Siemens-Chef glaubt nicht mehr an Zug-Fusion mit Alstom

Siemens-Chef Joe Kaeser: Es gibt noch viel zu tun
Siemens-Chef Joe Kaeser: Es gibt noch viel zu tunREUTERS
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Siemens-Chef Joe Kaeser spürt "das Vertrauen der Kunden in die Leistungsfähigkeit" des Konzerns. Umsatz und Auftragseingang legen zu, doch die Kraftwerkssparte macht weiterhin Sorgen. Ob die Zugfusion mit Alstom kommt, ist offen.

Bei Siemens-Chef Joe Kaeser schwindet die Hoffnung auf eine Genehmigung der Zug-Fusion mit dem französischen Rivalen Alstom. "Es wäre für alle Beteiligten gut, wenn sie gelänge. Wir werden sie aber nicht um jeden Preis suchen", sagte Kaeser am Mittwoch vor der Hauptversammlung in München. Wenn die EU-Kommission den Zusammenschluss ablehne, "dann werden wir uns damit abfinden und einfach weitergehen". Die Zug-Sparte Siemens Mobility erlebt gerade einen Auftragsboom. Siemens und Alstom wollten mit dem Zusammenschluss zur weltweiten Nummer zwei dem chinesischen Marktführer CRRC Paroli bieten, weil sie fürchten, dass er bald massiv in Europa auf Kundenfang geht. Kaeser sagte: "Das ist die einzig richtige Antwort darauf, wenn staatsgelenkte Unternehmen Zugang zum Weltmarkt suchen."

Das 30 Jahre alte EU-Wettbewerbsrecht sei veraltet, glaubt Kaeser. Er hatte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager für ihre harte Haltung kritisiert, räumte am Mittwoch aber ein, dass es nach den geltenden Kartellvorschriften wenig Spielraum gebe. "Wir sind nicht wütend, wir haben alles getan." Siemens habe seine Zugeständnisse nicht nachgebessert, nur präzisiert. "Es wird interessant sein zu sehen, ob die Zukunft der Mobilität in Europa durch Technokratie oder durch Zukunftsorientierung bestimmt werden kann." Fondsmanager Marcus Poppe von der DWS sprang ihm auf der Hauptversammlung zur Seite: Der Standpunkt der EU-Kommission sei rechtlich korrekt, "verkennt aber die Gefahren für den europäischen Industriesektor im weltweiten Wettbewerb über die nächsten 20 Jahre."

Zweiter Anlauf mit Alstom unwahrscheinlich

Die Wirtschaftsminister Deutschlands und Frankreichs, Peter Altmaier und Bruno Le Maire, hatten sich für die Fusion stark gemacht. Die EU-Entscheidung soll bis 18. Februar fallen. Kaeser erklärte, Siemens habe "Optionen" für die Zug-Sparte. Wie diese aussehen, sagte er nicht. Laut Unternehmenskreisen erwägt der Konzern, die bereits ausgegliederte Siemens Mobility dann allein an die Börse zu bringen. Ein neuer Anlauf, die neue Kommission nach der Europawahl zu überzeugen, sei "unwahrscheinlich", sagte der für die Sparte zuständige Siemens-Vorstand Roland Busch. Das Wettbewerbsrecht ändere sich dadurch nicht.

Die fusionierte Siemens Alstom SA war neben der Windkraft-Sparte Siemens Gamesa und der Medizintechnik-Tochter Healthineers eines von drei Unternehmen, das künftig eigenständig börsennotiert sein sollte. Auch die übrigen drei Sparten sollen nach der "Vision 2020+" mehr Selbstständigkeit genießen. Fondsmanager bezeichneten Kaesers Kurs als richtig, beklagten aber, dass er sich nicht im Aktienkurs widerspiegele. Die Siemens-Aktie gab um 1,7 Prozent auf 98,82 Euro nach.

"Irgendwo ist immer Krise"

"Aus Sicht des Kapitalmarkts ist in einem großen Industriekonglomerat wie Siemens leider immer irgendwo Krise", sagte Christoph Niesel von Union Investment. Vor allem für die kriselnde Kraftwerks-Sparte Power & Gas müsse dringend eine Lösung gefunden werden - am besten durch einen strategischen Partner aus China, dem größten Markt für Gasturbinen. "Gelänge dies, würde Siemens am Kapitalmarkt stärker als zukunftsgerichteter Technologiekonzern eingestuft und nicht mehr als träger Gemischtwarenladen."

Zu Beginn des Geschäftsjahres 2018/19 belastete das Geschäft mit Kraftwerksturbinen und dem Energiemanagement den Gewinn. In beiden Sparten ging das operative Ergebnis im ersten Quartal (von Oktober bis Dezember) um etwa die Hälfte zurück. Im Konzern bröckelte das angepasste operative Ergebnis (EBITA) aus dem Industriegeschäft um sechs Prozent auf 2,07 Milliarden Euro ab. Das liege "am unteren Rand" der eigenen Planungen, sagte Kaeser. Die Stimmung an den Märkten habe sich gedreht. Die Brexit-Debatte, der Handelskonflikt zwischen China und den USA und die "innenpolitische Volatilität" in den USA hinterließen Wirkung. "Das Pendel schlägt zur anderen Seite aus."

Die Prognose für das gesamte Geschäftsjahr sieht Kaeser aber nicht in Gefahr. Zum einen könne Siemens Konjunkturschwankungen besser abfedern als in der Vergangenheit. Zum anderen könne man notfalls Forschungs- und Entwicklungsprojekte verschieben. Siemens peilt für 2018/19 bei einem "moderaten Umsatzwachstum" weiterhin eine operative Marge von elf bis zwölf Prozent an. Im ersten Quartal hinkte die bereinigte Umsatzrendite im Industriegeschäft mit 10,6 (Vorjahr: 11,4) Prozent noch hinter dem Zielwert her. Der Konzern baut auf den Auftragseingang, der im ersten Quartal um 13 Prozent auf 25,2 Milliarden Euro sprang - der höchste Wert seit zehn Jahren.

Der Nettogewinn schrumpfte zwischen Oktober und Dezember um die Hälfte auf 1,12 Milliarden Euro, nachdem Siemens vor einem Jahr mit gut einer Milliarde Euro vom Verkauf seiner Beteiligung an Osram und von der US-Steuerreform profitiert hatte. Der Konzernumsatz stieg auf vergleichbarer Basis um zwei Prozent auf 20,1 Milliarden Euro. 

(Reuters)

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