„Im letzten Viertel des Bullenmarkts“

An der Wallstreet kennt man seit Jahren nur eine Richtung: nach oben.
An der Wallstreet kennt man seit Jahren nur eine Richtung: nach oben.(c) REUTERS (BRENDAN MCDERMID)
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Die Analysten von Allianz, Raiffeisen und Erste Group sehen noch keine Blase an den globalen Aktienmärkten. Doch befänden sich die Märkte in luftigen Höhen, die Gefahren steigen.

Wien. Seit 2009 haben die Börsen weltweit zugelegt. Während Europa aber immer wieder mit Rücksetzern zu kämpfen hatte, erfolgte der Anstieg in den USA fast kontinuierlich. Es handelt sich um einen der längsten Bullenmärkte der letzten Jahrzehnte – eine Tatsache, die vielen bereits Kopfschmerzen bereitet. Wie lange geht das noch weiter? Und handelt es sich bereits um eine Blase?

Allianz-Invest-Geschäftsführer Christian Ramberger sieht eine solche noch nicht. Der starke Anstieg der Börsen in den vergangenen Monaten sei fundamental zu erklären. Die Konjunktur laufe in fast allen Regionen gut. Freilich werde die Hausse irgendwann zu Ende sein. „Wir befinden uns im letzten Viertel des Bullenmarkts.“

Risiko durch Trumps Politik

In dieser Phase könne es noch weitere Anstiege geben, doch wachsen auch die Gefahren, mit denen der Markt derzeit sehr gelassen umgehe. Solche Risiken sind etwa ein enttäuschend niedriges Ausmaß der US-Steuersenkungen, die hohe Verschuldung der Unternehmen in China, geopolitische Ereignisse (Trump, Nordkorea, Iran, Katar) oder eine Geldmengenreduktion durch die Notenbanken ab 2018.

Vorerst wollen die Allianz-Strategen Aktien weiter „übergewichten“, wie Doris Kals, Leiterin des Asset Managements für Dachfonds, erklärt. Allerdings mit Einschränkungen im Detail: Gute Aussichten sieht man für europäische Aktien und solche aus den Schwellenländern. Japanischen Papieren steht man neutral gegenüber, bei US-Aktien rät man zur Vorsicht. Vor allem jene Firmen, die große Zukunftsthemen vorantreiben (künstliche Intelligenz, E-Mobilität), seien teuer. Zum Teil aus gutem Grund. „Die Unternehmen sind wirklich gut“, sagt Kals. Doch stelle sich die Frage, ob es bereits zu einer Überhitzung gekommen sei. Noch befänden sich Übernahmeaktivitäten und Börsengänge auf einem gesunden Niveau. In Überhitzungsphasen steigen sie normalerweise kräftig an. Den Anstieg gibt es, die Überhitzungstendenzen seien aber längst nicht so stark wie 2007.

Dass der Bullenmarkt in der letzten Phase ist, glauben auch die Experten von Raiffeisen Research (die „Presse“ berichtete). Sie rechnen zudem in den Sommermonaten mit einem Rückschlag. Das sei aber noch nicht das Ende der Party, sondern nur eine saisonal bedingte Schwäche, die sich fast jedes Jahr zeige. Auch die Raiffeisen-Experten halten US-Technologiewerte für schon ziemlich teuer und raten zu Papieren aus dem Rohstoff- und Energiesektor.

Ähnlicher Ansicht sind die Analysten der Erste Group. Sie erwarten für den ATX, der gestern bei etwa 3150 Punkten lag, auf Dreimonatssicht eine Korrektur auf 3000 Punkte. Zu Jahresende sollte er aber bei 3250 Zählern stehen, also etwas höher als derzeit.

Osteuropa geht es gut

Nachdem die Wiener Börse jahrelang den anderen Marken hinterhergehinkt ist, ist sie heuer einer der weltweiten Bestperformer. Erste-Group-Chefanalyst Fritz Mostböck führt das unter anderem auf die Erholung der zentral- und osteuropäischen Märkte zurück, mit denen viele ATX-Unternehmen stark verwoben sind oder zumindest von internationalen Investoren so wahrgenommen werden.

Auf der Empfehlungsliste des Erste-Aktienmarktexperten Christoph Schultes stehen die Raiffeisen Bank International (wegen der günstigen Bewertung) und die CA Immo (wegen vielversprechender Entwicklungsmöglichkeiten). Über eine hohe Dividendenrendite verfügten hingegen Post und Uniqa, die allerdings heuer schon ausgeschüttet haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2017)

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