Zu wenig Inflation für die Zinswende?

Europäische Zentralbank
Europäische Zentralbank (c) imago/Gustavo Alabiso (imago stock&people)
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Die EZB wird die finanzielle Repression für Sparer und Anleihebesitzer wohl bis ins Jahr 2018 hinein prolongieren.

Überraschend ist es nicht gekommen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzinssatz auf dem historischen Tief von null Prozent belassen hat. Auch an dieser Stelle war – zuletzt in der Vorwoche – schon mehrfach angekündigt worden, dass Europa wohl noch einige Zeit der Kontinent des lockeren Geldes bleiben werde. Aber seit Donnerstag ist wohl endgültig klar: Den ersten Zinsschritt wird es im Euroraum frühestens 2018 geben.

Begründet wird das damit, das die Inflation noch nicht „nachhaltig“ sei. Zwar haben die Verbraucherpreise zuletzt stark angezogen und in wichtigen Euroländern (etwa Deutschland, aber auch in Österreich) den EZB-Zielwert von zwei Prozent erreicht beziehungsweise überschritten. Aber in der EZB wird argumentiert, das liege praktisch ausschließlich am starken Anziehen des Ölpreises. Und dieser Effekt werde schon in paar Monaten wieder weg sein. Es gebe also keinen Grund, jetzt schon an der Zinsschraube zu drehen.

Das sehen freilich nicht alle Ökonomen so. Der Chef des Münchner Ifo-Instituts etwa erwartet, dass die Teuerung das ganze Jahr über nicht weit von zwei Prozent entfernt sein werde. Denn auch wenn man die Energie herausrechne, hätten die Verbraucherpreise stark angezogen, die einschlägige Kerninflationsrate liege jedenfalls in der Gegend von 1,5 Prozent.

Der Wahrheit am nächsten kommen dürfte wohl die Vermutung, dass die EZB weniger die Inflation in „Euro-Nord“ im Blick hat als vielmehr die wackelnden Euroländer des „Club Med“. Allen voran Griechenland, wo die Schuldenkrise gerade wieder hochkocht. Und Italien, das am Rande des Finanzkollaps dahinspaziert und alles brauchen kann, nur keine höheren Zinsen auf die bis zum Exzess ausgereizte Staatsschuld.

Das ist eine sehr schlechte Nachricht für alle Inhaber von Zinspapieren wie Sparbüchern, Tagesgeldkonten, Anleihen, die über die gesamte Laufzeit gehalten werden, und so weiter. Vergleichsweise hohe Inflationsraten bei Nullzinsen sind nämlich so ziemlich das Schlimmste, das solchen Anlegern passieren kann.

Hat der Ifo-Chef Recht, dann ist ein zinsenlos angelegter Euro am Jahresende nur noch 98 Cent wert. Und in fünf Jahren sind zehn Prozent des Vermögens weginflationiert. Als Ausweg bleibt nur der Griff zu riskanteren Produkten. Denn die Börsen werden von der Aussicht auf eine anhaltende Geldschwemme wohl neue Unterstützung bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2017)

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