 Superreichen, die meist aus dem Energie-, dem Waffen- und dem Finanzgeschäft stammen. Die Publizistin unterteilt den Vormarsch der Superreichen – und den parallelen Aufstieg der radikalen Rechten – in den USA in drei Etappen.

In einem ersten Schritt (1970–2008) machten die konservativen Milliardäre ihre Philanthropie "waffenfähig", um für den Krieg der Ideen gerüstet zu sein. Daraufhin wurde in verdeckten Operationen (2009/10) einerseits das nötige Fussvolk für den Anti-Etatismus der Reichen rekrutiert (Tea Party). Andererseits wurde erstritten, dass Wirtschaftsunternehmen ebenso wie Bürger das Recht auf freie Meinungsäußerung (sprich: die Möglichkeit unbegrenzter Wahlspenden) bekamen. Schließlich haben die US-Oligarchen in einem „totalen Krieg“ die Politik zu privatisieren versucht (2011–2014). Und selbstverständlich beeinflusst "Dark Money" auch die vordergründig clowneske Wahlsaison 2016. Es folgt eine kurze Zusammenfassung der oben erwähnten Etappen:

Phase 1: Erbschaftssteuer umgehen

Der Aufstieg der neureichen US-Amerikaner begann in manchen Fällen mit altem Geld. Die Gebrüder Koch zum Beispiel konnten ihren Vater Fred Koch beerben, der sein Vermögen – wie erstaunlich viele der ultrakonservativen Milliardäre – trotz lautem Bekenntnis zur freien Marktwirtschaft mit lukrativen Staatsverträgen gemacht hatte. Er hatte seine Ölfördermethode erst an Josef Stalin verkauft und machte später Geschäfte mit Adolf Hitler, für den er beträchtliche Sympathien hegte. Als es ans große Erben ging, fanden die Kochs einen genialen Weg, um die saftige Erbschaftssteuer zu umgehen: Sie steckten den gesamten Vermögensgewinn in wohltätige Institutionen, sogenannte „Charities“. Dabei wurde der Begriff weit interpretiert, die kochsche Philanthropie diente dem eigenen Interesse (Steuersenkung).

Phase 2: Besitzoptimierungsidee

Andere Superreiche, etwa der Rohstoff- und Medienunternehmer Richard Mellon Scaife, hatten die gleiche Besitzoptimierungsidee, und bald boomte der private „Wohltätigkeitssektor“. 1950 gab es laut Autorin Meyer etwa 2000 private Stiftungen in den USA, 1985 waren es bereits 30.000, und heute existieren – nicht zuletzt dank wachsender Steuervorteile – über 100 000 solcher Institutionen. Dabei gilt: Je kultureller der Zweck einer Spende, desto öffentlicher ist sie, je politischer der Zweck, desto privater wird sie gehandhabt. Der Großsponsor David Koch ist geschmeichelt, wenn ein Dinosauriersaal im New Yorker Naturgeschichtsmuseum nach ihm benannt wird. Die milliardenstarke Verbindung zur Tea Party hingegen bestritten die Kochs so lange wie nur möglich.

Die Philanthropie in den USA ist mittlerweile ebenso komplex organisiert wie die Hochfinanz – und operiert auch ebenso undurchsichtig und amoralisch: Es macht den Koch-Brüdern zum Beispiel nichts aus, mit der einen Hand die Krebsforschung zu unterstützen und mit der andern die Regulierung der Produktion von krebserregendem Formaldehyd zu bekämpfen. Und manch spendenfreudiger Milliardär zahlt seinen eigenen Angestellten keine existenzsichernden Löhne.

Phase 3: Politik ist wie eine Risikokapitalanlage

Schließlich besannen sich die Ideologen der freien Marktwirtschaft auf ihre Kernkompetenz: Die Superreichen müssten Politik wie eine Risikokapitalanlage angehen, nämlich mit einem diversifizierten Portfolio. Mit gemeinnützigen Stiftungen, Thinktanks, Studiengängen und Medieninstituten traten die ultrakonservativen Superreichen also ihren eigenen mit Geld geschmierten Marsch durch die Institutionen an und brachten so ihr extremes Gedankengut vom gesellschaftlichen Rand in den politischen Mainstream. Zu Beginn der achtziger Jahre gab es in den USA kaum ultrakonservative Intellektuelle, heute sind es Tausende. Kein Wunder: 2015 unterstützten die Gebrüder Koch über 300 zum Teil prestigeträchtige Universitäten.

Als 2008 der Demokrat Barack Obama die Präsidentschaftswahl gewann, erklärte die Rechte ihm vom ersten Tag an den offenen Krieg. Die Oligarchen hätten sich mittlerweile auch in der Politik eine effiziente, flächendeckende Parallelstruktur aufgebaut. Ihre Überorganisation verfüge über mehr Geld, bessere Technologie und erfahrenere Berater als die offizielle Republikanische Partei, die schon mehrfach auf die privatisierten Politressourcen zurückgreifen musste.

Fazit

Was die Kochs und ihre Verbündeten geschaffen haben, ist nach Ansicht der Buchautorin eine private politische Bank, die in der Lage ist, unbegrenzte Geldbeträge für bevorzugte Kandidaten zur Verfügung zu stellen und dies praktisch ohne Offenlegung der Quelle.

>>> New York Times

>>> Rezension WOZ

(past)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.