Versicherungen im Stress

Europas Assekuranzen könnten im schlechtesten Fall fast ein Drittel ihres Kapitals verlieren. Auch Österreich ist unter Druck.

Wien. Die österreichischen Versicherungen wären von einer noch länger anhaltenden Niedrigzinsphase oder einer weiteren Finanz- und Wirtschaftskrise überdurchschnittlich stark betroffen. Das geht aus dem Stresstest hervor, den die Europäische Versicherungsaufsicht (EIOPA) veröffentlicht hat.

Unter den insgesamt 236 geprüften Unternehmen aus 30 Ländern befanden sich neun Institute aus Österreich (mit einem Marktanteil von 79 Prozent). Alle europäischen Institute decken 77 Prozent der relevanten Versicherungsgeschäfte ab und halten mit 6,3 Billionen Euro rund 60 Prozent des Vermögens der Branche.

Im Basisszenario der Aufsicht – also ohne Krise – waren mit Ausnahme von zwei kleinen Versicherungen alle europäischen Unternehmen ausreichend kapitalisiert. Im Schnitt lag die sogenannte Solvabilitätsquote (Solvency Capital Requirement-Ratio) bei 196Prozent. Die österreichischen Versicherer lagen mit 183 Prozent etwas darunter. Das Verhältnis zwischen Vermögen und Verbindlichkeiten beträgt europaweit 109,6 Prozent, in Österreich 115,1 Prozent.

Im ersten angenommenen Krisenfall, einer langhaltenden Niedrigzinsphase, droht den europäischen Versicherern der Verlust von 99,1 Mrd. Euro ihrer Kapitalpolster, das sind 18 Prozent. Die österreichischen Versicherer würden 3,87 Mrd. Euro verlieren, das entspricht 37,1 Prozent ihrer Kapitalpolster. „Die Ergebnisse zeigen die signifikanten Herausforderungen für den Versicherungssektor im gegenwärtigen makroökonomischen Umfeld“, sagt EIOPA-Chef Gabriel Bernardino. Bei dem Test sei es weder um Bestehen noch Durchfallen gegangen, betonte die Behörde.

160 Milliarden Euro Risiko

Im zweiten Krisenszenario, einem „Doppelschlag“ mit niedrigen Renditen von Staatsanleihen und einem Verfall von Aktienkursen, Währungen und Immobilienpreisen, würden die europäischen Versicherer 159,9 Milliarden Euro bzw. 28,9 Prozent verlieren, die österreichischen 3,32 Milliarden Euro bzw. 31,9 Prozent. Die Aufsichtsbehörden sind beim Stresstest auch auf die vor allem für Lebensversicherer wichtigen Übergangsmaßnahmen zur Abfederung der bilanziellen Auswirkungen von hochverzinsten Altverträgen eingegangen. Ohne diese Maßnahmen hätte sich die Solvabilitätsquote europaweit von 196 auf 136 Prozent und österreichweit von 183 auf 161 Prozent verschlechtert.

Die heimische Aufsicht FMA senkt als Vorsichtsmaßnahme etwa den höchstzulässigen Rechnungszinssatz per 1. Jänner auf 0,5 Prozent. Seit einiger Zeit sind die Versicherer auch zu speziellen Rückstellungen verpflichtet.

Die Aufsichtsbehörde stellte auch fest, dass es bei den Anleihenbeständen der Unternehmen eine besondere Vorliebe für nationale Papiere gibt. So besteht das Staatsanleihenportfolio der französischen Versicherer zu rund 70 Prozent aus französischen Staatspapieren. Für österreichische Versicherer liegt der Anteil bei 32 Prozent. Einzelergebnisse zu den Versicherern wurden von der europäischen Aufsichtsbehörde nicht veröffentlicht. (Reuters/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2016)

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