US-Ökonom: "Griechenland ist nur Spitze des Eisberges"

(c) AP (Mark Lennihan)
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US-Ökonom Nouriel Roubini zweifelt, dass das Rettungspaket greift und die Finanzmärkte beruhigt. Griechenland hat die erste Rate in Höhe von 14,5 Mrd. Euro des Notkreditpakets aus der Eurozone erhalten.

London (Bloomberg/red.). „Die Krise des Euro ist noch nicht vorbei, denn Griechenland ist nur die Spitze des Eisberges.“ Diese Warnung kann nur von einem kommen: US-Starökonom Nouriel Roubini macht auch am Dienstag in einem BBC-Interview kein Hehl aus seiner wenig optimistischen Einstellung zur Weltwirtschaftslage. Der Professor an der zur New York University gehörenden Stern School of Business ist überzeugt, dass „wir in der Eurozone derzeit die zweite Stufe einer typischen Finanzkrise erleben“.

Roubini gilt als Kassandra, weil er schon 2004 vor dem Platzen der Immobilienblase gewarnt und 2006 den Absturz der Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession inklusive des Megacrashs von Banken und ganzen Volkswirtschaften prognostiziert hat. Seine Weitsicht beschert ihm nun einen Gastauftritt als „Dr. Doom“ (Dr. Untergang) im Remake von „Wall Street“, dem legendären Film über die Börsenzockerwelt an der Wall Street, der im Oktober in Österreich anläuft.

Was Roubini jetzt sagt, ist freilich bitterer Ernst: Der von der EU gespannte 750 Mrd. Euro schwere Schirm für Griechenland und gegen die negativen Auswirkungen auf den Euro habe zwar die Finanzmärkte beruhigt. Es bleibe jedoch die Frage, ob die angeschlagenen Euroländer (neben Griechenland auch Portugal, Spanien und Irland) stark genug seien, die geforderten Sparpläne umzusetzen. Nur so würden die Finanzmärkte Vertrauen bekommen.

Eurozone schickt erste Tranche

Griechenland hat am Dienstag die erste Rate in Höhe von 14,5 Mrd. Euro des auf drei Jahre ausgelegten Notkreditpakets aus der Eurozone erhalten. Zehn Länder haben zur Zahlung beigetragen. Der Internationale Währungsfonds hat schon in der Vorwoche eine Tranche von 5,5 Mrd. Euro überwiesen. Damit kann Griechenland die am Mittwoch fälligen Anleihen von 8,5 Mrd. Euro zurückzahlen. Der nächste Griechenland-Bond wird erst im März 2011 fällig.

Im Gegenzug hat sich Griechenland verpflichtet, Sparmaßnahmen in Höhe von 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) umzusetzen. Roubini hält das mit der griechischen Bevölkerung für nicht machbar. Wenn doch, werde es desaströse Auswirkungen auf die griechische Wirtschaft haben, meinte der Ökonom schon Ende April und verwies darauf, dass Griechenland ein höheres Schulden-BIP-Verhältnis habe als Argentinien 2001. Prinzipiell hält Roubini das Hilfspaket für einen „Schritt in die richtige Richtung“. Er schließt aber während und zu Ende des dreijährigen Programmes „unerwartete und chaotische“ Ereignisse bis zu einem Staatsbankrott nicht aus.

Schon beim Weltwirtschaftsforum in Davos Ende Jänner schockte Roubini die Weltöffentlichkeit, als er ein Auseinanderbrechen der Währungsunion für möglich hielt: eine Spaltung in ein starkes Zentrum und in eine schwache Ländergruppe an der Peripherie. „Nicht in diesem oder nächsten Jahr, aber in weiterer Ferne“, sagt der US-Professor. Ob er damit beruhigen wollte?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2010)

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