Österreich plant erste 100-Jahr-Anleihe

Clemens Fabry
  • Drucken

Die Niedrigzinsen machen es möglich: Als erstes Land in der Eurozone wirbt Österreich öffentlich für eine Staatsanleihe mit hundertjähriger Laufzeit.

Wien. Es ist eine Premiere, die weltweit Beachtung findet: Als erstes Land in Europa hat Österreich am Dienstag eine Staatsanleihe öffentlich platziert, die eine Laufzeit von 100 Jahren hat – länger, als die Republik bisher existiert. Die Nachfrage nach beiden Benchmarkanleihen war sehr groß und beliefen sich bei der fünfjährigen Anleihe auf 11,3 Mrd. Euro und bei der 100-jährigen Anleihe auf 10,8 Mrd. Euro.

Obwohl die Investoren die Rückzahlung am 20. September 2117 allesamt nicht mehr erleben dürften, geben sie sich mit erstaunlich wenig Gegenleistung zufrieden. Sie wurde mit einem Kupon von 2,10 Prozent ausgestattet und erzielte eine Emissionsrendite von 2,112 Prozent. Dies teilte die Bundesfinanzagentur OeBFA am Dienstagabend mit.

Im Vorjahr wagten sich zwar auch Irland und Belgien mit hundertjährigen Bonds vor, platzierten sie aber privat bei ausgesuchten Investoren und nahmen dabei jeweils nicht mehr 100 Mio. Euro ein. Weltweit haben bisher sonst nur Mexiko und Argentinien solche „Methusalem-Anleihen“ auf dem Kapitalmarkt begeben.

Die Not der Investoren

Möglich ist eine so günstige Finanzierung freilich nur durch die extreme Niedrigzinspolitik der EZB. Für die Republik liegt der Vorteil auf der Hand: Sie kann sehr langfristig und zu historisch günstigen Konditionen Geld am Kapitalmarkt aufnehmen und damit Schulden mit kürzerer Laufzeit ersetzen. Was aber bewegt die Financiers der Staatsschulden, sich auf dieses Wagnis einzulassen?

Es sind vor allem institutionelle Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen, die in ihrer Not zu solchen Angeboten greifen. Sie haben sich zu einer Minimalverzinsung verpflichtet, die sie mit Staatsanleihen solider Staaten bei normaler Laufzeit nicht mehr erzielen – die Nominalzinsen sind dort oft negativ, die Renditen nur zwischen null und einem Prozent. Riskante Anlagen wie Aktien oder Hochrisikoanleihen von Schwellenländern oder gefährdeten Staaten dürfen sie oft aufgrund ihrer Richtlinien nicht kaufen. Bleiben nur noch Anleihen mit guter Qualität, aber sehr langen Laufzeiten.

De facto aber können auch diese Anlagen riskant sein. Nicht nur deshalb, weil die fernere Zukunft so ungewiss ist – die deutsche „Welt“ erinnert mit beißendem Spott an die „nicht gerade sehr ruhmreiche“ Schuldengeschichte Österreichs: Die Republik war in ihrem ersten knappen Jahrhundert zweimal pleite, die Habsburger sorgten im 19. Jahrhundert sogar für fünf Staatsbankrotte. Viele Investoren kümmern sich aber nicht um langfristige Ausfallsrisken, sondern hoffen auf Kursgewinne. Es ist eine durchaus heikle Spekulation. Denn je länger die Restlaufzeit einer Anleihe ist, desto sensibler reagiert sie schon kurz nach der Ausgabe auf unerwartete Änderungen im allgemeinen Zinsniveau.

Im Falle Argentiniens ging diese Wette bisher gut auf. Aber die 70-jährige Anleihe, die Österreich im Vorjahr begeben hat, büßte über zehn Prozent ein.

Nervosität in Spanien

Die Möglichkeit, eine noch längere Laufzeit anzubieten, hat sich Österreich zu Jahresbeginn gesetzlich geschaffen. Der Finanzmarkt sieht die Platzierung als Test, ob „Methusalem“-Anleihen in der Eurozone noch auf ausreichend Interesse stoßen. Spätestens wenn die EZB endlich ihre Zinswende einläutet, dürfte auch das Zeitfenster für solche extremen Angebote abgelaufen sein. Aber mit ihre Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik lässt sich die Zentralbank in Frankfurt ja sehr viel Zeit.

Aktuelle Ereignisse könnten Argumente für eine weitere Verzögerung liefern: Die Nervosität vor dem geplanten Unabhängigkeitsreferendum der Katalanen lässt die Kurse spanischer Bonds sinken. Die Anleger schichten die spanischen Papiere zurzeit vor allem in italienische Schuldtitel um. (red)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.