ThyssenKrupp sagt die Spaltung ab

In dem deutschen Industriekonzern müssen die Karten neu gemischt werden.
In dem deutschen Industriekonzern müssen die Karten neu gemischt werden.REUTERS
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Die Aktionäre applaudieren der Kehrtwende und verschafften der gebeutelten Aktie einen Höhenflug. Konzernchef Kerkhoff braucht jetzt einen Plan B – Börsengang der Aufzugsparte?

Düsseldorf. Die Sensation ist perfekt: Drei Jahre lang wurde geplant, verhandelt, gestritten – jetzt sagt der deutsche Industriekonzern ThyssenKrupp die geplante Aufspaltung in zwei Teile ab, und auch die Stahlfusion mit Tata Steel ist obsolet. „Nach einem heutigen Gespräch mit der Wettbewerbskommission gehen ThyssenKrupp und Tata Steel davon aus, dass das geplante Joint Venture ihrer europäischen Stahlaktivitäten aufgrund der weiter fortbestehenden Bedenken der Kommission nicht zustande kommen wird“, bestätigte der Konzern am Freitag vorangegangene Spekulationen.

Zu groß war nicht nur der Widerstand in Brüssel, sondern auch der eigenen Belegschaft, zu scharf die Kritik von Investoren, die sich in einem drastischen Kursverfall spiegelte. Am Mittwoch sackte der Kurs auf den tiefsten Stand seit 15 Jahren ab. Am Freitag applaudierten die Anleger der Entscheidung: Thyssen-Krupp-Papiere schossen um bis zu 20 Prozent in die Höhe und waren mit Abstand größter DAX-Gewinner. Ein Trost, denn die Aktie hatte binnen eines Jahres 45 Prozent an Wert verloren. Womit der Konzern mit 160.000 Mitarbeitern nur noch sieben Mrd. Euro wert ist.

Konzernchef Guido Kerkhoff, der das Projekt von seinem Vorgänger Heinrich Hiesinger geerbt hatte, muss nun einen Plan B schmieden. Denn auch die von ihm geplante Konzernaufspaltung in einen Industriegüter- und einen Werkstoffkonzern sei wegen der Konjunkturabkühlung und der Geschäftsentwicklung nicht möglich, hieß es. Das Unternehmen braucht aber eine Neuordnung, die mehr Effizienz und Profitabilität bringt.

Man denke nun über eine Holdingstruktur nach, bei der die lukrative Aufzugsparte abgespalten oder teilweise an die Börse gebracht werden könnte, sagten mit der Materie befasste Kreise. An der Thyssen-Aufzugsparte hatte schon der finnische Konkurrent Kone Interesse angemeldet. Die Sparte ist seit Jahren der größte Gewinnbringer des Konzerns, der vor Jahren schon mit zwei Stahlwerken in Amerika Milliarden in den Sand gesetzt hatte.

„Alte Garde“

Ob die Entscheidung Kerkhoff nun den Job rettet, ist allerdings offen. Schon zu Beginn seiner Amtszeit im vergangenen Sommer, als er den glücklosen Hiesinger an der Spitze abgelöst hatte, kritisierten einige Investoren Kerkhoffs langjährige Rolle als Finanzvorstand. „Kerkhoff gehört zur alten Garde. Es muss einen Neuanfang geben“, hieß es damals. Schon Hiesinger musste gehen, weil kritische Investoren mit seiner Strategie nicht einverstanden waren.

Die Anzeichen, dass die Pläne nicht aufgehen, haben sich zuletzt verdichtet. Nun war der Druck nach dem Kurssturz offenbar zu groß geworden. Im Zuge der Aufspaltung sollte das konjunkturanfällige Werkstoffgeschäft finanziell abgesichert werden, indem es an dem profitableren Industriegüterkonzern eine Beteiligung hält. Je weniger ThyssenKrupp wert ist, desto höher müsste die Beteiligung des Werkstoffkonzerns sein. Aufzugsparte?

Zudem wurden die Kosten der Aufspaltung auf rund eine Mrd. Euro geschätzt. Auch deshalb stellte die neue Aufsichtsratschefin, Martina Merz, das Vorhaben nochmals auf den Prüfstand. Außer Spesen nichts gewesen? Die Zeit, die in das Tata-Projekt seit drei Jahren gesteckt wurde, ist jedenfalls verloren. Durchgreifende Veränderungen sind notwendig – aber die Gemengelage im Unternehmen macht dies nicht leicht. Neben den mächtigen Arbeitnehmervertretern und der IG Metall sind der Finanzinvestor Cevian mit einem Anteil von rund 18 Prozent und die Krupp-Stiftung mit gut 20 Prozent wichtige Player, die in Fragen der Strategie nicht immer einer Meinung sind. (eid/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2019)

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