Goran Vasiljević: „Die Uniqa hat solide Ertragskraft“

Man sollte Titel genauer anschauen, die andere aus Angst liegenlassen, sagt Anlageexperte Goran Vasiljević.
Man sollte Titel genauer anschauen, die andere aus Angst liegenlassen, sagt Anlageexperte Goran Vasiljević. (c) Akos Burg
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Die Zinswende wird an den Börsen zu einem Paradigmenwechsel führen, sagt Lingohr-Geschäftsführer Goran Vasiljević. Profitieren dürfte Europas Finanz- und Automobilbranche.

Die Presse: Herr Vasiljević, die rund 30-jährige Ära sinkender Zinsen geht allmählich zu Ende. Wie sehr wird das die Aktienwelt aufwirbeln?

Goran Vasiljević: Ich denke, wir werden einen Paradigmenwechsel sehen. In den vergangenen Jahren wurden vor allem Aktien mit hohen Dividendenrenditen gekauft, quasi als Anleiheersatz. Auch Wachstumsaktien, bei denen die Hoffnung auf künftige Gewinnchancen liegt, standen im Rampenlicht. Als Investor sollte man aber nicht nur blind der Herde folgen.


Worauf sollte man stattdessen achten?

Von den steigenden Zinsen könnten jetzt gerade Value-Aktien, also werthaltige Titel, profitieren. Hier weisen die Unternehmen eine solide Ertragskraft auf, während die Aktien meist günstig bewertet sind, da sie weniger Beachtung fanden. Je teurer Geld wieder wird, desto genauer werden Anleger darauf achten, worin sie investieren.


Woran messen Sie eine solide Ertragskraft?

Wir lassen bei unseren internen Bewertungen eine Reihe von Faktoren einfließen, vor allem legen wir großes Augenmerk auf einen hohen freien Cashflow. Grob gesagt ist das der Überschuss der Einnahmen nach Abzug der Ausgaben. Das gibt Firmen reichlich Handlungsspielraum, etwa um Dividenden zu bezahlen oder Investitionen zu finanzieren.


Und wo spürt Ihr Modell derzeit günstig bewertete Titel auf?

Als Value Investor muss man die Titel genauer analysieren, die andere Marktteilnehmer aus Angst liegenlassen. So lockt Europas Automobilbranche aufgrund ständig neuer negativer Nachrichten – wie dem Dieselskandal – mit günstigeren Bewertungen. Ebenso lockt die Spezialchemie, wo etwa BASF und Covestro mitmischen.


Wie schaut es mit anderen Branchen aus?

Auch Finanztitel haben wir im Fokus und sind zum Beispiel in den Versicherer Uniqa investiert. Die Ertragskraft ist solide, die Investitionspläne in neue Produkte überzeugen. Obendrein ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis mit elf sehr günstig, die Dividendenrendite liegt bei rund sieben Prozent. Die französische BNP Paribas und die deutsche Aareal Bank sind ebenfalls Teil unserer Investments. Skandinavische Bankenaktien sind bereits gut gelaufen, da haben wir Gewinne mitgenommen.


Asien steht immer öfter im Fokus, auch abseits geopolitischer Ereignisse.

Auf Japans Börse ist vor allem das Verhältnis zwischen den aktuellen Aktienkursen und dem Buchwert, quasi der Substanzwert eines Unternehmens, sehr günstig. Mit der Liquidierung japanischer Unternehmen würde man also mehr als den aktuellen Börsenwert erzielen. Zugleich sind Unternehmen effizienter geworden. Das Gewinnwachstum lag heuer im Schnitt bei mehr als 20 Prozent, 2018 dürfte es rund neun Prozent betragen. Das ist in den Kursen noch nicht enthalten. Obendrein ist der Verschuldungsgrad japanischer Unternehmen weltweit am niedrigsten – im Gegensatz zu den Staatsschulden.


Vermutlich haben aber nicht alle Faktoren in Ihrem Bewertungsmodell regional die gleiche Aussagekraft?

Das ist richtig. Wir beobachten auch die Analystenschätzungen zu künftigen Gewinnerwartungen und schauen, wie oft Unternehmen sie womöglich übertreffen. In den USA setzen Analysten ihre Prognosen vorsichtiger an. Für die Unternehmen ist es also leichter, sie zu übertreffen, weshalb das meist kein sonderliches Kursfeuerwerk auslöst. Anders in Europa, wo Analysten ihre Prognosen oftmals höher ansetzen. Dann ist es eine umso größere Überraschung, wenn diese übertroffen werden. Entsprechend stärker ist meist auch der Kursanstieg.


Insgesamt erhalten die Aktien in Ihren Portfolios alle die gleiche Gewichtung. Das ist ungewöhnlich.

In vielen herkömmlichen Indizes wird die Gewichtung einer Aktie umso größer, je höher der Kurs steigt und je teurer sie wird. Diesem Prinzip zu folgen ist absurd. Das ist fast so, als würden Sie Lemminge nach dem Weg fragen. So wird der Markt zunehmend von ohnehin schon teuren Aktien angetrieben. Wir wollen in unseren Portfolios das Potenzial aller Titel voll ausschöpfen können. Zudem reißen die wenigen großen Aktien, wenn es zu einer Korrektur kommt, den Gesamtmarkt umso stärker mit. Das ist ein Risiko, das oft unterschätzt wird. Da sind wir dann stabiler.

Zur Person

Goran Vasiljević ist Chief Investment Officer und Mitglied der Geschäftsführung beim Vermögensverwalter Lingohr & Partner Asset Management. Dort wird unter anderem auch der Drei-Banken-Europa-Stock-Mix Fonds aus Österreich verwaltet. Der Finanzwissenschaftler begann seine Karriere im Juli 2007, und zwar als Analyst bei FMV Opinions in Kalifornien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2017)

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