Franken-Kredite: Das große Loch

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Vermeintlich billige Franken-Kredite haben sich zum finanziellen Desaster entwickelt. Die Banken mussten zusätzliche Sicherheiten über eine Mrd. Euro einfordern.

Wien. Die Finanzmarktaufsicht schlägt Alarm: 90.000 österreichische Haushalte sitzen noch immer auf Franken-Krediten über 21,6 Mrd. Euro. Sie müssen vor weiteren Franken-Aufwertungen zittern, obwohl sie schon jetzt wissen, dass sie vor ein paar Jahren die wahrscheinlich teuerste Entscheidung ihres Lebens getroffen haben: Wer 2008 100.000 Euro in Franken (endfällig mit Tilgungsträger) aufgenommen hat, sitzt jetzt auf fast doppelt so hohen Schulden. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen, die Betroffene bewegen:

1 Mit welchen Belastungen müssen Franken-Kredit-Nehmer kalkulieren?

Wer im Jahr 2008, dem letzten Jahr des Fremdwährungskreditbooms, einen der damals üblichen endfälligen Franken-Kredite mit Tilgungsträger um 100.000 Euro aufgenommen hat, sitzt laut FMA wegen der starken Franken-Aufwertung beim derzeitigen Kurs auf einem Schuldenberg von 153.000 Euro. Gleichzeitig weist der Tilgungsträger bei einer angenommenen Durchschnittsverzinsung von zwei Prozent am Ende der Laufzeit gegenüber den ursprünglichen Annahmen eine „Deckungslücke“ von 36.400 Euro auf. Aus einem 100.000-Euro-Kredit ist also insgesamt eine finanzielle Verpflichtung von stolzen 189.400 Euro geworden. Die Kreditzinsen sind in dieser Rechnung übrigens noch nicht enthalten.

2 Wie reagieren die Banken auf die verschlechterte Kreditqualität?

Sie haben ihre bilanziellen Risikovorsorgen für diese Kredite zuletzt um 800 Mio. Euro erhöht und von den Kreditnehmern eine Mrd. Euro an zusätzlichen Sicherheiten eingefordert. Das heißt, dass ein Franken-Kredit-Nehmer im Schnitt 11.000 Euro an zusätzlichen Sicherheiten auftreiben musste.

3 Wie kommen betroffene Kreditnehmer aus der Franken-Falle?

Am besten ist die (in der Regel allerdings mit recht hohen Spesen verbundene) Konvertierung in Euro, die rund 150.000 Kreditnehmer in Anspruch genommen haben. Die Übrigen müssen ihre Ansparleistung erhöhen oder auf laufende Tilgung umsteigen. Vielen bleibt auch ein Wechsel des Tilgungsträgers nicht erspart, um weitere Verluste aus diesem Punkt zu vermeiden.

4 Wie groß ist das Volumen der Fremdwährungskredite im Land?

Derzeit haftet ein Volumen von 21,6 Mrd. Euro aus, vom ursprünglichen Spitzenwert von 36,1 Mrd. Euro wurde es also bereits um 40,3 Prozent verringert. Die FMA gibt eine „währungsbereinigte“ Verringerung des Kreditvolumens um 59 Prozent an. Nur, leider: Die Rückzahlungsverpflichtungen der Kreditnehmer sind nicht währungsbereinigt, sondern ganz real.

5 Waren die Probleme mit dem Franken für Banken vorhersehbar?

Natürlich war jedem Experten von Anfang an klar, dass ein Fremdwährungskredit mit Tilgungsträger eine hochriskante Dreifach-Langfristspekulation auf Zinsen, Währungskurse und Wertpapierkurse ist, die, wie es auch tatsächlich geschehen ist, in allen drei Punkten danebengehen kann. Der damalige Chef der RLB Niederösterreich-Wien, Peter Püspök, hat das im Juni 2001 in einem Interview mit der „Presse“ so formuliert: „Diese Franken-Kredite sind ein Trauerspiel, reine Spekulation. Ins Casino gehen ist viel gescheiter, da hat man wenigstens sein Vergnügen“. Trotzdem haben die Banken weiter massiv Franken-Kredite auf den Markt gedrückt, bis die FMA dieses Hasard 2008 stoppte.

6 Wie will die Aufsicht ein solches Fiasko künftig verhindern?

Die Neuvergabe von Fremdwährungskrediten an Private wurde schon 2008 praktisch gestoppt. Fremdwährungskredite dürfen nur noch an Personen vergeben werden, die über ausreichendes Einkommen bzw. Vermögen in der entsprechenden Währung verfügen. Die Verlängerung bestehender Fremdwährungskredite beziehungsweise ein Währungswechsel ist nur noch möglich, wenn dadurch das Risiko nachweislich gesenkt wird. Und den Banken werden 2017 noch erweiterte Informationspflichten vorgeschrieben:

So müssen die Banken Kreditnehmer, deren Darlehen noch mehr als sieben Jahre läuft, in einem Infoschreiben jährlich über den aktuellen Stand des Kredits, den Stand des Tilgungsträgers und den Wert der beigestellten Sicherheiten informieren und jährlich eine Prognose über die voraussichtliche Deckungslücke des Tilgungsträgers am Laufzeitende abgeben. Zusätzlich muss in persönlichen Gesprächen über „angemessene Maßnahmen zur Risikoreduzierung“ informiert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2016)

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