Nur nicht zu sehr verlieben, sonst verliert man!

Wer sich unsterblich in eine Aktie verliebt, kann blind werden für die Realität.
Wer sich unsterblich in eine Aktie verliebt, kann blind werden für die Realität.APA/AFP/TANG CHHIN SOTHY
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Liebe und Treue mögen im Leben Sinn machen. Bei der Geldanlage jedoch nicht. Und zwar aus einem simplen Grund.

Wer seine Gedanken auf der Reih' hat, denkt nicht an Heirat, sagte einst Otto Waalkes, jener deutsche Komiker, der gern in selbst kreierten Schüttelreimen spricht.

Von wegen Heirat, könnte man sagen. An der Börse ist schon das Verlieben gefährlich. Sobald nämlich zu viel Emotion in die Geldanlage fließt, häufen sich die Fehler. Nicht zufällig beschäftigt sich ein eigener Fachbereich der Verhaltensökonomie mit der Psychologie der Anleger. Diese nämlich sind nicht die stets rational handelnden Homines oeconomici, als die sie gern verkauft werden.

In Wirklichkeit haben sie Wünsche, verfallen in Gier oder Zorn – ja und verlieben sich eben auch. Wer um diese Fehlerquellen weiß, kann sie zumindest früh erkennen und einschränken oder schaltet sie gleich ganz aus, indem er die Investitionsentscheidungen an die Algorithmen eines Computers delegiert. Was nun die Verliebtheit in oder gar das Heiraten von Investitionen (vor allem in Aktien) betrifft, so ist die Materie subtil. Denn das langfristige Halten einer Aktie ist generell der sicherere Weg, um Erfolge zu erzielen – die Durchschnittsgewinne sind traditionell höher. Und nicht zufällig heißt ein bekannter Börsenkalauer: „Hin und her macht Taschen leer.“ Damit ist zwar zuvorderst gemeint, dass beim häufigen Umschichten im Depot die Gebühren die Rendite anknabbern. Es ist aber auch so, dass kurzfristiges Investieren manche Kursentwicklung nicht auskostet und manchen Rücksetzer überbewertet.

Dennoch: Wer sich unsterblich in eine Aktie verliebt, kann blind werden für die Realität.

Was gegen die lange Liebe spricht? Das Leben. Das ist im Fluss, und die Welt ändert sich. Firmen haben ihre Zeit, auch Blütezeit – und auch wenn sie Jahrzehnte im Spiel sind, haben sie Schwäche- oder Sättigungsphasen, auf die Zeiten mit geringem Wachstum folgen. Manche haben die explosive Wachstumsphase übrigens vor dem Börsengang.

Während ihres Lebens sind Unternehmen diversen Umständen und äußeren Einflüssen bzw. Entwicklungen ausgesetzt, an die sich nicht alle gleich gut adaptieren. In jedem Fall ändert sich an der Börse die Bewertung permanent – Über- und Unterbewertung können wechseln. Ja, und zum Lauf der Welt gehört auch, dass viele Unternehmen eben auch sterben, wie ein Studium von Aktienindizes zeigt.

Also, Treue muss sich an der Börse nicht rechnen. Man muss sich ab und zu von einem Liebling trennen können. Vor allem, wenn er einen eh schon länger schlecht behandelt. Est

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2019)

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