Kritik an Verbot: "Leerverkauf ist ein gutes Instrument"

Schaeuble Maerkte sind ausser
Schaeuble Maerkte sind ausser(c) AP (Michael Sohn)
  • Drucken

Der deutsche Finanzminister Schäuble verteidigt das deutsche Verbot ungedeckter Leerverkäufe. Kritiker widersprechen: "Spekulation macht Probleme sichtbar, sie ist nicht die Ursache".

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat das deutsche Verbot ungedeckter Leerverkäufe verteidigt. Die Märkte seien "außer Kontrolle", sagte er der "Financial Times" vom Donnerstag. Eine "effektive Regulierung" müsse daher dafür sorgen, dass die Märkte richtig funktionierten. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin hatte unter anderem ungedeckte Leerverkäufe von Finanzaktien und Schuldtiteln der Euro-Zone verboten.

Leerverkäufe (short selling)

Leerverkäufe funktionieren vereinfacht so: Angenommen, eine Aktie kostet heute 100 Euro. Ein Spekulant sichert sich mit einem Derivat das Recht, die Aktie in drei Monaten um 70 Euro zu verkaufen. Angenommen, die Aktie ist in drei Monaten am Markt zum 40 Euro zu haben. Nun kauft er die Aktie am Markt um 40 und verkauft sie sofort um die vereinbarten 70 --> und schon hat er 30 gewonnen.

Man spricht von "Leerverkauf", weil der Spekulant zum Zeitpunkt der Spekulation (im Bsp: Heute) gar keine Aktie hat, die er in drei Monaten verkaufen könnte. Er "borgt" sich die Aktie von jemandem anderen aus und retourniert sie zum Verkaufszeitpunkt, wenn er die gleiche Aktie am Markt kauft.

Der Minister sprach sich zudem für eine internationale Finanztransaktionsteuer aus. Beim Gipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G 20) im Juni in Kanada sollte dieses Instrument "ohne Vorurteile" diskutiert werden, sagte er dem Blatt.

Sollten die G-20-Staaten sich nicht auf diese Steuer einigen können - und dies sei "wahrscheinlich" - werde die Diskussion erneut beginnen, ob die Europäische Union eine solche Abgabe im Alleingang einführen solle.

"Rendite von 25 Prozent ist nicht gesund"

Ein Markt funktioniere nicht richtig, wenn Risiken und Gewinne vollkommen aus dem Gleichgewicht seien, sagte Schäuble der "Financial Times". "Wir brauchen Transparenz." Angesichts der komplexen modernen Technologie brauche der Mensch eine Chance zu beurteilen, was er eigentlich tue. Daher sei auch eine Standardisierung von Finanzprodukten notwendig. Neue Finanzprodukte seien zwar nötig, dürften aber den Bezug zur Realwirtschaft nicht verlieren, sagte Schäuble der Zeitung weiter. Eine Rendite von mindestens 25 Prozent sei in der Realwirtschaft "einfach nicht vorstellbar. Das ist nicht gesund."

Schäubles Ankündigung schockierte am Mittwoch die internationalen Finanzplätze. Der Alleingang wirke wie ein hilfloses Um-Sich-Schlagen, sagte der Währungsexperte Marc Chandler von der New Yorker Investment-Firma Brown Brothers. "Es erscheint unausgegoren und nicht wirklich durchdacht und bestärkt Marktzweifel an der Glaubwürdigkeit der europäischen Politik", zitiert ihn  "Financial Times Deutschland".

Deutsche Privatbanken: Verbot ist wirkungslos

Die deutschen Privatbanken lehnen den deutschen Alleingang beim Verbot ungedeckter Leerverkäufe ab. Die Politik habe erst monatelang zugesehen, wie das Kind in den Brunnen gefallen sei und habe nun überstürzt gehandelt, kritisierte der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, Andreas Schmitz, am Donnerstag im ZDF. Der Markt werde sich ein anderes Ventil suchen und auf ein nationales Verbot reagieren, indem die entsprechenden Geschäfte an anderen Orten getätigt würden.

Wirksam bekämpfen lasse sich die Spekulation gegen hochverschuldete Staaten nur durch deren Haushaltssanierung. "Die Spekulation macht ein Problem sichtbar, sie ist nicht die Ursache", sagte Schmitz. Was die Regulierung der Finanzmärkte angeht, müssten lediglich Exzesse eingeschränkt werden. "Der Leerverkauf ist an sich ist ein gutes Instrument." Selbst die beste Idee könne aber pervertiert werden, wenn sie exzessiv ausgeübt werde. Nötig sei Transparenz, indem die Spekulationsgeschäfte auf geregelte Märkte gebracht würden.

Franzosen kritisieren Leerverkaufs-Verbot

Die französische Regierung sieht den Euro nicht bedroht. "Ich glaube absolut nicht, dass der Euro in Gefahr ist", sagte Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde am Donnerstag dem französischen Sender RTL. Der Euro sei eine "glaubwürdige" Währung und sorge seit mehr als zehn Jahren für Stabilität in der Euro-Zone.

Lagarde kritisierte gleichzeitig den Alleingang Deutschlands bei der Einführung eines Verbots von bestimmten Spekulationsgeschäften. Bei dem Verbot von Leerverkäufen habe es keine Abstimmung mit den europäischen Partnern gegeben, sagte Lagarde. Frankreich werde Deutschland dabei nicht folgen.

"Die Märkte sind nicht in Panik"

Am Donnerstag hat auch ein Vertreter der tschechischen Zentralbank Deutschlands Leerverkaufsverbot als sinnlos kritisiert. Die Geschäfte würden einfach in anderen Ländern getätigt, sagte Vize-Gouverneur Miroslav Singer in der Zeitung "Hospodarske Noviny".

Eine solche Maßnahme habe nur Sinn, um den Märkten die Präsenz der Aufsichtsbehörden zu demonstrieren, oder in Zeiten der Panik. "Aber das ist nicht der Fall, die Märkte sind nicht in Panik", sagte Singer. Sie reagierten einfach nur auf die schlechte Finanzlage in vielen Ländern der Euro-Zone und der Europäischen Union (EU).

(Ag.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Duncan Neiderauer
Geld & Finanzen

Leerverkäufe: Sündenbock oder Wurzel allen Übels?

Seit Mitte Mai sind bestimmte riskante Börsengeschäfte mit Aktien und Euro-Anleihen auch in Deutschland verboten. Für Kritiker sind Leerverkäufe "Massenvernichtungswaffen", Börsenprofis sehen sie als Sündenböcke.
Österreich

Euro rutscht in Richtung "fairer Wechselkurs"

Gerüchte um eine bevorstehende Rückstufung Frankreichs und Italiens ließen am Dienstag den Euro neuerlich abstürzen. Als größeres Problem wird allerdings die europäische Schuldenkrise gesehen.
Wirtschaftskommentare

Der Euro und die fahrlässige Krida

Die Eurostaaten werden ihre Sanierungsprogramme noch einmal nachjustieren müssen. Wir nicht: Wir haben noch keines.
International

Banken-Probleme wegen Hellas-Bonds

Die Vorstände könnten wegen der Griechenland-Hilfe vor Gericht gezerrt werden. Juristen zufolge müssen die Generaldirektoren damit rechnen, von ihren Aktionären geklagt zu werden.
Euro fällt auf tiefsten Stand seit April 2006
International

Länderratings in Gefahr: Euro fällt auf 1,21 Dollar

Marktgerüchte über Rating-Abstufungen von Italien und Frankreich haben einen Kursrutsch ausgelöst. Eine Stabilisierung des Euro ist nicht in Sicht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.