EZB-Debatte über Staffelzinsen nimmt erneut Fahrt auf

In der EZB kommt die Debatte über die Entlastung der Banken in Schwung
In der EZB kommt die Debatte über die Entlastung der Banken in SchwungREUTERS
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Nach den Worten von Notenbank-Direktor Benoit Coeure hält sich die EZB die Möglichkeit offen, den Geldhäusern mit gestaffelten Einlagezinsen unter die Arme zu greifen.

In der Europäischen Zentralbank (EZB) bekommt die Debatte um Entlastungen der Banken wegen der anhaltenden Ultratiefzinsen neuen Schwung: Sollten die Währungshüter zu dem Schluss kommen, dass eine Zinssenkung die beste geldpolitische Handlungsoption sei, müssten sie über die Auswirkungen auf die Geldhäuser nachdenken, sagte Notenbank-Direktor Benoit Coeure der "Financial Times" vom Montag. "Wir müssten überlegen, ob ein Staffelsystem nötig ist." Die vorherrschende Sicht im EZB-Rat sei zwar derzeit, dass dies nicht der Fall sei. "Aber wir stimmen auch darin überein, dass dies mehr Überlegungen verdient."

Jede Option habe ihre Vorzüge und Kosten, sagte das Mitglied des sechsköpfigen EZB-Führungsteams. "Und wir müssen sie sehr sorgfältig abwägen." Dies werde die EZB aber nicht vom Handeln abhalten. Neben Zinssenkungen könne die EZB ihren Ausblick ändern oder ihre Anleihenkäufe wieder aufnehmen. Die Frage sei, welches Instrument oder welche Kombination davon am besten zu den Umständen passe. Diese Diskussionen hätten erst auf der jüngsten Zinssitzung in Vilnius begonnen.

Banken fordern Ende der Negativzinsen

Die EZB senkte 2014 erstmals ihren Einlagesatz auf unter 0 Prozent - inzwischen liegt er bei minus 0,4 Prozent. Ein negativer Satz bedeutet, dass Geldhäuser Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie über Nacht überschüssiges Geld bei der Notenbank parken. In Deutschland beklagen Geldhäuser schon seit längerem, dass die ultraniedrigen Zinsen an ihren Gewinnen zehren. Sie fordern ein Ende der Negativzinsen. Eine Staffelung des Einlagensatzes könnte etwa wie in der Schweiz über Freibeträge erreicht werden. Demnach könnten Banken bis zu einer gewissen Grenze Geld bei der EZB unterbringen, ohne dass sie darauf Strafzinsen zahlen müssten.

Auch der Chef der finnischen Notenbank, Olli Rehn, hatte jüngst "mögliche Linderungsmaßnahmen" für Banken ins Spiel gebracht. Österreichs Notenbankchef Ewald Nowotny zufolge werden vor allem kleine Geldhäuser, bei denen das Einlagengeschäft eine größere Rolle spiele, durch die Negativzinsen belastet. "Wenn man hier für etwas Entlastung sorgen kann, ohne die Wirksamkeit der Negativzinsen zu reduzieren, dann ist das etwas, über das man reden kann", sagte er dem "Handelsblatt". Aber das habe keine große Priorität.

EZB-Chef Mario Draghi hatte nach der jüngsten Zinssitzung betont, man halte sich angesichts der konjunkturellen Unsicherheiten wegen der Handelskonflikte und der Brexit-Hängepartie alle Optionen offen. Einige Ratsmitglieder hätten auch die Möglichkeit von Zinssenkungen erwähnt.

An der Börse wird inzwischen nicht mehr damit gerechnet, dass die EZB ihr Inflationsziel von knapp 2 Prozent in den kommenden Jahren erreichen wird. Das für die Geldpolitik wichtige Barometer Five-Year-Five-Year-Forward sank am Montag auf ein Rekordtief von 1,1275 Prozent. Investoren erwarten demnach, dass die Inflation ab 2024 über einen Zeitraum von fünf Jahren lediglich bei etwas mehr als 1,12 Prozent liegen wird. Die Inflationserwartungen am Markt spielen für die Entscheidungen der EZB eine große Rolle.

(APA/Reuters)

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